SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 8 (2008), 1

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 8 (2008), 1
Weiterer Titel 
Gender und Sportpresse - Zeitgenössicher Tanz - Wehrsport - Skipionier Wilhelm Paulcke

Erschienen
Göttingen 2008: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
119 Seiten
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Die Präsenz von Frauen im Wettkampfsport und in der Sportberichterstattung ist heute – bis auf wenige Ausnahmen – eine Selbstverständlichkeit. In nahezu allen Sporten und -disziplinen werden Wettkämpfe und Meisterschaften auch für Frauen veranstaltet und die Siegerinnen finden sich ebenso in den Berichten und auf Fotos in Tages- und Sportzeitungen wieder wie die männliche Konkurrenz.

Dass vor ungefähr 100 Jahren die Frauen im Wettkampfsport und in der Sportpresse eine völlig untergeordnete Rolle spielten, thematisiert Christine Walther/Recklinghausen in ihrem Beitrag „’Nichts vermag mit dem unangenehmen Eindruck, welchen eine rennfahrende Dame fraglos macht, zu versöhnen’. Zur Visualisierung von Gender in der Siegerfotografie um 1900“. Bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Verhältnis von Siegerinnendarstellungen zu Darstellungen der männlichen Konkurrenz in deutschen Sportzeitungen 1:9! Dieses Ungleichgewicht spiegelt sich in den Abbildungen und in der schriftlichen Berichterstattung. Fotografien sind – so Walther – Kulturträger und geben Einblicke in das „Norm- und Wertesystem“ von Gesellschaften und damit auch in die jeweilige Rolle der Geschlechter in der Gesellschaft. Neben der Auswahl der Objekte – Sieger oder Siegerin – gibt die Inszenierung wichtige Aufschlüsse über gesell-schaftliche, kulturelle und soziale Hintergründe. Walther geht auf der Grundlage von Fotografien und begleitenden Texten aus der Zeitschrift „Sport im Bild“ der Frage nach, mit welchen Argumenten „die Verweigerung des Siegerseins bei Frauen legitimiert“ wurde.

Der zweite Beitrag von Claudia Fleischle-Braun/Stuttgart „Zeitgenössischer Tanz: Kreativität, postindustrielle Gesellschaft und Kultur“ widmet sich einer sehr aktuellen und modernen Entwicklung und Fragestellung. Das Alltagsleben unserer heutigen Gesellschaft wird sehr stark geprägt durch die „elektronische Informationstechnologie und digitale Kommunikationsmedien“. Wie gehen nun „Tanzschaffende, Choreographen und Tänzer mit diesen gesellschaftlichen Umwälzungen und technischen Neuerungen um“? Gespiegelt werden diese Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Menschen – so Fleischle-Braun – im zeitgenössischen Tanz. Als Beispiel, um die Zusammenhänge zwischen technologischen und gesellschaftlichen Neuerungen und Entwicklungen im zeitgenössischen Tanz aufzuzeigen, wählt die Autorin den Tänzer und Choreographen William Forsythe.

Die Militarisierung der deutschen Gesellschaft war u.a. ein erklärtes Ziel der nationalsozialistischen Machthaber sowie der Partei- und Staatsführung der DDR. In seinem Beitrag „Wehrsport im Spiegel der deutschen Zeitgeschichte“ untersucht Wagner/Magdeburg in einer Längsschnittstudie die Geschichte des Wehrsports in Deutschland. Anhand der Kontroverse zwischen Bernett und Bach Anfang der 80er Jahre um die Authentizität des Begriffes Wehrsport und seine Entwicklung in der Weimarer Republik geht Wagner zunächst der Frage nach, was überhaupt unter Wehrsport zu verstehen ist. Der Schwerpunkt seiner Ausführungen liegt jedoch in der Darstellung der Entwicklung des Wehrsports in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR, wobei Wagner die Frage nach historischen Berührungspunkten und Traditionslinien untersucht.

