Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 51 (2023), 1–2

Titel der Ausgabe 
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW) 51 (2023), 1–2
Weiterer Titel 
Widerstand und Gefährdung. Gesellschaft und Kultur in der Ukraine

Erschienen
Zürich 2023: Selbstverlag
Erscheint 
10x im Jahr
Anzahl Seiten
48 S.
Preis
Jahresabonnement CHF 95,00 / EUR 81,00; Abo für Studierende CHF 50,00 / EUR 42,00; Einzelheft CHF 17,00 / EUR 15,00

 

Kontakt

Institution
Religion und Gesellschaft in Ost und West (RGOW)
Land
Switzerland
c/o
Institut G2W Bederstr. 76 CH-8002 Zürich
Von
Regula Zwahlen, RGOW, Religion & Gesellschaft in Ost und West (RGOW)

Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine beleuchten wir, wie sich die ukrainische Gesellschaft durch den Krieg verändert hat, woher sie die Kraft des Widerstands nimmt und welche Rolle dabei der Kunst zukommt. Der Krieg und die riesigen Fluchtbewegungen verändern die gesellschaftliche Zusammensetzung merklich und tragen zu einem Wandel der Geschlechterrollen bei. Zudem haben die Kampfhandlungen massive Folgen für die Umwelt. Auch in der Religionspolitik der Regierung kam es zu einer Wende. Im kulturellen Leben hinterlässt der Krieg ebenfalls Spuren, so in der bildenden Kunst, der Musik, der Wandmalerei und der (sakralen) Architektur. Dabei findet insgesamt eine Emanzipations- und Abgrenzungsbewegung gegenüber der russischen Kultur statt, zugleich ist das Interesse an ukrainischer Kultur international deutlich gewachsen.

Für diese Ausgabe haben wir erstmals mit der Initiative Ukrainian Research in Switzerland (https://www.uris.ch), die an der Universität Basel koordiniert wird, kooperiert. Finanziell wurde die Ausgabe von der Reformierten Kirche Kanton Zürich unterstützt.

Inhaltsverzeichnis

Gesellschaft

Olena Malynovska: Flucht und Rückkehr. Russische Aggression und erzwungene Migration
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Viele von ihnen sind in der Ukraine geblieben, andere haben im Ausland, vor allem den Nachbarstaaten, Zuflucht gefunden. In der Ukraine stehen die Flüchtlinge vor großen, vor allem wirtschaftlichen Herausforderungen, während im Ausland viele dank ihres hohen Bildungsniveaus Arbeit gefunden haben. Die meisten Flüchtlinge wollen nachhause zurückkehren, die Sicherheitslage und Erwerbsmöglichkeiten sind jedoch vielfach noch ungewiss.

Yuliia Mieriemova: Einzigartig und gewöhnlich. Vier Geschichten von Frauen aus dem Krieg
Der Krieg verändert auch die Geschlechterrollen. Frauen nehmen neue Aufgaben wahr, während sie gleichzeitig weiterhin die Hauptverantwortung für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen tragen. Insbesondere weibliche IDPs sind überproportional Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. Vier Geschichten von ukrainischen Frauen erzählen paradigmatisch vom alltäglichen Leben vieler Ukrainerinnen im Krieg.

Kateryna Polyanska: Langzeitfolgen. Ökologische Auswirkungen des Kriegs
Der russische Krieg gegen die Ukraine ist auch ein Umweltverbrechen. Waffen, Spreng-, Treib- und Schmierstoffe, Brände und Lecks industrieller Komplexe verschmutzen Luft, Boden und Wasser. Ukrainische Umweltforscherinnen und -aktivisten versuchen die Schäden in Siedlungsgebieten, Wäldern, Naturparks und Gewässern zu erfassen und zu lindern, wo sie können.

Natalija Zenger, Stefan Kube: Im Visier. Ukrainische Orthodoxe Kirche und neue Religionspolitik
In der ukrainischen Religionspolitik hat sich in den letzten Monaten eine Wende vollzogen. Mit einer Reihe von Maßnahmen wie Durchsuchungen in kirchlichen Einrichtungen und Gesetzesinitiativen geht der Staat gegen die Ukrainische Orthodoxe Kirche vor. Hintergrund sind einzelne Fälle von Kollaboration. Besorgniserregend sind allerdings Forderungen nach einer Umbenennung oder einem Verbot der Kirche.

