INTERNATIONALE POLITIK, 60 (2005) 8

Titel der Ausgabe 
INTERNATIONALE POLITIK, 60 (2005) 8
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Ist alles Innenpolitik?

Erschienen
Frankfurt am Main 2005: Societäts Verlag
Erscheint 
Erscheinungsweise: deutsch (monatlich), russisch (monatlich), englisch (vierteljährlich)
ISBN
1430-175X
Anzahl Seiten
144
Preis
9,95

 

Kontakt

Institution
Internationale Politik
Land
Deutschland
c/o
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Rauchstraße 17-18 10787 Berlin Tel.: +49-(0)30-25 42 31-46 Fax: +49-(0)30-25 42 31-67
Von
Patrick Wagner

Nun also Neuwahlen. Die Legislaturperiode endet vorzeitig, sechs Wochen hektischen Wahlkampfes liegen vor uns. Er wird ohne Begeisterung geführt werden, denn die rechte Wechselstimmung fehlt: „Die Mehrheit der Bürger ist zwar nach sieben Jahren Rot-Grün leid und hat den Eindruck, dass die Koalition das Land schlecht geführt habe,“ analysiert Meinungsforscher Manfred Güllner in dieser Ausgabe der IP. „Doch anders als 1998 glaubt nur eine Minderheit, dass es eine neue Regierung besser machen werde.“
Deutschland geht es schlecht. Die interne Krise absorbiert alle Aufmerksamkeit, der Blick richtet sich nach innen. Schon an den Wahlprogrammen der Parteien lässt sich ablesen, dass die deutsche Außenpolitik bei diesen Wahlen keine Hauptrolle spielen wird. Aber wenn eine politische Zäsur sich abzeichnet – und dass die neue Regierung keine rot-grüne mehr sein wird, daran zumindest besteht wenig Zweifel – sollte auch in hektischen Zeiten Bilanz gezogen werden: Wo steht das Land heute? Was waren die Stärken, was die Schwächen deutscher Außenpolitik im vergangenen Jahrzehnt? Wo tut ein Kurswechsel not, wo lässt sich der eingeschlagene Weg fortsetzen?
In dieser Ausgabe der IP analysieren mehrere renommierte Politikwissenschaftler die Außenpolitik der Ära Rot-Grün. Ihre Bewertung ist durchweg kritisch. „Rot-Grün hat sich verklettert,“ urteilt Hans-Peter Schwarz; die Regierung habe nach maßvollem Beginn den Sinn für das Machbare verloren und sei gescheitert. Joachim Krause bemängelt, dass der deutschen Sicherheitspolitik schon seit der Wiedervereinigung eine „Grand Strategy“ fehle, die die neuen Bedrohungen konsequent analysiere und Bewältigungsstrategien entwickle. Christian Hacke schließlich unterzieht die deutschen Bemühungen um einen ständigen UN-Sicherheitsratssitz einer vernichtenden Kritik.
Wie nun weiter? Freidemokrat Wolfgang Gerhardt, der in einer denkbaren CDU/CSU/FDP-Regierung neuer deutscher Außenminister werden könnte, präsentiert sein außenpolitisches Konzept in dieser IP. Auch der Grüne Reinhard Bütikofer formuliert seine Vorstellungen. Die Debatte kann beginnen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt:

Hans-Peter Schwarz
Das Ende der Übertreibungen. Nach maßvollem Beginn ist der rot-grünen Regierung der Blick für das Machbare verloren gegangen. Deutschland braucht eine Außenpolitik des Ausgleichs

Die rot-grüne Außenpolitik, die maßvoll begann, ist seit 2002 auf Abwege geraten und nun vollends gescheitert. Der Blick für das Machbare ist ihr abhanden gekommen. Anbiederung an Frankreich, maßlose Amerika- Kritik, die Überdehnung der EU, der Absturz des zur Verfassung hochstilisierten neuen europäischen Vertrags und schließlich der Streit um den Sicherheitsratssitz – unprofessioneller geht kaum. Welchen Kurs müsste dagegen die neue Bundesregierung verfolgen? Das Geheimnis erfolgreicher deutscher Außenpolitik heißt Ausgleich, Mäßigung und Vermittlung.

Joachim Krause
Auf der Suche nach einer Grand Strategy. Der deutschen Sicherheitspolitik fehlt seit der Wiedervereinigung ein kohärentes Konzept. Eine Grundsatzdebatte über Ziele und Instrumente ist überfällig

Nach der Zeitenwende von 1989/90 hat die deutsche Politik sich schwer getan, die neuen außenpolitischen Herausforderungen zu definieren und dafür eine kohärente Strategie zu entwickeln. Eine Grundsatzdebatte über die zukünftigen Aufgaben, Ziele und Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands ist überfällig.

