Internationale Politik 59 (2004), 11-12

Titel der Ausgabe 
Internationale Politik 59 (2004), 11-12
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Entwicklungspolitik

Erschienen
Bielefeld 2004: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
Erscheinungsweise: deutsch (monatlich), russisch (zweimonatlich), englisch (vierteljährlich)
ISBN
3-7639-3221-6
Anzahl Seiten
200 S.
Preis
10 €

 

Kontakt

Institution
Internationale Politik
Land
Deutschland
c/o
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Rauchstraße 17-18 10787 Berlin Tel.: +49-(0)30-25 42 31-46 Fax: +49-(0)30-25 42 31-67
Von
Chladek, Tilmann

EDITORIAL

Diese Ausgabe der Internationalen Politik, liebe Leserinnen und Leser, wird Ihnen in mancher Hinsicht ungewöhnlich vorkommen. Sie ist als Doppelnummer sehr viel umfangreicher als üblich. Und sie setzt mehrere Schwerpunkte: Neben dem eigentlichen Heftthema „Entwicklungspolitik“ sind das der Ausgang der amerikanischen Wahlen und das deutsch-amerikanische Verhältnis nach diesen Wahlen, die Lage in der afrikanischen Krisenregion Sudan-Kongo-Ruanda-Burundi und die Debatte um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei, zu der wir hier eine türkische und eine amerikanische Stimme abdrucken.

Im kommenden Jahr 2005 feiert die Herausgeberin der Zeitschrift Internationale Politik, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), ihr 50-jähriges Jubiläum. Dieses für die DGAP bedeutende Datum wird u.a. mit einem internationalen Kongress zum Thema „Deutschland in einer sich globalisierenden Welt“, mit einem Festakt im Beisein des Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler und zahlreichen weiteren Veranstaltungen gewürdigt. Anlässlich dieses Jubiläums wird auch die Internationale Politik in neuer Aufmachung erscheinen: Zum ersten Mal am 12. Januar 2005, dann regelmäßig an jedem ersten Montag des Monats.
Wir haben an diesem Neuauftritt intensiv gearbeitet. Dabei hat uns sehr geholfen, dass viele von Ihnen sich die Zeit genommen haben, unseren Fragebogen zu beantworten. Ihre Anregungen, Ihre Kritik, Ihre Ideen und Ihre Verbesserungsvorschläge waren für uns wichtig, dafür danken wir Ihnen sehr herzlich.

Ab Januar wird die Internationale Politik in einem neuen Verlag erscheinen, der Frankfurter Societät. Dieser Verlag betreut bereits unsere englischsprachige Transatlantic Edition. Er hat zugesagt, die Internationale Politik künftig an ausgewählten deutschen Kiosken und in Buchhandlungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wenn Sie die Zeitschrift abonniert haben, wird sich die Frankfurter Societät demnächst direkt an Sie wenden.
Freuen Sie sich mit uns auf die neue Internationale Politik!

Sabine Rosenbladt

Inhaltsverzeichnis

ENTWICKLUNGSPOLITIK

Franziska Donner
Was ist „Fortschritt“?

Jeffrey D. Sachs
Deutschland tut zu wenig

Peter Nunnenkamp
Effizienz auf dem Prüfstand

Stefan Brüne
Europa verzettelt sich

Czempiel / Hacke / Janes / Sandschneider
Amerika nach den Wahlen

ANALYSEN / ESSAYS / STANDPUNKTE / DEBATTEN

Richtungswahl in den USA 1
von Ernst-Otto Czempiel
Die Wahl war kein Ausrutscher, ein neues imperiales Zeitalter ist angebrochen. Mit George W. Bush werden sich die USA ganz von der Selbstbändigung der Macht verabschieden. Südstaatenrepublikaner, christliche Fundamentalisten und Neocons sehen sich bestätigt, der Atlantik-Graben wird breiter, so Ernst-Otto Czempiel, der große alte Herr der deutschen Amerika-Forschung.

Goodbye, liberales Amerika? Die Außenpolitik der zweiten Präsidentschaft Bush 5
von Christian Hacke
Die Europäer können sich keinen eigenen amerikanischen Präsidenten backen, und sie können auch George W. Bush kein politisches Valium verabreichen. Also sollten sich beide Seiten der Realität stellen, erklärt Christian Hacke, der profilierte Bonner Amerika-Kenner. Viel wird von den Personalentscheidungen in den nächsten Wochen abhängen, Bush könnte drei verschiedene außenpolitische Wege einschlagen.

