Internationale Politik 59 (2004), 5

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Internationale Politik 59 (2004), 5
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Patient Deutschland

Erschienen
Bielefeld 2004: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
Erscheinungsweise: deutsch (monatlich), russisch (monatlich), englisch (vierteljährlich)
ISBN
3-7639-3215-1
Anzahl Seiten
152 S.
Preis
10 EUR

 

Kontakt

Institution
Internationale Politik
Land
Deutschland
c/o
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Rauchstraße 17-18 10787 Berlin Tel.: +49-(0)30-25 42 31-46 Fax: +49-(0)30-25 42 31-67
Von
Chladek, Tilmann

Das Maiheft der Internationalen Politik widmet sich unserem Heimatland: Patient Deutschland. Dieses Land war einst der starke Mann in der Wirtschaft der Europäischen Union, doch heute läuft es den anderen OECD-Ländern wirtschaftlich gesehen hinterdrein. Was sind die Gründe dafür und wie kann man das ändern? Warnfried Dettling meint, dass die deutschen Politiker wie die deutsche Öffentlichkeit sich erst allmählich darüber klar werden, dass die alten Gewohnheiten keine blühende Zukunft mehr garantieren. Franz Walter dagegen hält die Deutschen noch immer nicht reif dafür, die bittere Medizin zu schlucken, die ihnen die Politiker empfehlen. Zwar sind alle für Reformen, jedoch nur, solange sie selbst nicht davon betroffen sind. Das grundsätzliche Leiden der deutschen Volkswirtschaft liegt nach Auffassung von Hans-Werner Sinn in der strukturellen Arbeitslosigkeit wenig oder gar nicht qualifizierter Arbeitnehmer. Andreas Wörgötter und Eckhard Wurzel nennen andere Gründe dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich auffallend schlecht abschneidet. Doch Anke Hassel und Hugh Williamson vertreten die Auffassung, dass die jüngsten Reformen viel weiter gehen, als es den meisten Leuten bisher klar geworden ist. Herwig Birg warnt vor dem sich selbst verstärkenden demographischen Ungelichgewicht, in das wir sehenden Auges geraten sind. Jutta Allmendinger warnt davor, dass Deutschland die einzige "natürliche Ressource", die es in nennenswertem Umfang besitzt, vernachlässigt, nämlich die Bildung und Ausbildung der kommenden Generationen. Auch Jürgen Turek tritt für eine viel energischere Förderung von Forschung und Entwicklung ein. Hans-Olaf Henkel zeigt in einem Interview seine Vorstellungen darüber auf, wie die deutsche Krankheit kuriert werden könnte. Sigmar Gabriel vertritt die Ansicht, dass die SPD nach wie vor die einzige große Reformpartei sei, deren Leistungen sich sehen lassen könnten. Daniel Dettling und Hans Jörg Hennecke, zwei Vertreter der jüngeren Generation, verlangen durchdachtere und kühnere Reformen.

Michael J. Inacker von DaimlerChrysler untersucht die Frage, wie globale Unternehmen sinnvolle Beiträge auf außenpolitischem Gebiet und für Stabilität insgesamt leisten können.

Der ehemalige Botschafter Dietrich von Kyaw argumentiert, die deutsche Regierung habe den europäischen Kurs verlassen, auf dem fast fünfzig Jahre lange so gute Ergebnisse für Deutschland erzielt werden konnten.

Christoph Reuter zählt alle wichtigen Fehler der amerikanischen Politik in Irak auf, die sie mitten in den Treibsand geführt haben, und Udo Steinbach meint, eine unkritische Übertragung westlicher Demokratiemodelle auf die letztendlich vom Kolonialismus geschaffene Staatenwelt des Mittleren Ostens, die sich in voller Auflösung befinde, müsse scheitern.