Thomas Speckmann
Friedensmacht und Waffenbruder. Das neue nationale Selbstbewusstsein der Deutschen – therapiert, pazifistisch, moralisch überlegen – beruht auf einem Mythos: Bilanz von sieben Jahren Rot-Grün

Deutschland hat zwei Weltkriege begonnen und verloren. Seither will es den Frieden. Seine Einwohner schreiben Bibliotheken über die begangenen Schandtaten, bauen Mahnmale und Gedenkstätten. So haben sich die Deutschen zwar von Militaristen zu Pazifisten gewandelt. Die Flucht in eine faktische Neutralität ist ihnen aber nicht gelungen Aufgeschreckt vom Völkermord auf dem Balkan, hat die schleichende „Normalisierung“ der deutschen Außenpolitik begonnen. Nach dem 11. September 2001 wurde das Ende der „Sonderrolle“ Deutschlands und schließlich sogar der „deutsche Weg“ verkündet. Man ist wieder wer. Nur wer?

Wolfgang Gerhardt
Mehr Freiheit, bitte!

Weniger Umarmung von Diktatoren, weniger Auftrumpfen, mehr Menschenrechtspolitik: Grundzüge einer liberaleren deutschen Außenpolitik Länder, die in Freiheit leben, haben eine besondere Verpflichtung, auch anderen zur Freiheit zu verhelfen. Deutschland trägt 15 Jahre nach der Wiedervereinigung international mehr Verantwortung. Wir dürfen uns dem nicht verweigern – aber genauso wenig von der Kultur der Zurückhaltung zu einer Kultur des Auftrumpfens übergehen. Europäische Integration, transatlantische Kooperation, Menschenrechte und ein effektiver Multilateralismus müssen die Leitlinien deutscher Politik sein.

Reinhard Bütikofer
Mehr Effektivität, bitte!

Klares Bekenntnis zu Militäreinsätzen, weitere Integration Europas, effektiverer Multilateralismus: Wie grüne Außenpolitik weiterentwickelt werden muss Ohne die Bereitschaft, militärische Macht als letztes Mittel einzusetzen, können Frieden und Sicherheit in der Welt nicht erreicht werden. Doch Europas besondere Aufgabe liegt in einer Sicherheitspolitik, die sich nicht auf die militärische Dimension verkürzt. Europa muss seine Integration vertiefen, auch in der Außenpolitik, seine inneren Konflikte ohne Amerika lösen und sich im Rahmen der Vereinten Nationen für die Welt engagieren. Doch multilaterale Strukturen funktionieren nur sehr begrenzt, wenn die USA sich daran nicht beteiligen. Sie einzubinden ist eine der wesentlichen Aufgaben europäischer Friedenspolitik.

Christian Hacke
Neudeutscher Wilhelminismus

Die deutschen Bemühungen um einen ständigen UN-Sicherheitsratssitz waren tölpelhaft, großmannssüchtig und für das Ansehen des Landes in der Welt schädlich. Mit tölpelhaftem Auftreten, falschen Verbündeten und einem Mangel an Strategie versuchte die rot-grüne Regierung, einen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erringen. Damit verärgerte sie die USA und schwächte das Bemühen der Europäer um eine gemeinsame Außenpolitik. Dabei ist ein größeres Engagement Deutschlands für die Vereinten Nationen erwünscht – aber im europäischen Verbund und mit viel mehr Taktgefühl.

NEUES EUROPA
Ex oriente lux von Konrad Schuller
Ostmitteleuropa wird der Gewinner der europäischen Krise sein. Und zur neuen Mitte werden Das „Neue Europa“ lebt. Aber es ist nicht der Spaltkeil, sondern der Retter Europas. Als Briten und Franzosen einander unversöhnlich gegenüberstanden, kam der einzige sinnvolle Vermittlungsversuch aus Polen und anderen ostmitteleuropäischen Ländern. Das ist ihre große Chance. Deutschland hat seine ausgleichende Rolle verspielt. Ostmitteleuropa kann die neue Mitte Europas, das Scharnier der Einigung werden.

FRANKREICH
Die gelähmte Nation von Marc Germanangue
Jacques Chirac hat mit eitlen Alleingängen sein Land – und Europa – geschwächt Einen Platz, der vor allem auf Selbstüberschätzung beruht. Der Präsident ist nach dem Scheitern des Verfassungsreferendums geschwächt wie nie zuvor. Die Außenpolitik bleibt undurchsichtig und in den Händen des „Palasts“. Neue Strategien werden nicht erdacht. Dennoch fühlt sich Frankreich unter Jacques Chirac als Grande Nation und beansprucht eine führende Rolle in Europa und der Welt. Aber dazu fehlt die Kraft.