Jetzt ist die Zeit zu handeln! Deutschland und USA vor gemeinsamen Aufgaben 10
von Jackson Janes und Eberhard Sandschneider
Was, so fragen Jackson Janes vom American Institute for Contemporary German Studies und Eberhard Sandschneider vom Forschungsinstitut der DGAP, bedeutet das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen für die transatlantischen Beziehungen, besonders für das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten? Sie beschreiben sieben Handlungsfelder, in denen die gestörten Beziehungen durch eine Politik der kleinen Schritte auf eine tragfähige Basis gestellt werden können.

Das zerrissene Erbe der Aufklärung. Die ideologische Polarisierung zwischen Deutschland und den USA 15
von Harald Müller
Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika zählen zu den unumstößlichen Bestandteilen der (ungeschriebenen) auswärtigen Doktrin Deutschlands. Tief greifende Meinungsunterschiede im transatlantischen Verhältnis werden, so das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, bestehen bleiben, so lange eine „neokonservative Kamarilla“ die Macht in Washington in den Händen hält. Kooperation bleibe auf Grund bestimmter gleicher Sicherheitsinteressen zwar möglich, Harmonie aber sei ausgeschlossen.

Iran: Der Atomkonflikt ist nur die Spitze des Eisbergs 25
von Thomas Weihe
Wie schwierig der Dialog zwischen Iran und den westlichen Staaten nach wie vor ist, zeigt Thomas Weihe in seinem Bericht über den 127. Bergedorfer Gesprächskreis in Isfahan (Iran). Iran lehnt jede Einmischung ab und fordert Verständnis für seine sicherheitspolitischen Interessen und politisch-normativen Traditionen, während der Westen den Verzicht auf iranische Kernwaffen sowie eine Demokratisierung verlangt.

Deutschland tut zu wenig. Die Herausforderung durch globale Instabilität und Armut im Jahr 2005 27
von Jeffrey D. Sachs
Amerika tut viel für das Militär und wenig für die Entwicklungspolitik. Aber wie sieht es eigentlich in Europa aus? Jeffrey Sachs, Professor an der Columbia-Universität in New York, Berater Kofi Annans und einer der weltweit wichtigsten Entwicklungsexperten, nimmt kein Blatt vor den Mund: Einige europäische Länder tun viel, aber Deutschland gibt zu wenig, und es ist viel zu sehr auf die Innenpolitik fixiert. Deutschland wird gebraucht, wenn Europa mit einer Stimme sprechen und die amerikanische Politik ausgleichen soll - und schließlich wollen die Deutschen auch einen Sitz im Sicherheitsrat.

Braucht Europa nationale Entwicklungsministerien? 33
von Stefan Brüne
Das Macht- und Beziehungsgefüge der internationalen Beziehungen wird sich in den kommenden Jahrzehnten zugunsten der heutigen Schwellen- und Entwicklungsländer verändern. Stefan Brüne vom Deutschen Übersee-Institut untersucht, welche Anforderungen diese neuen, bislang kaum bedachten Entwicklungen an die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten stellen und konstatiert, dass die in Aussicht genommene Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vor der Herausforderung stehe, den weltpolitischen Trends konzeptionell und handlungsbezogen Rechnung zu tragen.

Was ist „Fortschritt“? Ein interkultureller Näherungsversuch 40
von Franziska Donner
Eine glänzende Idee: Der Fortschritt soll in den wenig entwickelten Ländern Einzug halten. Aber was ist überhaupt der Fortschritt? Franziska Donner, Direktorin bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), berichtet von einer erstaunlichen Serie weltweiter Konferenzen, auf der nach dem Entwicklungsbegriff vor Ort - in Indien, Ägypten oder unter indigenen Völkern Südamerikas - gefragt wurde. Das Ergebnis ist eine Vielfalt von Fortschrittsbegriffen. Darauf muss sich nachhaltige Entwicklungspolitik einstellen.

Effizienz der Entwicklungshilfe. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit 47
von Peter Nunnenkamp
Zwar hat die „Gebermüdigkeit“ der Industriestaaten inzwischen etwas nachgelassen, doch muss man fragen, wie effizient die allmählich wieder zunehmenden Finanzmittel wirklich eingesetzt werden. Peter Nunnenkamp vom Kieler Institut für Weltwirtschaft kritisiert, dass die dazu von der Weltbank und Anderen entwickelten Kriterien auch heute noch - bis auf ein paar Ausnahmestaaten - ungenügend angewandt werden. Entwicklungshilfe ist nach wie vor weder besonders selektiv noch wirklich zielgerichtet.