Kultur

Iryna Fenno, Ruslan Khalikov: Unter Beschuss. Zerstörung religiöser Objekte in der Ukraine
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat bisher zur Zerstörung von 400 religiösen Gebäuden geführt. 30 religiöse Würdenträger wurden getötet. In den besetzten Gebieten wird den Religionsgemeinschaften vielfach ihr Besitz weggenommen oder sie werden in russische religiöse Verwaltungsstrukturen eingegliedert. Das Projekt Religion on Fire dokumentiert die Verbrechen, um Beweise für eine spätere Anklage zu sammeln.

Vita Susak: Zwischen Sarkasmus und Mitgefühl. Ukrainische Kunst in der Amplitude des Krieges
Die Reaktionen ukrainischer Künstlerinnen und Künstler auf den russischen Angriffskrieg reichen von Sprachlosigkeit bis hin zu einer gewaltigen Eruption künstlerischer Kreativität. Vielfach greifen sie dabei auf klassische Werke zurück und geben diesen durch visuelle Überarbeitung eine neue Richtung. International ist ein neues Interesse an ukrainischer Kunst zu beobachten. Diskutiert wird auch über den Sinn und die Bedeutung von Kunst in Kriegszeiten.

Emma Louise Leahy: Sprechende Wände: Wandmalereien als Kunstform in der Ukraine
Die Kunstform der Wandmalerei geht in der Ukraine auf frühe Sakralkunst aus der Zeit der Christianisierung der Region zurück. Während der Sowjetzeit waren großformatige Mosaike im öffentlichen Raum ein beliebtes Propagandamedium, in das Elemente der religiösen Kunst, aber auch der Volkskunst Eingang fanden. Seit 2014 spielen Wandbilder eine prominente Rolle bei der Transformation der kulturellen Landschaft und der ukrainischen Nationalidentität, was sich mit der russischen Großinvasion im Februar 2022 nochmals verstärkt hat.

Galyna Spodarets: Puschkin – ein neuer Lenin? Der ukrainische Abschied von der russischen Kultur
Russlands brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die kulturelle Emanzipation des Landes von Russland in eine neue Phase treten lassen. Eine erste symbolische Abgrenzung geschah mit der staatlich initiierten „Dekommunisierung“ nach 2014. Nun sind es vor allem Bürgerinitiativen, die die Demontage von Puschkin-Denkmälern in der Ukraine verlangen. In der „Depuschkinisierung“ spiegelt sich der ukrainische Wunsch, sich kolonialer Markierungen zu entledigen und selbstständig über die Symbolik des öffentlichen Raums zu bestimmen.

Boris Belge: Lautes Schweigen: Ukrainische und russische Musik im klassischen Kanon
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wird über den Stellenwert russischer und ukrainischer Musik in Konzertprogrammen diskutiert. Ukrainische Musik wurde im 19. Jahrhundert und in der Sowjetzeit entweder imperial vereinnahmt oder als „folkloristisch“ verniedlicht. Dabei war das Kyjiwer Konservatorium ein Zentrum der sowjetischen Avantgarde. Heute gilt es musikalische Hegemonien zu verhindern und eine neue Balance in der Musikkultur zu finden.

Manuel Herz: Zerbrechlich. Die Synagoge von Babyn Jar
2020 erhielt der Autor den Auftrag, eine Synagoge für Babyn Jar zu bauen, wo die Nazis während des Zweiten Weltkriegs eines der schlimmsten Massaker an der jüdischen Bevölkerung verübt hatten. Die aufklappbare Holzsynagoge ist heute wieder von Zerstörung bedroht.

Buchanzeigen

Martin Aust, Andreas Heinemann-Grüder, Angelika Nussberger, Ulrich Schmid: Osteuropa zwischen Mauerfall und Ukrainekrieg. Berlin 2022

Olesya Khromeychuk: Ein Verlust. Die Geschichte eines gefallenen ukrainischen Soldaten, erzählt von seiner Schwester. Stuttgart 2022

Thomas Bremer, Alfons Brüning, Nadieszda Kizenko (eds.): Orthodoxy in Two Manifestations? The Conflict in Ukraine as Expression of a Fault Line in World Orthodoxy. Berlin 2022

Martin-Paul Buchholz: Die ukrainischen Kirchen vor der europäischen Frage. Herne 2021

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