Die Geschichte des deutschen Skilaufs und insbesondere die Gründungsgeschichte des deutschen Skiverbandes wurde maßgeblich durch eine Persönlichkeit geprägt: „Wilhelm Paulcke (1873-1949)“. Er war der „Initiator der Gründung des Deutschen und Mitteleuropäischen Skiverbandes“, wie Gerd Falkner/München in seinem Beitrag nachweist. In seiner biografischen Studie zeichnet er die einzelnen Stationen des Lebensweges von Wilhelm Paulcke nach, der in Leipzig geboren, bereits als 6jähriger seine sächsische Heimat verließ und über Davos, München, Baden-Baden sein Studium und seine Skikarriere in Freiburg begann. Als Einjährigfreiwilliger meldet sich Paulcke bereits 1893 zum 8. Jägerbataillon und brachte später seine skiläuferischen Erfahrungen beim Aufbau der ersten Skibataillone ein. Im Range eines Hauptmanns befehligte er im Ersten Weltkrieg eine der Jägereinheiten. Seine Verdienste um den deutschen Skilauf liegen zweifellos in seinem Engagement um die Gründung eines nationalen und auch internationalen Skiverbandes, wobei sich die Internationalität auf den deutschen Sprachraum beschränkte. Grundlage der Studie von Falkner bilden der Nachlass von Wilhelm Paulcke, der im Archiv des Deutschen Skiverbandes liegt, sowie weitere Unterlagen aus diesem Archiv.

Bereits wenige Wochen und Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen deutsche Turn- und Sportvereine sowie -verbände damit, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Selbst nach 75 Jahren tun sich die Vereine und Verbände noch sehr schwer damit, sich dieser Vergangenheit zu stellen und sich damit auseinander zu setzen. Werder Bremen ist einer der wenigen großen deutschen Fußballvereine, der sich in einer Ausstellung, dem Ausschluss von Juden im deutschen Fußball und bei Werder Bremen widmet, wie Peiffer in einem kurzen Bericht aufzeigt.

Der Besprechungsteil fällt diesmal sehr umfangreich aus. Neben zwei kürzeren Beiträgen von Blecking und Wieser über neue Publikationen zur an-tiken Körpergeschichte und zur politischen Emigration nach Amerika im 19. Jahrhundert würdigen Temme in einem ausführlichen Beitrag die Festschrift „100 Jahre Golf in Deutschland“ und Ulfkotte den Begleitband zur Ausstellung ‚SportGeist’ über die Kulturgeschichte von Turnen und Sport in Westfalen.

‚Mitteilungen’ über Tagungen und Ausstellungen und die Zusammenstellung von ‚Neuerscheinungen’ beschließen dieses Heft. ‚Für Sie gelesen’ musste in diesem Heft nicht mangels fehlender Veröffentlichen mit sporthistorischem Bezug entfallen, sondern aus arbeitsökonomischen Gründen.

Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Walther, C.:
Nichts vermag mit dem unangenehmen Eindruck, welchen eine rennfahrende Dame fraglos macht, zu versöhnen“. Zur Visualisierung von Gender in der Siegerfotografie um 1900
7

Fleischle-Braun, C.:
Zeitgenössischer Tanz: Kreativität, postindustrielle Gesellschaft und Kultur
31

Wagner, R.:
Wehrsport im Spiegel der deutschen Zeitgeschichte
53

Falkner, G.:
Wilhelm Paulcke (1873-1949). Initiator der Gründung des Deutschen und des Mitteleuropäischen Skiverbandes
79

Berichte

Peiffer, L.:
Juden im deutschen Fußball und bei Werder Bremen
100

Besprechungen

Tamme, R.:
Golf in Deutschland - im internationalen Kontext
DEUTSCHER GOLF VERBAND (Hrsg.), Konzeption und Redaktion D. R. QUANZ: 100 Jahre Golf in Deutschland. Oberhaching: Albrecht Golf Verlag 2007, 4 Bde., 800 Seiten.
101

Blecking, D.:
THOMMEN, L.: Antike Körpergeschichte, Zürich: vdf-Hochschul¬verlag (UTB) 2007, 144 S., 12,90 €.
108

Wieser, L.:
KLEMKE U.: Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848. Biographisches Lexikon. Peter Lang Verlag: Franfurt/M 2007. 163 S. 29,80 €.
109

Ulfkotte, J.:
PERREFORT, M. /LENZ-WEBER, D. (Hrsg.): SportGeist. Die Kulturgeschichte von Turnen und Sport in Westfalen, Hamm 2006, 214 S., 19,90 €.
111

Mitteilungen
115

Neuerscheinungen
118

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
119

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