Eine neue Allianz? Das Verhältnis der Entwicklungspolitik zum Militär wird enger 55
von Stephan Klingebiel und Katja Roehder
Noch vor wenigen Jahren wäre undenkbar gewesen, wie eng heute mancherorts Akteure der Entwicklungspolitik und des Militärs zusammenarbeiten, etwa in Afghanistan. Die Möglichkeiten, Vorteile und Risiken dieser Kooperation erörtern die Autoren, die für das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik tätig sind.

Es bleibt noch viel zu tun. Der weltweite Kampf gegen die Armut erfordert mehr Investitionen in reproduktive Gesundheit 59
von Catherina Hinz
Eine gemischte Bilanz ziehen die Vereinten Nationen zehn Jahre nach der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo. In vielen Ländern hat sich das Angebot an Familienplanung erheblich verbessert. Der Mangel an finanziellen Ressourcen, veränderte Prioritäten in der Entwicklungshilfe und nicht zuletzt eine Ideologisierung der Debatte um reproduktive Rechte drohen die bisher erzielten Fortschritte jedoch zunichte zu machen. Armutsbekämpfung - ein international anerkanntes Ziel der Entwicklungshilfe nicht erst seit der Formulierung der Millenniumsentwicklungsziele - kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn mehr in reproduktive Gesundheit investiert wird.

Aid gegen AIDS. Die Auswirkungen von HIV/AIDS müssen in die Entwicklungspolitik einbezogen werden 65
von Stefan Elbe
Die weltweite AIDS-Epidemie erschwert gegenwärtig nicht nur die internationale Entwicklungspolitik; in vielen Entwicklungsländern droht sie sogar die hart erkämpften Verbesserungen der letzten Jahrzehnte rückgängig zu machen. Für den an der University of Sussex lehrenden Politikwissenschaftler Stefan Elbe ist in den kommenden Jahren Entwicklungspolitik ohne die Einbeziehung der wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Auswirkungen von HIV/AIDS undenkbar.

Was bringt die Doha-Runde? Weltmarktintegration ist kein Entwicklungspessimismus 73
von Georg Koopmann
Welche Rolle kann die aktuelle Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) für die Entwicklungsländer spielen? Inwieweit trägt die WTO zum Handelswachstum in diesen Ländern und zur Umsetzung des Handelswachstums in nachhaltige Entwicklung bei? Kann die Marginalisierung der am wenigsten entwickelten Länder durch ihre stärkere Mitwirkung in der WTO überwunden werden? Antworten auf diese Fragen gibt Georg Koopmann vom Hamburger Welt-Wirtschaftsarchiv, der für eine entwicklungspolitische Gesamtstrategie plädiert, deren Kernstück die Armutsbekämpfung bilden müsse.

Entwicklungskiller. Die Konflikte in der Region der Großen Seen Afrikas sind noch weit von jeder Lösung entfernt 80
von Helmut Strizek
Über der neuen humanitären Katastrophe Darfur ist die Region der Großen Seen in Afrika aus den Schlagzeilen verschwunden. Das heißt aber bei weitem nicht, dass dort die Konflikte gelöst wären. Helmut Strizek zeigt ganz im Gegenteil auf, dass die Interessen der autoritären Regime von Kongo, Ruanda, Uganda und anderen in einem bisher unentwirrbaren Knäuel verstrickt sind und noch lange eine Entwicklung dieser Länder verhindern werden. Verschlimmert wird dies noch dadurch, dass auch die Großmächte in dieser Region vorwiegend ihre eigenen Interessen verfolgen.

Genozid in Afrika. Darfur: fernbleiben oder sich einmischen? 87
von Rainer Tetzlaff
Die schwelende Krise in der im Westen von Afrikas größtem Staat Sudan gelegenen Provinz Darfur ist zu einer „menschlichen Katastrophe in der Größenordnung und Schwere eines Genozids“ eskaliert. Angesichts dieser Entwicklung fragt der Hamburger Politikwissenschaftler, wie die Europäische Union bzw. die internationale Staatengemeinschaft „angemessen“ auf das Morden in Darfur reagieren sollten.

