Internationale Politik 59 (2004), 7

Titel der Ausgabe 
Internationale Politik 59 (2004), 7
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Reformen für den Mittleren Osten

Erschienen
Bielefeld 2004: W. Bertelsmann Verlag
Erscheint 
Erscheinungsweise: deutsch (monatlich), russisch (monatlich), englisch (vierteljährlich)
ISBN
3-7639-3217-8
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
10.- EUR

 

Kontakt

Institution
Internationale Politik
Land
Deutschland
c/o
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Rauchstraße 17-18 10787 Berlin Tel.: +49-(0)30-25 42 31-46 Fax: +49-(0)30-25 42 31-67
Von
Chladek, Tilmann

Editorial

Der Juni 2004 war ein wichtiger Monat für den von Gewalt und Terror geplagten Nahen und Mittleren Osten. Er endete mit der um zwei Tage vorgezogenen Machtübergabe an eine irakische Übergangsregierung in Bagdad am 28. Juni, der mehr der Charakter eines hastigen Rückzugs als die Gloriole erfolgreichen "nation-buildings" anhaftete. Zuvor hatte der "Broader Middle East" alle internationalen Gipfeltreffen beschäftigt, vom G-8-Gipfel auf Sea Island über den EU-USA-Gipfel auf dem irischen Schloss Dromoland und den EU-Verfassungsgipfel in Brüssel bis hin zum NATO-Gipfel in Istanbul. Der "Weitere Nahe und Mittlere Osten" wird, wie der Nahost-Experte Volker Perthes in dieser Ausgabe schreibt, "in den kommenden Jahren, wenn nicht Jahrzehnten im Zentrum internationaler geopolitischer Ordnungsbemühungen und Auseinandersetzungen stehen und damit auch europäisch-amerikanische Beziehungen weitgehend definieren."

Wie also umgehen mit der Region, die "von Marrakesch bis Bangladesch" reicht und von der mit dem islamistischen Terrorismus heute die größte Bedrohung für den Weltfrieden ausgeht? Wie kann der Westen dort Reformen anregen, die zu mehr Demokratie, mehr Menschen- und Bürgerrechten, mehr Bildung und mehr "Mittelstand" führen - um, so die Hoffnung, das Rekrutierungsreservoir für Fanatiker des Hasses wie Al Khaïda auszutrocknen? Mehrere Autoren dieser Ausgabe warnen, dass "der Nahe Osten nicht an zu wenig, sondern eher an zu viel von außen induzierter 'Transformation'" leide (Reinhard Hesse) und dass die westlichen Initiativen sich derzeit an die falschen Adressaten, nämlich die autoritären Regierungen richteten (so Khaled Al-Hroub und Nikolas Gvosdev). Sie entwerfen aber auch Szenarien, wie eine sinnvolle westliche Nahost-Politik aussehen sollte.

Ein Wort in eigener Sache: Wir haben den redaktionellen Teil der Zeitschrift erheblich ausgeweitet. Um dafür Platz zu gewinnen, stellen wir einen Teil der Dokumentation ins Internet unter <www.internationalepolitik.de>. Dort sind die Dokumente permanent abrufbar. In dieser Ausgabe beginnen wir zudem mit einer neuen Rubrik, "Aus amerikanischen Zeitschriften". Tim B. Müller wird hier in Zukunft regelmäßig über interessante und wichtige Beiträge aus politischen Magazinen, aus der Tagespresse, von Kongressen und öffentlichen Vorträgen berichten.

Sabine Rosenbladt

Inhaltsverzeichnis

Juli 2004 -- Nr. 7 -- 59. Jahr E 10,00 -- 2728

REFORMEN FÜR DEN MITTLEREN OSTEN

Reinhard Hesse
Fliehkräfte des Fortschritts

Khaled Al-Hroub
Kuhhandel mit der arabischen Welt

Yossi Alpher
Gutes im Schlechten

Werner Weidenfeld
Europas neues Gesicht

REFORMEN FÜR DEN MITTLEREN OSTEN

Analysen / Essays / Standpunkte / Debatten

Fliehkräfte des Fortschritts. Ausblicke auf den Nahen und Mittleren Osten der kommenden Jahrzehnte 1
von Reinhard Hesse
Die Intervention der von den USA geführten Koalition in Irak, die fortdauernde Gewalt und Hoffnungslosigkeit in den israelisch besetzten Gebieten Palästinas und ein zunehmend "entgrenzter" islamistischer Terrorismus haben, so der Berliner Publizist Reinhard Hesse, die Bereitschaft zu politischen Veränderungen in der Region nicht eben gestärkt. Dennoch lassen sich Beispiele "für denkbare Faktoren einer positiven Entwicklung" finden.