Inhaltsverzeichnis

Mai 2004 -- Nr. 5 -- 59. Jahr

PATIENT DEUTSCHLAND

Warnfried Dettling
Abschied aus dem Jammertal

Herwig Birg
Verteilungsstress zwischen Alt und Jung

Hans-Werner Sinn
Europas kranker Mann

Franz Walter
Zielloses Missvergnügen

Udo Steinbach - Christoph Reuter
Aufstand in Irak

ANALYSEN / ESSAYS / STANDPUNKTE / DEBATTEN

Abschied aus dem Jammertal. Deutschland im Übergang 1
von Warnfried Dettling
Deutschland präsentiert sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts als ein "Land im Übergang", so jedenfalls der Berliner Publizist Warnfried Dettling. Allmählich dämmere es Bürgern wie Politikern, dass sie zu lange der illusorischen Hoffnung nachgehangen haben, es könne immer so weitergehen wie bisher. Doch die alte Ordnung trägt nicht mehr, und eine neue ist noch nicht gefunden. Vorrangige Aufgabe der Politik sei es in dieser Situation, Hoffnung zu begründen und Vertrauen in die Zukunft zu wecken - nur so könne der "Exodus aus dem Jammertal" gelingen.

Zielloses Missvergnügen. Über das Elend deutscher Politik 11
von Franz Walter
Der "dröhnende, pausbäckige, gedankenlose Pragmatismus der neunziger Jahre" hat die beiden großen Volksparteien, die SPD wie die Union, in eine tiefe Sinnkrise geführt, auch wenn das bei der Union gegenwärtig noch nicht so sichtbar ist. Die notwendigen Reformen, die auch Verzicht auf viele Annehmlichkeiten bedeuten, lassen sich aber, so der Göttinger Politikprofessor Franz Walter, nur durchsetzen, wenn der Bevölkerung ein einleuchtendes und richtungweisendes Konzept präsentiert, wenn die Politik mit Sinn erfüllt werden kann.

Der kranke Mann Europas. Diagnose und Therapie der deutschen Krankheit 25
von Hans-Werner Sinn
Die deutsche Krankheit besteht in der strukturellen Arbeitslosigkeit der wenig qualifizierten Menschen. Die staatlichen Lohnersatzleistungen haben dazu geführt, dass gerade diese Personengruppe kaum noch Arbeit findet. Nur wenn hier, aber auch auf anderen Gebieten die notwendigen Reformen entschlossen und sachgerecht durchgesetzt werden, so Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner ifo Instituts, besteht die Aussicht, dass Deutschland wegkommen kann vom Platz des Schlusslichts unter den OECD-Ländern.

Ist Deutschland noch zu retten? 35
von Andreas Wörgötter und Eckhard Wurzel
Deutsche Arbeitnehmer und Unternehmer haben immer wieder ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt unter Beweis gestellt. Trotzdem bleibt das Wachstum der deutschen Wirtschaft weit hinter den Erwartungen. Wie ist es dazu gekommen? Andreas Wörgötter und Eckhard Wurzel, beide von der OECD in Paris, gehen dieser Frage nach und schlagen zur Abhilfe unter anderem die Sanierung des Staatshaushalts, einen flexibleren Arbeitsmarkt sowie einen verbesserten Wettbewerb bei Produkten wie bei Dienstleistungen vor.

Deutsches (Auslauf)Modell. Das Wirtschaftssystem hat sich schon viel stärker verändert als angenommen 41
von Anke Hassel und Hugh Williamson
Wenn man das "Deutsche Modell" mit einem Haus vergleicht, dann sind lediglich die Außenmauern - der institutionelle Rahmen - an Ort und Stelle geblieben. Der Rest wurde "entkernt", d.h. beim Arbeitsrecht und bei den sozialen Leistungen wurden bereits Einschnitte gemacht, die eher an das angloamerikanische Modell erinnern. So hat sich das deutsche Wirtschaftssystem bereits grundlegend gewandelt, ohne dass es die meisten gemerkt haben. Ob die bisher erfolgten und die geplanten Veränderungen ausreichen, lässt sich nicht abschätzen. Eines ist jedoch klar: Die Behauptung, Deutschland sei im Kern nicht reformierbar, ist bereits widerlegt.