Herausforderung Kosovo. Die Europäer müssen sich noch stärker engagieren 95
von Marie-Janine Calic
Der ungeklärte Status Kosovos steht nicht zuletzt seit den blutigen Unruhen vom März 2004 weit oben auf der politischen Agenda des Westens. Marie-Janine Calic, die südosteuropäische Geschichte an der Universität München lehrt, plädiert für ein noch stärkeres Engagement der Europäischen Union in der seit 1999 international verwalteten Provinz. Die EU werde dort „in langer zeitlicher Perspektive“ den Prozess der Stabilisierung und „Europäisierung“ begleiten und unterstützen müssen.

Transformation und Entwicklung messen. Zur Relevanz des Bertelsmann-Transformationsindexes für die Entwicklungspolitik 103
von Siegmar Schmidt
Entwicklungshilfe wird immer wieder kritisiert, weil sie angeblich ineffektiv sei. Doch um diese Frage beurteilen zu können, muss man einen Vergleichsmaßstab für „Entwicklung“ oder „Transformation“ besitzen. Siegmar Schmidt, der an der Universität Koblenz-Landau lehrt, stellt einen neuen Transformationsindex vor, den die Bertelsmann-Stiftung entwickelt hat. Dieser Transformationsindex weist einige Vorteile gegenüber bisherigen Indices auf.

Der lange Weg nach Europa. Die Saga von den Beziehungen der Türkei zur EU 115
von Soli Özel
Die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union müssen im Zusammenhang mit dem Bemühen des Landes um Modernisierung nach westlichem Vorbild gesehen werden. Für den an der Bilgi Universität in Istanbul lehrenden Verfasser werden von der Fortsetzung des Integrationsprozesses in hohem Maße Stabilität und Wohlstand der Türkei abhängen.

Die Türken vor Brüssel. Eine amerikanische Sicht der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU 125
von F. Stephen Larrabee
Die Entscheidung der EU, ob sie mit der Türkei Beitrittsverhandlungen aufnehmen wird oder nicht, hat nicht nur für die Türkei erhebliche Bedeutung. Auch die strategischen Interessen der EU und die der Vereinigten Staaten werden entscheidend davon betroffen. F. Stephen Larrabee von RAND plädiert entschieden dafür, der Türkei im Interesse des gesamten Westens und im Interesse gedeihlicher Beziehungen zu der muslimischen Welt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur EU anzubieten.

Der Blick auf den großen Bruder 135
von Fraser Cameron
Das Ansehen der amerikanischen Regierung in der europäischen Öffentlichkeit ist so schlecht wie nie. Fraser Cameron, Studiendirektor des European Policy Center in Brüssel, untersucht die Gründe für diesen Vertrauensverlust und fordert die EU-Staaten auf, die Konsequenz daraus zu ziehen und ihre außenpolitischen Ressourcen in der EU zu bündeln. Nur so könne Europa ein echter Partner der USA werden.

Was einmal war, wird nicht mehr sein. Rückblick auf 60 Jahre amerikanische Europa-Politik 143
von William Richard Smyser
In Tagen transatlantischer Verstimmung nach der jüngsten Wahl wirft der Georgetown-Professor W. R. Smyser einen Blick zurück auf die amerikanische Europa-Politik. Amerika stationierte seine Truppen in Europa und unterstützte den europäischen Einigungsprozess, dafür bekam es die strategische Kontrolle, konsultierte aber die Verbündeten. Erst George W. Bush hat sich davon verabschiedet.

Auf dem Weg zum Elysée. Die pragmatische Profilierungspolitik des Senkrechtstarters Nicolas Sarkozy 149
von Martin Koopmann
In Frankreich hat bereits jetzt das Rennen um die Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2007 begonnen. Für Martin Koopmann vom Forschungsinstitut der DGAP hat der bisherige Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy gute Chancen; er sieht den „politischen Senkrechtstarter der Bürgerlichen“ schon heute „auf dem Weg zum Elysée“.

Immanuel Kant und die Reichweite der Kanonen. Die Abkehr von der Illusion eines ewigen Friedens 155
von Heinz Kluss
Sein 200. Todestag hat Immanuel Kant eine Vielzahl von Würdigungen und seinem Werk erhebliche Beachtung eingetragen. Heinz Kluss, ehemaliger Generalstabsoffizier der Luftwaffe, macht sich aus diesem Anlass Gedanken über eine mögliche Abkehr von der „Illusion eines ewigen Friedens“ des Königsberger Philosophen.

