SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 7 (2007), 1

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 7 (2007), 1
Weiterer Titel 
Geschichte des Versehrtensports; Sportwissenschaftliche Fachinformation in Österreich; Boxkultur in Rußland

Erschienen
Göttingen 2007: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
119 S.
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Seit dem Jahre 1960 finden regelmäßig Paraolympische Sommerspiele statt. Aber erst, seit die Paralympics im Anschluss und am Austragungsort der Olympischen Sommerspiele veranstaltet werden (seit Atlanta 1996), sind die Weltspiele der Menschen mit Behinderungen stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Mittlerweile sind der Deutsche Behinderten-Sportverband und seine Landesverbände fester Bestandteil der deutschen Sportbe-wegung. „Dass Sport eine Sache für alle ist, das sehen wir am deutlichsten am Behindertensport“. Mit dieser Aussage wies Bundespräsident Johannes Rau im Dezember 2000 bei den Feierlichkeiten zum 50jährigen Jubiläum des Deutschen Sportbundes auf die bedeutende Rolle des Behindertensports in der deutschen Sportbewegung und damit auch für die deutsche Gesellschaft hin.
Entstanden ist der Behindertensport aus dem Versehrtensport, dessen Entstehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg steht. In Anbetracht der unzähligen Verwundeten erkannten Ärzte in den Lazaretten den Wert sportlicher Übungen als Mittel der Rehabilitation, aber auch zur Verbesserung des physischen und psychischen Allgemeinbefindens. Im Zweiten Weltkrieg konnte auf diese Vorerfahrungen, Kenntnisse und Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Nach dem Ende des Zweiten Welt-kriegs gründete sich im Jahre 1951 zunächst eine „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Versehrtensport“, aus der im Jahre 1952 der „Deutsche Versehrten Sportverband“ hervorging. Im Jahre 1975 benannte sich der „Deutsche Versehrten Sportverband“ in „Deutscher Behinderten-Sportverband“ um.
Die Geschichte des Behindertensports, die sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Vor diesem Hintergrund ist der Beitrag von Bernd WEDEMEYER-KOLWE (Göttingen) „Versehrtensport zwischen ‚Drittem Reich’ und Bundesrepublik: das Beispiel Niedersachsen“ als ein erster und wichtiger Baustein der Geschichte des Verbandes und der Versehrtensportbewegung in Deutschland zu sehen. Am Beispiel Niedersachsens analysiert Wedemeyer-Kolwe die Rahmenbedingungen und Beweggründe für die Gründung von Versehrtensportvereinen und ihre Finanzierungsgrundlagen. Die überwiegende Zahl der Mitglieder in den neugegründeten Vereinen war Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg. Wedemeyer-Kolwe fragt im Weiteren nach Kontinuitäten und kommt zu dem Ergebnis, dass Versehrtensportler bereits vor ihrer Versehrtheit in der Regel auf Vereins-, Wettkampf- und Leistungsporterfahrungen zurückblicken konnten und z.T. als Turn- und Sportlehrer ausgebildet und durch „Wehrmacht und SS“ geprägt waren (35). Die „nationalsozialistischen Belastungen“ einiger Versehrtensportler führten in der Nachkriegszeit zu Konflikten, wie Wedemeyer-Kolwe am Beispiel einiger Repräsentanten des niedersächsischen Versehrtensports aufzeigt.
Universitäten – und damit auch die universitären sportwissenschaftlichen Institute – sind „Bildungseinrichtungen des öffentlichen Rechts“ (43), die dem Ziel verpflichtet sind, zur Herausbildung einer Wissensgesellschaft den Studierenden Wissen und wissenschaftliche Erkenntnis zu vermitteln. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können – und das gilt sowohl für die universitären Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland wie in Ös-terreich –, kommen „Bibliotheken und Informationsvermittlungseinrichtun-gen“ (44) eine große Bedeutung zu.
Richard MÜLLNER (Wien) untersucht in seinem Beitrag die „Geschichte, Organisation und Bedeutung sportwissenschaftlicher Fachinformation in Österreich“. Müllner kennzeichnet zunächst die aktuelle Situation der vier sportwissenschaftlichen Institute und deren Bibliotheken. In seinem histori-schen Rekurs geht er auf die frühen Pioniere der Sportwissenschaft bis ins 18. Jahrhundert zurück und zeichnet auf dieser Grundlage die Entwicklung der österreichischen Sportwissenschaft und ihrer fachwissenschaftlichen Informationseinrichtungen in zwei Etappen nach: bis 1938/1945 und von 1945 bis in die heutige Zeit, wobei er insbesondere auf einen der Pioniere der modernen sportwissenschaftlichen Fachinformation, Josef Recla, eingeht.
„Die letzte Hoffnung für sozial Gestrandete: Jugendliche boxen sich zurück ins Leben“. Unter dieser Schlagzeile berichtet Susanne Balthasar in der Zeitung ‚Das Parlament’ (Nr. 15/16 v. 10. April 2006) über das Drillcamp Gut Kragendorf, in dem schwererziehbare Jugendliche für die Rückkehr in das gesellschaftliche Leben getrimmt werden. Kampfsport als Mittel der Gewaltprävention und sozialer Rehabilitation: in der Sozialpädagogik ist diese Vorstellung Idee seit längerer Zeit in der Diskussion.
Im heutigen Russland wird mit dem Kampfsport, der zu den „auffälligen Erscheinungen des postsowjetischen Jugend- und Freizeitverhaltens“ (65) zählt, die Hoffnung verbunden, den gesellschaftlichen Niedergang zu ver-hindern. Diese Phantasien, mittels Kampfsport den Durchbruch aus ärmliche Verhältnissen zu wirtschaftlichem Aufstieg und gesellschaftlicher Anerkennung zu schaffen, führen zurück in das England des 18. Jahrhunderts. Wolf-Dietrich JUNGHANNS (Berlin) beschäftigt sich in seinem Beitrag „’Russischer Stil’? Pugilistische Durchbruchsphantasien im Ost-West-Vergleich“ mit der Popularität von Kampfsportformen in der postsowjetischen Jugend- und Freizeitkultur. Gegen die hier beobachtbare Dominanz ostasiatischer Techniken wendet sich seit den 1980er Jahren eine Bewegung zur Wiederbelebung ostslawischer, traditionell russischer Nahkampf-formen mit dem national orientierten Anspruch, eine kulturell überlegene und gesellschaftliche Werte erhaltende Kampfmethode zu rekonstruieren. In diesem Zusammenhang untersucht der Autor in einer vergleichenden Studie drei Formen agonalen Denkens und Verhaltens: den klassischen eng-lischen und ostslawischen Faustkampf sowie dessen heutige Praxis als „russischer Stil“.
Im diesmal wieder sehr umfangreich ausgefallenen Besprechungsteil wird ein breites Spektrum an sportarthistorischer Literatur, Ausstellungskatalogen und mit dem in 6. völlig neubearbeiteter Auflage erschienenen ‚Brock-haus Sport’ ein Nachschlagewerk vorgestellt, wobei dem Fußballspiel auch diesmal wieder ein kleiner Schwerpunkt zukommt.