Demographisch bedingter Verteilungsstress. Ein zentrales Bevölkerungsproblem der Zukunft 49
von Herwig Birg
Auf Grund des globalen Rückgangs der Geburtenzahlen und steigender Lebenserwartung zerfällt weltweit die Grundlage sozialer Sicherungssysteme. Der dadurch entstehende Verteilungsstress entfacht Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen, Ländern und Regionen, so Professor Herwig Birg von der Universität Bielefeld. Kann Deutschland ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Dynamik und demographischer Stabilität finden oder drohen Entvölkerung und der unaufhaltbare wirtschaftliche Kollaps?

Verschenkte Chancen. Handlungsspielräume für die Bildungspolitik 58
von Jutta Allmendinger
Die PISA-Ergebnisse zeigen: Deutschland ist vom Vorbild zum Problemfall in der Ausbildung geworden. Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Schichten und ausländischer Herkunft leiden unter den Schwächen des deutschen Bildungssystems, das durch eine frühe Auslese und ein rigides Modell der Lebensphasen das Bildungspotenzial der Bürger unerfüllt lässt. Um dieses Potenzial zu nutzen, darf lebenslanges Lernen keine leere Formel bleiben, sondern muss eine Institution werden.

Standortqualität Made in Germany. Forschung und Innovationen beherzter fördern 67
von Jürgen Turek
Jahrzehnte hat Deutschland seinen wichtigsten Rohstoff, die Ausbildung, vernachlässigt und erlaubte so der amerikanischen und asiatischen Konkurrenz, einen entscheidenden Vorsprung in der Forschung zu gewinnen. Das Problem ist endlich erkannt worden, doch die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nicht aus. Um die Stellung Deutschlands als Innovationsstandort zu sichern, sind eine bessere Verzahnung von Grundlagen- und Anwendungsforschung, erhöhte Leistungs- und Kundenorientierung bei Universitäten sowie gesteigerte private Finanzierung von Hochschulen durch Industrie und Ehemalige nötig.

"Mehr Mut zur Leistung". Interview mit Hans-Olaf Henkel zum Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland 74
Deutschlands Forschungslandschaft kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen. Doch das allein garantiert nicht, dass das Land auf lange Sicht konkurrenzfähig bleibt. Vor allem die Universitäten leiden unter chronischer Unterfinanzierung, Überreglementierung und staatlicher Gängelei, so der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Statt Förderprogramme aufzulegen, sollte auch in diesem Bereich mehr Wettbewerb zugelassen werden. Kurz: mit mehr Autonomie für den Einzelnen, weniger Hang zur Gleichmacherei und mehr Mut zur Leistung könnte Deutschland wieder zur Weltspitze aufschließen.

Kein Kaninchen, keine Schlange. Die SPD und die Agenda 2010 77
von Sigmar Gabriel
Die mit der "Agenda 2010" verbundenen sozialen Sparmaßnahmen und Einschnitte haben der SPD ein gleichermaßen schlechtes Abschneiden bei Wahlen und Umfragen beschert. Der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident fordert von seiner Partei mehr Selbstbewusstsein, um mit dem von ihr betriebenen Umbauprogramm jene Kraft zurückzugewinnen, die Deutschland braucht, um in die Zukunft zu investieren.

Agenda 2020: Deutschland weiter denken! 85
von Daniel Dettling und Hans Jörg Hennecke
Zu Beginn des Jahres 2004 lag das Wohlstandsniveau der einstigen Wirtschaftswundermacht Deutschland erstmals unter dem Durchschnitt der (damals noch) 15 EU-Länder. Daniel Dettling vom Berliner Think Tank "berlinpolis" und der an der Universität Rostock lehrende Politikwissenschaftler Hans Jörg Hennecke plädieren angesichts dessen für einen "entschlossenen Neuanfang mit gutem Gewissen", rufen nach mehr Risikobereitschaft bei Bürgern und Unternehmen und konstatieren die Notwendigkeit einer "grundlegenden Überprüfung bisheriger Annahmen und Instrumente".