Reformstrategien für den "Broader Middle East" 10
von Hans-Ulrich Klose
Ansätze und Chancen für Reformen in der arabischen Welt sind durchaus vorhanden, zugleich aber auch eine Fülle von Problemen. Für den stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags ist die Initiative für den "Weiteren Mittleren Osten" ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung; Erfolge würden sich allerdings erst mittel- und langfristig zeigen.

Kuhhandel mit der arabischen Welt. Unlautere Kompromisse entwerten die westliche Reforminitiative 18
von Khaled Al-Hroub
Die Strategie der USA kann nicht aufgehen. Für die autoritären Regime bedeutet die Forderung nach Demokratisierung eine existenzielle Bedrohung. Um dieser Gefahr auszuweichen, kommen sie den Amerikanern in der Irak-Politik und bei der Palästina-Frage entgegen. Die arabischen Demokratiebefürworter wiederum können die Hilfe vom Westen nicht annehmen, wollen sie nicht ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung verlieren.

Keine einfachen Lösungen. Der Mittlere Osten im Jahr 2004 26
von Yossi Alpher
Nicht alles an den jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten ist schlecht. Amerikas neue Strategie gegenüber der Region hat zumindest den Effekt, dass wieder Bewegung in den festgefahrenen Roadmap-Prozess gekommen ist. Sharons Abzugplan könnte der Beginn der Zurückdrängung der Siedlerbewegung werden und einer Zwei-Staaten-Lösung neues Leben einhauchen.

Der Sharon-Plan. Chance für einen Wiedereinstieg in den Friedensprozess? 32
von Muriel Asseburg
Der Sharon-Plan ist für sich genommen kein Schritt in Richtung Konfliktlösung. Er zielt nicht auf einen verhandelten, beidseitig akzeptablen Frieden ab. Das Nahost-Quartett sollte die Gunst der Stunde nutzen und darauf drängen, dass der Abzug nicht nur schnellstmöglich umgesetzt wird, sondern sicherstellen, dass er der erste Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der Roadmap wird.

Mauer des Misstrauens. Amerikas Reformvorschläge aus palästinensischer Sicht 39
von Yasser Abed Rabbo
Um einen neuen Mittleren Osten zu schaffen, müssen die Besetzung Iraks und der palästinensischen Gebiete beendet werden, fordert der PLO-Politiker und Mitinitiator der "Genfer Initiative". Bei der Demokratisierung sollten die besonderen Wesensmerkmale der arabischen und islamischen Gesellschaft beachtet werden, um der Reform von innen eine Chance zu geben.

Wie man den Bock zum Gärtner macht. Grundlegende Schwächen der amerikanischen Reformpläne 45
von Nikolas K. Gvosdev
Präsident George W. Bushs große Pläne für den Mittleren Osten haben aus der Sicht von Nikolas K. Gvosdev, Wissenschaftler und Publizist, während des G-8-Gipfels ein Staatsbegräbnis erster Klasse erhalten. Jetzt gehe es nur noch darum, diesen Staaten technische Hilfe für Reformen anzubieten - falls sie überhaupt welche durchführen wollen.

Die neue Zentralität des Nahen und Mittleren Ostens. Konsequenzen für Wissenschaft und Politik 49
von Volker Perthes
Alles deutet darauf hin, dass der Nahe und Mittlere Osten in den kommenden Jahrzehnten im Zentrum internationaler geopolitischer Ordnungsbemühungen und Auseinandersetzungen stehen und damit auch die europäisch-amerikanischen Beziehungen weitgehend definieren wird. Volker Perthes untersucht die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Wissenschaft und Politik.

Das imperiale Projekt. Amerika nach dem Irak-Krieg: Eine Bilanz 53
von Norman Birnbaum
Nach einem längeren "Burgfrieden" melden sich auch in den USA Kritiker der amerikanischen Außenpolitik zu Wort. Norman Birnbaum, emeritierter Professor und seit langem kritischer Beobachter der amerikanischen Politik, bezeichnet die Irak-Politik von Präsident Bush als gescheitert. Doch auch die Demokraten unter ihrem Kandidaten John Kerry sind seiner Ansicht nach nicht mutig und entschlossen genug, um das Steuer wirklich herumzuwerfen.