Inhaltsverzeichnis

Beiträge:
Wedemeyer-Kolwe, B.: Versehrtensport zwischen „Drittem Reich“ und Bundesrepublik: Das Beispiel Niedersachsen
Müllner, R.: Geschichte, Organisation und Bedeutung sportwissenschaftlicher Fachinformation in Österreich
Junghanns, W.-D.: „Russischer Stil“? Pugilistische Durch-bruchsphantasien im Ost-West-Vergleich

Berichte:
Fink, M.: Hopauf Hakoah! Nach über 60 Jahren Abwesen-heit kehrt der jüdische Traditionsverein S.C. Ha-koah wieder in das Stadtbild Wiens zurück. Im Rahmen eines feierlichen Festaktes erfolgte im Dezember 2006 die Grundsteinlegung für ein neues Sportzentrum.
Kuhlmann, D.: Bilanz zum Kunst- und Kulturprogramm der FIFA WM 2006 liegt vor. Aktivitäten mit positiven Re-sonanzen - Stiftungszweck erfüllt.

Besprechungen:
Leis, M.: HERZOG, M.: Der „Betze“ unterm Hakenkreuz. Der 1. FC Kaiserslautern in der Zeit des National-sozialismus. Göttingen: Die Werkstatt 2006, 240 S., 24,90 €.
Rode, J. C.: HSV-Museum: „Fusslümmelei – Die Anfänge des Fußballsports“. Ausstellungskatalog. Hamburg 2005, 66 S., 3,95 €.
Rode, J. C.: WIESE, R./BRAUN, J. (Hrsg.): Doppelpässe. Wie die Deutschen die Mauer umspielten. Hamburg 2006, 142 S., 19,80 €.
Schindler, J.: MAILÄNDER, N.: Im Zeichen des Edelweiss. Die Geschichte Münchens als Bergsteigerstadt. AS Verlag & Buchkonzept AG: Zürich 2006, 416 Seiten, 232 Abbildungen, 39,80 €.
Peiffer, L.: DER BROCKHAUS SPORT. Sportarten und Regeln, Wettkämpfe und Athleten, Training und Fitness. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Hrsg. von der Lexikonredaktion des Verlages F.A. Brockhaus: Mannheim 2006, 544 S. mit vielen Abb., 34,95 €.
Falkner, G.: REICHELT, P.: Biathlon. Eine Erfolgsgeschichte. Die Werkstatt: Göttingen 2005, 192 S., 22,90 €.

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