Außenpolitik durch Unternehmen? Die Ökonomisierung der internationalen Politik 90
von Michael J. Inacker
Weltweit tätige Unternehmen produzieren Stabilität, auch wenn sie nach Meinung Michael Inackers, Leiter des Bereichs Politik bei der DaimlerChrysler AG, die Politik nationaler Regierungen und internationaler Organisationen nicht auf Dauer ersetzen können. Dennoch sind ihre politischen Beiträge beachtlich, vor allem dann, wenn sie sie in Zusammenarbeit mit anderen politischen Akteuren erbringen können.

Blick zurück in die Zukunft. Deutschlands Rolle in Europa 97
von Dietrich von Kyaw
Die deutsche Außen- und Europa-Politik hat ihren Kompass verloren, so der frühere deutsche Diplomat mit langjähriger Europa-Erfahrung Dietrich von Kyaw. Das Land habe sich seiner europäischen Verantwortung zu stellen; gegenwärtig fehlten ihm dazu allerdings die wirtschaftlichen wie die politisch-institutionellen Voraussetzungen. So sei seine Handlungsfähigkeit wegen seines "aus den Fugen geratenen Föderalismus" dauerhaft eingeschränkt; angesichts wachsender Verteilungskämpfe mangele es an überzeugenden Reformschritten. Notwendig sei ein in sich schlüssiges Konzept ebenso wie die Fähigkeit zu dessen Umsetzung.

Aufstand in Irak 105
von Christoph Reuter
Der Aufstand in Irak ein Jahr nach dem Beginn des Krieges ist die Folge einer Kette von Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen seitens der Amerikaner, so der für den Stern aus Bagdad berichtende Reporter. Eine falsche Entscheidung war es, die irakische Armee aufzulösen. Falsch eingeschätzt hat man die Bedeutung von Zugehörigkeit zu Volksgruppen, Religionsgemeinschaften und Clans. Es wurden die falschen Leute protegiert, Versprechungen gemacht und nicht gehalten und von einer tatsächlichen Abgabe der Souveränität an das irakische Volk kann keine Rede sein. Unter diesen Umständen sei der Aufstand nicht verwunderlich.

Amerikas Scheitern in Irak. Demokratisierung als historischer Prozess 113
von Udo Steinbach
Ausgehend von der historischen Entwicklung des Nahen und Mittleren Ostens und vor dem Hintergrund des Zerfalls künstlich geschaffener Vielvölkerstaaten argumentiert Udo Steinbach, Direktor des Deutschen Orient-Instituts, dass der Versuch der USA, westlich-liberale Demokratiemodelle auf Irak zu übertragen, zum Scheitern verurteilt sei. Diese Modelle beziehen nur unzureichend Identität, Religion und Tradition ein und werden daher auf Ablehnung bei der Bevölkerung stoßen. Da die USAdurch ihre kritiklose Unterstützung Israels einen schweren Vertrauenverlust in der arabischen Welt hinnehmen mussten, liegt es an Europa, eine Rolle als Moderator einzunehmen, um die Modernisierung im Nahen Osten zu fördern.

BUCHKRITIK

Deutsche Talfahrt. Endlich wird die Krise des Landes in der Öffentlichkeit diskutiert 119
von Jürgen Turek
Zunehmende Arbeitslosigkeit, hohe Lohnnebenkosten, steigende Insolvenzen, Alarmmeldungen aus den Bereichen Bildung und Rentensystem - Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland scheinen sich auf Talfahrt zu befinden. Jenseits aller Katastrophenrhetorik steht es schlecht um das Land, ist seine Lage zweifellos bitterernst. Die Zahl der Publikationen, die sich mit der ökonomischen Strukturkrise und dem gesellschaftlichen Abstieg befassen, nimmt ständig zu. Jürgen Turek stellt fünf Neuerscheinungen vor, die aus unterschiedlicher Perspektive den Ursachen der Krise nachspüren und nach den Chancen für einen Neuanfang fragen.

