Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entwickelte sich das Fußballspiel zu einem festen Bestandteil dag Alltags- und Freizeitkultur. Die Mitgliederzahlen in den Fußballvereinen steigen auf über eine Million und die Endspiele um die Deutsche Fußballmeisterschaft des Deutschen Fußballbundes (DFB) zogen regelmäßig zigtausende Zuschauer in die Stadien.
Andreas Luh/Bochum geht in seinem Beitrag „Fußball als Massenphänomen und Faszinosum der Weimarer Zeit – Verbreitung, Organisation und Konfliktpotentiale“ dieser Entwicklung in den 20er Jahren nach. Dabei macht er deutlich, dass Fußball keineswegs nur in den Vereinen des DFB gespielt wurde. Die deutschen Turn- und Sportbewegung in der Zeit der Weimarer Republik wies ein sehr großes und unterschiedliches Spektrum an Sportorganisationen auf, die sich in ihrem Selbstverständnis und ihrer politisch-ideologischen Programmatik zum Teil fundamental voreinander unterschieden. So gab es z. B. außer im DFB Fußballvereine und -abteilungen in der Deutschen Turnerschaft, dem Arbeiter- Turn- und Sportbund, der Deutschen Jugendkraft, dem Reichsverband Deutscher Firmen-Sportvereine und Berliner Arbeitsgemeinschaft Behörden- und Firmensport. Luh entwirrt dieses ausdifferenzierte Organisationsgeflecht des Fußballsports und geht der Frage nach, inwieweit die Entwicklung des Fußballspiels in dieser Zeit als „Massenphänomen und als soziale Massenbewegung“ zu bewerten ist.
Peco Bauwens war der erste Präsident des DFB im Nachkriegsdeutschland. Als er dieses Amt im Jahre 1949 übernahm, galt er als unbelastet. Peco Bauwens selbst hatte sich das Bild „vom Opfer des NS-Regimes“ entworfen und dieses Selbstbild wurde später zur festen Größe in der Erinnerung and en ersten Nachkriegspräsidenten des DFB. Vor dem Hintergrund der vom DFB in Auftrag gegebenen Studie von Nils Havemann „Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz“ (Frank-furt/M. 2005) gewinnt dieser Beitrag von Arthur Heinrich an besonderer Bedeutung. Auf der Grundlage neuer Quellenrecherchen korrigiert Heinrich das ‚offizielle’ Bild von Peco Bauwens in seinen Grundkonturen.
Das erste Länderspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft gegen die Mannschaft der Sowjetunion am 21. August 1955 in Moskau war kein ‚normales’ sportliches Ereignis. Im Vorfeld des angekündigten Besuches des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer wenige Wochen später in Moskau geriet dieses Fußballspiel in den Schlagschatten der politischen Diplomatie. In der späteren öffentlichen Meinung kam dieser sportlichen Begegnung eine wichtige Funktion für die von Adenauer letztlich erreichte Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion. „Wir sind die Eisbrecher von Adenauer gewesen …“. Unter diesem Blickwinkel untersuchen Erik Eggers/Köln und Matthias Kneifl/Darmstadt „Das Fußball-Länderspiel Sowjetunion versus BRD am 21. August 1955 in Mos-kau im Kontext der bundesdeutschen Außenpolitik“. Sie rekonstruieren die politische Aufladung diese Länderspiel anhand neu erschlossener Materialien im Bundesarchiv Koblenz, im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes sowie von zahlreichen Zeitzeugengesprächen. Nach den Recherchen der beiden Autoren kommt diesem Fußball-Länderspiel in der bundesdeutschen Sportpolitik der 50er Jahre eine „Sonderrolle“ zu.
Lorenz Peiffer
Beiträge
Luh, A. Fußball als Massenphänomen und Faszinosum der Weimarer Zeit – Verbreitung, Organisation und Konfliktpotenziale 7
Heinrich, A. Sekundäropfer. Peco Bauwens und die Nazizeit 71
Eggers, E./Kneifl, M. „Wir sind die Eisbrecher von Adenauer gewesen…“. Das Fußball-Länderspiel Sowjetunion vs. BRD am 21. August 1955 in Moskau im Kontext der bundesdeutschen Außenpolitik 109
Haut, J. Excitement and Identification. Explanations of Sports Spectating from Figurational Perspective 143
Besprechungen
Oswald, R. HAVEMANN, N.: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz. Campus Verlag: Frankfurt/Main, New York 2005. 161
Herzog, M. GOCH, S./SILBERBACH, N. unter Mitarbeit von K. Martin und B. Mlinski: Zwischen Blau und Weiß liegt Grau. Der FC Schalke 04 im Nationalsozialismus, Essen: Klartext 2005. 165
Mitteilungen 174
Neuerscheinungen 176
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen 178