EU-ERWEITERUNG I
Wie geht es weiter mit der Türkei? von Eckart D. Stratenschulte
Zehn Jahre für die Katz’ zu verhandeln – an diesem Ausgang kann keiner Interesse haben

EU-ERWEITERUNG II
Türkische Albtraumszenarien von Heinz Kramer
Eine Absage der Europäischen Union an die Türkei wäre fatal – für beide Seiten

IRAN
Erst kommt das Fressen und dann die Moral von David Menaschri
Die Konservativen haben nun alle Macht – die Wähler werden sie an ihren Erfolgen messen Anstatt sich in intellektuellen Plänkeleien zu verlieren, so der Geistige Führer Ali Khamenei an die Adresse der Reformer, sollten sie sich lieber der Wirtschaft widmen. Denn ohne Auskommen gäbe es keine Religion, Moral oder Hoffnung. Nach den Wahlen üben die Konservativen alle Macht aus. Nun sind sie auch allein dafür verantwortlich, die großen Versprechen einzulösen und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

WELTHANDELSORGANISATION
Der sanfte Globalisierer von Claudia Decker
Pascal Lamy ist der neue Generaldirektor der WTO: Weshalb die einstimmige Wahl des Franzosen in Genf für Erleichterung sorgte

TSCHETSCHENIEN
Kaukasischer Teufelskreis von Stefan Scholl
Die klaren Fronten sind verwischt, jeder kämpft gegen jeden: Der Konflikt greift unaufhaltsam auf die Nachbarrepubliken über. Lösen kann das Dilemma allein der Kreml Russlands Krieg in Tschetschenien ist zu einem blutigen Drama geworden, bei dem alle Konfliktparteien den Staat ausplündern und Gewalt immer mehr zum Selbstzweck wird. Die anfangs klaren Fronten sind verwischt, die Gegner bekämpfen sich zwar, kooperieren aber auch. Den nordkaukasischen Nachbarrepubliken droht eine ähnliche Entwicklung. Der Westen sollte wissen: Nur der Kreml kann den Kaukasus befrieden. Moskau muss seine Politik grundsätzlich ändern.

SUDAN
Kreuz des Südens von Ulrike Koltermann
Der Aufbau des „neuen Sudan“ läuft. Doch gerecht geht es noch lange nicht zu. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde endlich ein Friedensvertrag zwischen Khartum und den südsudanesischen Aufständischen unterzeichnet. Nun sollen Millionen in den Aufbau des „Neuen Sudan“ im Süden fließen. Damit ist das von ethnischen Konflikten zerrissene Land noch lange nicht befriedet. Denn die Wurzel des Übels muss erst noch beseitigt werden: die ungerechte Verteilung von Macht und Wohlstand.

BOSNIEN-HERZEGOWINA
Internationale des schlechten Gewissens von Ralf Fücks
Srebrenica, zehn Jahre später: Die ethnische Dreiteilung Bosniens war ein Fehler Im Abkommen von Dayton wurde die multiethnische Republik Bosnien- Herzegowina zugunsten einer dreigeteilten Konförderation aufgegeben. Damit wurde das ethnische Prinzip zum Fundament des neuen bosnischen Staates gemacht – ein Konstruktionsfehler, an dem das Land bis heute leidet. Er muss, mit Hilfe der EU, beseitigt werden.

EX-SOWJETUNION
Demokratie durch Wahlbeobachtung von Hans-Georg Wieck
In der Ukraine spielte sie eine entscheidende Rolle; die EU muss sie stärker fördern Die Offenlegung der amtlichen Wahlfälschung durch unabhängige Wahlbeobachter hat beim Demokratisierungsprozess der Ukraine eine entscheidende Rolle gespielt. Internationale Organisationen, vor allem aus den USA, haben dabei geholfen. Auch europäische Institutionen sollten dieses Instrument der friedlichen Transformation stärker fördern – etwa in Weißrussland, wo bisherige Versuche gescheitert sind.

AMERIKABILDER von Tim B. Müller
Der Terrorist, der aus dem Westen kam Europas gescheiterte Integrationspolitik macht Amerika Angst

BUCHKRITIK von David Witzthum und Walter Laqueur
Der lange Weg zur politischen Vernunft. Joschka Fischers Welterklärung, deutsche Nahost-Politik und weitere Rezensionen

Kolumnen
WERKSTATT DEUTSCHLAND von Manfred Güllner
Die Farbe Umbra. Das Volk will den Wechsel, doch Wechselstimmung herrscht nicht – Wahlen paradox

ÖKONOMIE von Adam S. Posen
Vier Fragen an den künftigen Kanzler. Da Globalisierung in den Programmen nicht auftaucht, sollte das Wahlvolk nachhaken

KULTUR von Gustav Seibt
Wozu Akademien? Gute Frage. Aber als geistige und moralische Anstalten haben sie durchaus ihren Sinn

TECHNOLOGIE von Tom Schimmeck
Wandelnde Bar-Codes. Biometrie soll uns vor Terror schützen. Bisher hilft sie nur bei der Tätererkennung – danach

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