Neue Bücher zur internationalen Politik 123
Lipson, Reliable Partners. How Democracies Have Made a Separate Peace; Georgi, Geschichtsbilder junger Migranten in Deutschland; Friedrich/Gale, Public-Private Partnership Within the United Nations Systems. Now and Then.

DOKUMENTATION

Dokumente zur Globalisierungsdebatte 127
Eine faire Globalisierung mit Chancen für alle forderte die Weltkommission zur sozialen Dimension der Globalisierung in ihrem Abschlussbericht vom Februar 2004. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Staat und Wirtschaft neue Formen der Kooperation finden, wie sie beispielsweise in den Prinzipien des "Globalen Paktes" zum Ausdruck kommen. Die Rolle der Wirtschaft beim Wiederaufbau von Staaten nach Konflikten und für die Friedensgestaltung im Allgemeinen stand erstmals im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen im April 2004. Eine Premiere war hierbei auch der Auftritt des Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Heinrich von Pierer, der konkrete Aufgabenbereiche für den Wiederaufbau in Afghanistan und Irak erläuterte.
Der Beitragsteil der Zeitschrift ist umfangreicher geworden; deshalb wird nur noch ein Teil der Dokumente im Heft abgedruckt, die anderen Texte werden künftig ins Internet gestellt. Unter der Adresse <http:www.dgap.org/IP/ip0405/dokumentation.htm> finden sich die Dokumente dieser Folge zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Europäischen Union und zur internationalen Beschäftigungspolitik, zur Haltung der amerikanischen Regierung gegenüber der EU-Erweiterung und zur Positionierung Deutschlands im internationalen Wettbewerb.

Rede der deutschen Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zum "Globalen Pakt" am 24. Oktober 2003 in Berlin (gekürzt) 129

Zusammenfassung des Berichts der Weltkommission zur sozialen Dimension der Globalisierung vom 24. Februar 2004 (gekürzt) 132

Rede des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan, vor dem UN-Sicherheitsrat am 15. April 2004 in New York 137

Rede des Präsidenten der Weltbank, James D. Wolfensohn, vor dem UN-Sicherheitsrat am 15. April 2004 in New York 139

Rede des Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Heinrich von Pierer, vor dem UN-Sicherheitsrat am 15. April 2004 in New York 142

ZUSÄTZLICHE DOKUMENTE AUF DER IP-WEBSITE

Abschlusserklärung der G-8-Konferenz der Arbeits- und Beschäftigungsminister vom 14. bis 16. Dezember 2003 in Stuttgart

Globalisierung gemeinsam gestalten: Das Arbeitsprogramm 2004 der deutschen G-20-Präsidentschaft vom Januar 2004

Gemeinsamer Brief von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Präsident Jacques Chirac und Premierminister Tony Blair an den Präsidenten des Europäischen Rates, Bertie Ahern, und den Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi, vom 18. Februar 2004

Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 25. und 26. März 2004 in Brüssel (Auszug zur Lissabonner Strategie)

Rede des Abteilungsleiters für wirtschaftliche und unternehmerische Angelegenheiten im amerikanischen Außenministerium, E. Anthony Wayne, zur EU-Erweiterung am 2. April 2004 in Graz

Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Eröffnung der Hannover Messe am 18. April 2004

von Uta Kuhlmann-Awad
Die Rolle der Wirtschaft bei der Konfliktverhütung, Friedenssicherung und Friedensgestaltung stand erstmals im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am 15. April 2004 in New York, zu der die deutsche Präsidentschaft eingeladen hatte.

Eine Premiere war auch die Rede des Vorstandvorsitzenden der Siemens AG, Heinrich von Pierer, vor diesem Gremium. "Eine ganz häufige Konfliktursache ist Hoffnungslosigkeit oder das Gefühl, vom steigenden Wohlstand und den Vorteilen der Globalisierung ausgeschlossen zu sein", so von Pierer. "Allein kann die Wirtschaft die Welt nicht verändern. Doch zusammen mit öffentlichen Partnern kann die Wirtschaft einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Gewalt, Anarchie und Terrorismus leisten und eine Lanze für Kultur, Freiheit und Wohlstand brechen" (S. 142 ff.). Konkret nannte er die wichtigsten Bereiche für den Wiederaufbau in Afghanistan und Irak.