AUS AMERIKANISCHEN ZEITSCHRIFTEN

Morgentau des Realismus 163
von Tim B. Müller
Nachdem in den vergangenen Jahren viel von den Neocons die Rede war, ist nun ein genauer Blick auf die realistische Variante der Außenpolitik nötig. Man darf gespannt sein, welches Mischungsverhältnis aus Idealismus und Realismus Amerika in den kommenden Jahren finden wird, denn von der richtigen Mischung hängt Amerikas Erfolg ab.

BUCHKRITIK

Am Scheideweg. Zwischen klassischer Entwicklungshilfe und Sicherheitspolitik 167
von Peter Thiery
Die Handlungsspielräume und -bedingungen der bilateralen ebenso wie der multilateralen Entwicklungspolitik haben sich verändert. Auf der Seite der Entwicklungsländer sind zu den alten, oftmals ungelösten Problemen neue hinzugekommen; die Industrieländer versuchen zunehmend, Entwicklungspolitik auch unter sicherheitspolitischen Aspekten zu bestimmen. Peter Thiery stellt drei Bücher vor, die sich mit der Aufgabe der Entwicklungspolitik, ihre Ziele, Strategien und Instrumente neu zu justieren, auseinander setzen.

Neue Bücher zur internationalen Politik 175
Regelsberger, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP). Konstitutionelle Angebote im Praxistest 1993-2003; Malone (Hrsg.), The UN Security Council: From the Cold War to the 21st Century; Pfeil, Die „anderen“ deutsch-französischen Beziehungen. Die DDR und Frankreich 1949-1990.

DOKUMENTATION

Dokumente zur Entwicklungspolitik 175

Im September 2000 hatte der „Millenniumsgipfel“ der Vereinten Nationen Armutsbekämpfung, soziale Sicherheit, den Kampf gegen Seuchen, Konfliktprävention und den Schutz der Umwelt als grundlegende Herausforderungen des 21. Jahrhunderts benannt. Vier Jahre später ist zu fragen, wie weit es seither gelungen ist, diese Ziele zumindest teilweise zu erreichen. Zu Wort kommen der Generalsekretär der Vereinten Nationen, die Europäische Union, afrikanische und lateinamerikanische Staatsoberhäupter, Vertreter der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik sowie von Nichtregierungsorganisationen.

Alle Texte sind zu finden unter <http://www.internationalepolitik.de>.

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Jahresbericht 2004 Entwicklungspolitik und Drittlandshilfe der EG, vorgelegt am 29. Juli 2004 in Brüssel (gekürzt) <www>

Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan, über die Umsetzung der Millenniumserklärung der UN, vorgelegt am 27. August 2004 in New York (gekürzt) 177

Address by the President of South Africa, Thabo Mbeki, at the Pan African Parliament, Gallagher Estate, Midrand, 16 September 2004 (Excerpts) <www>

Address by the President of Brazil, Luiz Inácio Lula da Silva, at the UN General Assembly, New York, 21 September 2004 (Excerpts) <www>

Zusammenfassung des von europäischen Nichtregierungsorganisationen erstellten Berichts „Taking control: The case for a more effective EU Code of Conduct on Arms Exports”, veröffentlicht am 29. September 2004 <www>

Namensartikel des Staatssekretärs für wirtschaftliche, unternehmerische und landwirtschaftliche Angelegenheiten im amerikanischen Außenministerium, Alan P. Larson, veröffentlicht am 1. Oktober 2004 188

Erklärung der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zur Sitzung des Entwicklungsausschusses der Weltbank am 2. Oktober 2004 in Washington (gekürzt) <www>

Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Uschi Eid, vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Oktober 2004 in New York 190

von Martin Mantzke

Als sich auf Einladung von UN-Generalsekretär Kofi Annan im September 2000 mehr als 150 Staats- und Regierungschefs in New York zum „Millenniumsgipfel“ trafen, taten sie dies in der Absicht, die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf die grundlegenden Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu lenken (vgl. die Dokumente zum Millenniumsgipfel in: Internationale Politik, 12/2000, S. 71 ff.). Zu diesen Herausforderungen zählten nach Überzeugung der Gipfelteilnehmer in erster Linie Armutsbekämpfung, soziale Sicherheit, der Kampf gegen Seuchen, Konfliktprävention und der Schutz der Umwelt. Die in der damals verabschiedeten „Millenniumserklärung“ gesteckten Ziele waren hoch (vgl. ebd. S. 121 ff.) - wie weit ist es seither gelungen, sie zumindest teilweise zu erreichen?

