Religion und Gesellschaft in Ost und West 52 (2024), 2

Titel der Ausgabe 
Religion und Gesellschaft in Ost und West 52 (2024), 2
Weiterer Titel 
Unter dem Radar. Belarus nach den Protesten

Erschienen
Zürich 2024: Selbstverlag
Preis
Jahresabonnement (print&digital) CHF 110,00; Abo für Studierende CHF 65,00; Einzelheft CHF 15,00

 

Kontakt

Institution
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW)
Abteilung
Institut G2W
Land
Switzerland
PLZ
8002
Ort
Zürich
Straße
Bederstr. 76
Von
Regula Zwahlen, Forum RGOW, Religion & Gesellschaft in Ost und West (RGOW)

Belarus ist weitgehend aus der Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit verschwunden. Unter dem Radar versucht Alexander Lukaschenka sein diktatorisches Regime immer fester zu verankern. Tausende Bürgerinnen und Bürger, die 2020 gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen protestiert hatten, haben inzwischen das Land verlassen, Menschenrechtsorganisationen sprechen von ca. 1500 politischen Gefangenen.

Höchste Zeit, einen genaueren Blick auf Belarus zu werfen: Vom Zustand des Regimes über neue und alte Formen des Widerstands, die belarusische Literaturszene im Ausland, wo die Bücher von "extremistischen" Autoren noch publiziert, verkauft und gelesen werden können, bis zur religiösen Sphäre des Landes, die ebenfalls immer stärker kontrolliert wird.

Inhaltsverzeichnis

Ingo Petz: Der Geist der Zukunft. Belarus in den Blick nehmen

Belarus erhält im Westen nur sporadisch Aufmerksamkeit, obwohl die Diktatur an der Grenze zur EU mit engen Verbindungen zu Russland Europa wesentlich mehr beschäftigen sollte. Die eindrücklichen Massenproteste 2020 brachten das Land zwar kurz ins Scheinwerferlicht, seither ist es aber wieder in Vergessenheit geraten und die Situation im Land hat sich deutlich verschlechtert. Die unerschütterlichen Aktivitäten der belarusischen Opposition im Exil geben dennoch Hoffnung auf eine demokratische Zukunft.

Aliaksei Bratachkin: Der Schein einer „Normalisierung“. Belarus nach den Protesten von 2020

Auf die Proteste gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 hat das belarusische Regime mit verstärkten Repressionen reagiert. Die Überwachung der Gesellschaft und Verfolgung von Regimegegnern hat enorme Ausmaße angenommen und zu einer Massenemigration geführt. Außenpolitisch ist Belarus noch näher an Russland gerückt und riskiert, seine Unabhängigkeit zu verlieren. Die Entwicklungen sprechen für eine andauernde Krise des autoritären Systems, dessen Anpassungsfähigkeit an Grenzen stößt.

Tatsiana Astrouskaya: Alte und neue Taktiken des (digitalen) Widerstands gegen Krieg und Autoritarismus

Nach der Revolution von 2020 hat sich der Widerstand in Belarus in den digitalen Raum verlagert. Damit ist er grenzüberschreitend geworden und hat eine größere Reichweite gewonnen, zudem bleiben die zahlreichen emigrierten Oppositionellen involviert. Gleichzeitig bleiben traditionelle Menschenrechtsaktivitäten wie die Dokumentation von politisch motivierten Gerichtsfällen oder das aus der Sowjetunion bekannte Schreiben von Briefen an politische Gefangene relevant. Mit dem Samisdat hat sogar eine analoge Praxis aus der Sowjetzeit ein Revival erlebt.

Alhierd Bacharevič: Wie ich Extremist wurde. Verbotene Literatur in Belarus

Seit der Niederschlagung der Proteste gegen die gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020 in Belarus ist der Extremismus-Begriff enorm ausgeweitet worden. Alle möglichen Publikationen, aber auch Personen und Gruppen werden als extremistisch eingestuft, wenn sie sich gegen die staatliche Politik positionieren. Extremistische Bücher werden verboten und zerstört, ihre Autoren von ihrem Publikum abgeschnitten. Zugleich verweist die Entwicklung auf einen neuen, gestiegenen Stellenwert der Literatur in der belarusischen Gesellschaft.

Nina Weller: Belarusische Literatur trotz(t) Verboten, Repressionen und Vertreibung

Seit der Niederschlagung der Proteste gegen das autoritäre Regime läuft in Belarus die Repressionsmaschinerie auf Hochtouren. Bücher werden verboten, Verlage zwangsliquidiert. Zahlreiche Akteure der unabhängigen Kultur- und Literaturszene haben das Land verlassen. Der belarusische Staat setzt alles dran, um auch das freie Wort der belarusischen Literatur zum Schweigen zu bringen. Doch hat er nicht mit der Durchhaltekraft und dem Einfallsreichtum der unabhängigen Literaturszene gerechnet, die in Schattenzonen oder im Ausland neue, zwar steinige, aber bescheiden-wirkungsvolle Wege findet, belarusische Literatur zu schreiben, zu verlegen und zu vernetzen.

Nina Weller im Gespräch mit Iryna Herasimovich und Sylvia Sasse: 33 Bücher für ein anderes Belarus

Die Aktion 33 Bücher für ein anderes Belarus setzt auf neue Publikationswege für belarusische Literatur, indem sie belarusische Bücher in unterschiedlichen europäischen Verlagen erscheinen lässt. Die Idee knüpft an die Tradition des Tamizdat zur Zeit des Kalten Kriegs an und schreibt sie kreativ fort. Nina Weller hat mit den beiden Initiatorinnen Iryna Herasimovich und Sylvia Sasse über das Projekt gesprochen.

Alexander Shramko: Repressionswalze und Hoffnungsschimmer: Die orthodoxe Kirche in Belarus:

Nach der Protestwelle von 2020 säubert das belarusische Regime auch das religiöse Feld. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nehmen die Repressionen noch zu. Während regimetreue Geistliche gefördert werden, werden illoyale Geistliche abgesetzt, strafrechtlich verfolgt oder sie emigrieren. Einige Priester im Exil haben im litauischen Exarchat des Ökumenischen Patriarchats eine neue geistliche Heimat gefunden.

Sergei Yushkevich: Die Umweltstrategie der Belarusischen Orthodoxen Kirche

Mit ihren Umweltaktivitäten nehmen zwei Eparchien der Belarusischen Orthodoxen Kirche unter den Religionsgemeinschaften in Belarus eine Pionierrolle ein. Umweltinitiativen existieren auf allen kirchlichen Ebenen. Allerdings gibt es auch einige schwierige Fragen zum ökologischen Verhalten der Kirche, und nur wenige Kirchgemeinden beteiligen sich an Umweltaktivitäten.

Aliaksei Lastouski: Durchhalten in der Finsternis: Die katholische Kirche in Belarus

Auch gegenüber der katholischen Kirche in Belarus haben seit den Protesten von 2020 die Repressionen zugenommen. Die katholischen Bischöfe unterstützen die angegriffene Ukraine zwar eher vorsichtig und haben eine eindeutige Verurteilung Russlands als Aggressor vermieden, doch auch dies wertet das Regime bereits als illoyales Verhalten. Umgekehrt kritisieren Gläubige und Priester die Bischöfe für ihre zögerliche Unterstützung der Ukraine.

Buchbesprechungen

Elena Korosteleva, Irina Petrova, Anastasiia Kudlenko (eds.): Belarus in the Twenty-First Century. New York 2023

Lizaveta Kasmach: Belarusian Nation-Building in Times of War and Revolution. Budapest 2023

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