Tony Blair - oder was ist des Pudels Kern? 68
von Sebastian Borger
Der Streit um den Feldzug gegen Irak symbolisiert auch den Niedergang eines Mannes, der vor sieben Jahren umjubelt und von Hoffnungen begleitet das Amt des britischen Premierministers angetreten hat. Tony Blair hat Partei, Parlament und Volk belogen, er hat nicht nur seine innenpolitische Glaubwürdigkeit verloren, auch seine Außenpolitik liegt in Trümmern. Sogar wohlwollende Beobachter, so der Autor, sehen das Ende der "Ära Blair" nahen.

Der politische Terrorismus 74
von Ernst-Otto Czempiel
Zu den größten Gefahren nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gehört für den emeritierten Frankfurter Politikprofessor der Terrorismus. Zwar haben Publizistik und Politikwissenschaft bereits wichtige Beiträge zur "strategischen Aufarbeitung" des Terrorismus geleistet, seine Erörterung muss aber um seine entwicklungsgeschichtliche Interpretation und um die Analyse seiner politischen Quellen und Ziele ergänzt werden. Eine solche Analyse, verbunden mit einer "Verhinderungsstrategie", wird von Czempiel hier vorgelegt.

Europas neues Gesicht 82
von Werner Weidenfeld
Die Verabschiedung der Europäischen Verfassung ist ein historischer Meilenstein für die EU der 25 sowie ein Beitrag zur strategisch profilierten Europa-Politik. Doch mit der Ratifizierung fangen die Probleme erst an: nach der Verfassung ist vor der Verfassung, so Werner Weidenfeld.

Wer soll die EU führen? 87
von Ulrike Guérot
Das Gezerre um die Besetzung des Postens des Kommissionspräsidenten ist nur ein Indiz für tiefer liegende Probleme, die sich bei der Frage nach der Führung der EU auftun. Weder reicht der deutsch-französische Motor allein aus, noch kann eine "G-6" aus den großen Mitgliedsländern diese Aufgabe erfüllen. Führen sollte stattdessen, wer mehr Europa will - ob klein oder groß, ob alt oder neu, sollte dabei keine Rolle spielen.

Ist die G-8 noch zeitgemäß? Plädoyer für eine Reform der "Global Economic Governance" mit einer gestärkten G-20 90
von Colin I. Bradford Jr. und Johannes F. Linn
Die sieben größten Volkswirtschaften der Welt und Russland geben immer noch den Ton an in der Finanzwelt. Angesichts der wachsenden Bedeutung einiger Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien scheint dies nicht mehr gerechtfertigt. Eine "G-2" aus EU und USA kann diesem Problem auch nicht abhelfen. Die Lösung könnte in der Aufwertung der bestehenden G-20 liegen, die repräsentativer ist und effektiver die Führungsrolle übernehmen würde.

Die Erforschung des Weltraums. Ein Innovations- und Integrationsmotor für Europa? 96
von Jost Vielhaber
Eine friedliche Exploration des Weltraums kann einen wesentlichen Beitrag zur "Idee Europa" leisten. Daher fordert Jost Vielhaber, Leiter des "Berliner Forums Zukunft", die Ausarbeitung einer Explorationsstrategie, die als zentrale politische Aufgabe begriffen werden sollte, um den Wissenschafts- und Technologiestandort Europa zu stärken.

Aus amerikanischen Zeitschriften

Kerry und die Neocons. Die außenpolitische Diskussion in den USA 105
von Tim B. Müller
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in den USA wird die Bedeutung der neokonservativen Berater und Mitarbeiter der Regierung in Washington lebhaft diskutiert. Tim B. Müller referiert anhand ausgewählter Beispiele, wie diese Diskussion in amerikanischen Zeitschriften geführt wird.

Buchkritik

Irak verstehen. "Nation Building" mit einem strategischen Konzept 109
von Felix Neugart
Über ein Jahr nach dem Sturz des Saddam-Regimes in Bagdad wird immer deutlicher, wie schwierig die Schaffung einer demokratischen Ordnung in Irak ist. Die diversen Strategiewechsel, so Felix Neugart, zeugen auch von einem mangelnden Verständnis von Struktur und Dynamik der irakischen Gesellschaft. Er stellt fünf Neuerscheinungen vor, deren Lektüre das Wissen um Geschichte und Gegenwart des Landes zu vertiefen vermag.