Für den Präsidenten der Weltbank, James D. Wolfensohn, war es der zweite Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat. Mit deutlichen Worten forderte er, den Menschen in den armen Ländern mehr Hoffnung zu geben und Perspektiven auf Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu eröffnen. "Wir geben jährlich 900 Milliarden Dollar für Verteidigung aus und jährlich 50 Milliarden Dollar für Entwicklung. Ich habe das Gefühl, dass, wenn wir 900 Milliarden Dollar für Entwicklung ausgäben und Menschen in Arbeit oder in Unternehmen brächten, dann bräuchten wir wahrscheinlich nicht mehr als 50 Milliarden für Verteidigung" (S. 139 ff.).

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, erläuterte in seiner Rede die Rolle der Wirtschaft in bewaffneten Konflikten und nahm eine Bestandsaufnahme des 1999 vom ihm ins Leben gerufenen "Globalen Paktes" vor (S. 137 ff.). Der "Global Compact" ist eine Initiative, mit der eine bessere Kooperation zwischen den UN und der Wirtschaft angestrebt wird. Ihre neun Prinzipien betreffen die Bereiche Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umwelt; für den 24. Juni 2004 ist in New York ein Wirtschaftsgipfel geplant, bei dem das bisher Erreichte überprüft werden soll.

Das Thema "Globale Partnerschaften" stand auch im Mittelpunkt der Rede der deutschen Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, bei einer Tagung am 23. Oktober 2003. "Der Globale Pakt … entspringt der Erkenntnis, dass die Gestaltung der Globalisierung und die Förderung nachhaltiger Entwicklung eine Gemeinschaftsaufgabe ist, die neue Formen globaler Partnerschaft auf der Basis global akzeptierter universeller Werte erfordert" (S. 129 ff.). Weltweit haben sich bisher über 1400 Unternehmen dem Globalen Pakt angeschlossen, in Deutschland sind es rund 30.

"Eine faire Globalisierung - Chancen für alle", so lautet der Abschlussbericht der Weltkommission zur sozialen Dimension der Globalisierung, der am 24. Februar 2004 in London vorgestellt wurde (vgl. die Zusammenfassung auf S. 132 ff.). Die Weltkommission ist ein unabhängiges Expertengremium, das bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf angesiedelt ist. Zentrales Anliegen des Berichts ist die Verwirklichung eines Globalisierungsprozesses, der wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen gleichberechtigt verfolgt. "Wir sind davon überzeugt, dass die Gewinne der Globalisierung mehr Menschen zugute kommen und besser zwischen und innerhalb von Ländern verteilt werden können, während gleichzeitig die Mitsprache über die Richtung der Globalisierung erweitert wird."

Unter <http://www.dgap.org/IP/ip0405/dokumentation.htm> sind weitere Dokumente zum Thema zu finden. Die deutsche G-20-Präsidentschaft dieses Jahr hat den Schwerpunkt "Globalisierung gemeinsam gestalten". Internationale Beschäftigungsfragen standen im Mittelpunkt der Konferenz der G-8-Arbeits- und Beschäftigungsminister; Arbeitsplätze waren auch ein Thema beim EU-Gipfel im März, bei dem über den Stand der Umsetzung der Lissabonner Strategie gesprochen wurde, mit der die EU bis 2010 zum dynamischsten Wirtschaftsraum werden soll. Im Vorfeld hatten die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen gemeinsamen Brief verfasst und die Ernennung eines für Wirtschaftsreformen zuständigen Vizepräsidenten der Kommission gefordert. Wie die US-Regierung die EU-Erweiterung sieht, macht die Rede von E. Anthony Wayne deutlich. Und was Deutschland tun muss, um sich im globalen Wettbewerb zu positionieren, brachte Bundeskanzler Gerhard Schröder im April bei der Eröffnung der Hannover Messe auf den Punkt.

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