In seinem im August 2004 vorgelegten Bericht über die Umsetzung der Millenniumserklärung (S. 177 ff.) äußerte sich der Generalsekretär tief besorgt, dass Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten darüber, wie die kollektive Sicherheit angesichts immer größerer Bedrohungen durch den Terrorismus und durch Massenvernichtungswaffen gewährleistet werden könne, andere Probleme „weit in den Schatten“ gestellt hätten. Zu diesen Problemen, die tief greifende Auswirkungen auf das Leben von Hunderten Millionen Menschen haben, zählen für Annan vor allem HIV/AIDS, extreme Armut und Umweltzerstörung. Systematische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, Menschenrechtsverletzungen, die Entwicklung der Lage der ärmsten Menschen in der Welt und die Zahl der Neuinfektionen mit HIV/AIDS, so der Generalsekretär, seien „kaum ermutigend“. Zwar seien die Hindernisse, die sich der Verwirklichung der Entwicklungsziele entgegenstellten, vielgestaltig, doch nicht unüberwindbar. Die Weltgemeinschaft verfüge über das Wissen und das technologische Instrumentarium, die für wirkliche Fortschritte im Kampf gegen die Armut und für eine gerechte Teilhabe an den Vorteilen der Globalisierung erforderlich seien; sie habe die Pflicht zu handeln.

Weniger pessimistisch ist in dieser Beziehung der „Jahresbericht 2004 zur Entwicklungspolitik und Drittlandshilfe“, den die Europäische Kommission im Juli vorlegte <www>. Nicht ohne Stolz wird vermerkt, dass die Europäische Union in Bezug auf Wirtschaft, Handel und Entwicklungspolitik „ein Akteur von Weltrang“ sei und dass sie mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent an der weltweiten Entwicklungshilfe den Platz als „Geber Nummer Eins“ einnehme. Der Bericht gibt einen Überblick über die Strategie und die Aktivitäten der Gemeinschaft im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und listet ihre Aktivitäten in 140 Ländern und sechs Weltregionen auf. Ziel der Gemeinschaft sei es, „den Standard des politischen Handelns und der Sicherheit anzuheben“, damit ein stabiles und friedliches Umfeld für ersprießliche Entwicklung entsteht.

Zeugnis von den Schwierigkeiten und Problemen Afrikas und Lateinamerikas gaben zwei führende Repräsentanten der beiden Kontinente. Südafrikas Staatspräsident Thabo Mbeki sprach bei der ersten Sitzung des „Panafrikanischen Parlaments“ im September alle diese Probleme Afrikas an: von Bürgerkriegen, Völkermord und Konflikten bis zu wirtschaftlichem Niedergang, sozialem Verfall und kultureller Überfremdung <www>. Ebenfalls im September nutzte der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva einen Auftritt vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, um eine „asymmetrische Globalisierung“ zu beklagen, die vielfach Armut und sozialen Rückschritt mit sich gebracht habe <www>.

Die grundsätzliche Haltung der USA zum Zusammenhang zwischen Globalisierung und dauerhafter Entwicklung legte im Oktober der für Wirtschaft, Unternehmen und Landwirtschaft zuständige Staatssekretär im State Department, Alan P. Larson dar (S. 188 ff.); Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul <www> und ihre Parlamentarische Staatssekreträrin Uschi Eid (S. 190 ff.) nutzten im Oktober die Tagung der Weltbank und das Forum der Vereinten Nationen, um die deutsche Haltung zur Entwicklungspolitik darzulegen.

Mit besonderer Aufmerksamkeit werden Fragen und Probleme der Entwicklungspolitik seit jeher von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verfolgt. So veranlasste die Tatsache, dass trotz eines seit 1998 bestehenden Verhaltenskodexes der EU und eines EU-Embargos aus Deutschland und anderen Ländern der Union Rüstungsgüter an Staaten geliefert werden, die systematisch Menschenrechte verletzen, 55 europäische NGOs, unter ihnen Oxfam und amnesty international, im September 2004 zur Vorlage eines Berichts <www>. Darin werden die Mitgliedsländer der Europäischen Union nachdrücklich aufgefordert, ihren Verhaltenskodex für Rüstungsexporte zu verschärfen.

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