Neue Bücher zur internationalen Politik 112
Alfred Herrhausen Gesellschaft für internationalen Dialog (Hrsg.), Das Prinzip Partnerschaft. Neue Formen von Governance im 21. Jahrhundert; Frum/Perle, An End to Evil. How to Win the War on Terror; Gordon/Shapiro, Allies At War. Europe and the Crisis Over Iraq.

Dokumentation

Dokumente zur Reformdebatte im Mittleren Osten sowie zum Nahost-Konflikt und zu Irak 117

Zum Brandherd des Nahost-Konflikts ist jetzt noch die schwärende Wunde Irak hinzugekommen. Nicht nur, dass dieses Land nicht befriedet werden konnte - inzwischen zieht es Terroristen aus der ganzen Welt an, die auch in Nachbarländern wie Saudi-Arabien blutige Spuren hinterlassen. Die Dokumentation skizziert die vielfältigen Bestrebungen inner- und außerhalb der Länder des Mittleren Ostens, die vorgeblich oder tatsächlich auf Reformen und Befriedung abzielen.

Rede des amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, am 19. November 2003 in London <www>*

Rede des israelischen Ministerpräsidenten, Ariel Sharon, bei der Herzliya Conference am 18. Dezember 2003 <www>*

Sana’a Declaration on Democracy, Human Rights and the Role of the International Criminal Court, Adopted by the Sana’a Inter-Governmental Regional Conference, 10-12 January 2004 <www>*

Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, auf der 40. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik am 7. Februar 2004 <www>*

Alexandria Statement - Arab Reform Issues: Vision and Implementation, 12-14 March 2004 <www>*

Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 25. März 2004 in Brüssel (Auszüge zum Nahen Osten und Irak) <www>*

Brief des israelischen Ministerpräsidenten, Ariel Sharon, an den amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, vom 14. April 2004 120

Brief des amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, an den israelischen Ministerpräsidenten, Ariel Sharon, vom 14. April 2004 121

Erklärung der Europäischen Union zum Nahost-Friedensprozess vom 17. April 2004 <www>*

Brief von ehemaligen britischen Diplomaten an Premierminister Tony Blair vom 26. April 2004 <www>*

Brief von ehemaligen amerikanischen Diplomaten an Präsident George W. Bush vom 30. April 2004 <www>*

Erklärung des Nahost-Quartetts von seinem Treffen am 4. Mai 2004 in New York (Auszüge) 123

Rede des amerikanischen Außenministers, Colin L. Powell, beim Weltwirtschaftsforum am 15. Mai 2004 am Toten Meer (Jordanien) <www>*

Tunis Declaration, Adopted at the Summit of the League of Arab States, 22-23 May 2004 (Excerpts) <www>*

Rede des amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, am United States Army War College in Carlisle (Pennsylvania) vom 24. Mai 2004 (gekürzt) <www>*

Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, vor dem Deutschen Bundestag am 28. Mai 2004 in Berlin (Auszüge) <www>*

Resolution 1546 (2004) des UN-Sicherheitsrats zu Irak vom 8. Juni 2004 (die beigefügten Schreiben des Ministerpräsidenten der Interimsregierung Iraks, Ijad Allawi, sowie des amerikanischen Außenministers, Colin L. Powell, vom 5. Juni 2004: <www>*) 125

Partnerschaft für Fortschritt und eine gemeinsame Zukunft mit der Region Weiterer Mittlerer Osten und Nordafrika, verabschiedet beim Gipfeltreffen der G-8
vom 9. bis 10. Juni 2004 auf Sea Island (Georgia, USA - gekürzt) 131

G-8-Plan zur Unterstützung von Reformen, verabschiedet beim Gipfeltreffen der G-8 vom 9. bis 10. Juni 2004 auf Sea Island (Georgia, USA) <www>*

G-8-Erklärung zum Nahen Osten, verabschiedet beim Gipfeltreffen der G-8 vom 9. bis 10. Juni 2004 auf Sea Island (Georgia, USA) <www>*

Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 17. und 18. Juni 2004 in Brüssel (Auszüge zum Mittleren Osten) 134

* Text unter <www.internationalepolitik.de>.

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