SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 12 (2012), 1

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 12 (2012), 1
Weiterer Titel 
Pferdesport im Nationalsozialismus; Carl Diem

Erschienen
Göttingen 2012: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
100 S.
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Die Geschichte des Sports in der Zeit des Nationalsozialismus gilt zwar als eine der am besten erforschten Epochen der Sportgeschichte, aber dennoch beschränkt sich die historische Aufarbeitung z.B. der Entwicklung, Funktion und Rolle einzelner Sportarten und ihrer Verbände bislang weitestgehend auf die populäre Sportart Fußball und den Deutschen Fußball-Bund sowie auf den größten Turn- und Sportverband: die Deutsche Turnerschaft. Auch Forschungen über die Rolle des Sports in den Parteiorganisationen liegen nur sehr vereinzelt vor. So ist die Geschichte des Pferdesports in den Jahren 1933–1945 immer noch weitgehend unerforscht.

In ihrem Beitrag „NSRK, SA-Reiterei, Reiter-SS – Organisation und Struktur des Pferdesports im Nationalsozialismus“ legt Nele Maya Fahnenbruck/ Hamburg den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Verbindungen bzw. Verflechtungen zwischen Pferdesport und Nationalsozialismus. Auf der Grundlage umfangreicher Quellenrecherchen arbeitet sie erstmals das mehrdimensionale Beziehungsgeflecht zwischen staatlichen, Partei- und Verbandsorganisationen auf. Der Einfluss der neuen Machthaber dokumentierte sich nach dem 30. Januar 1933 durch die rasche Besetzung von Führungspositionen in den Pferdesportvereinen durch SA- und SS-Männer. In diesen beiden Parteiorganisationen wurde der Pferdesport stark protegiert und vor allem die SS-Reiter wurden zu den großen Konkurrenten der Reiter der Wehrmacht. Während die SS vorwiegend den Leistungssport und die Einzelleistungen im Turniersport förderte, widmete sich die SA in erster Linie dem Mannschaftssport. Exemplarisch zeigt Fahnenbruck an der hamburgischen SS-Reiterstandarte 4 das eng geknüpfte Beziehungsgeflecht von Pferdesport und Nationalsozialismus auf.

Mit zwei großen Tagungen am 6. Dezember in Berlin und am 10. Dezember 2010 in Köln sowie der Veröffentlichung des Bandes „Weimarer Republik“ der auf vier Bände angelegten Reihe „Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882-1962)“ von Frank Becker hat die Diskussion um die Rolle Carl Diems in der Zeit des Nationalsozialismus ihren – vorläufigen (?) – Höhepunkt erreicht. Im Fokus der Diskussion stehen nach wie vor die Rede Carl Diems am 18. März 1945 bei einem Volkssturmlehrgang auf dem Berliner Reichssportfeld und die Empfehlungen des Diembiografen Becker zur Umbenennung von nach Carl Diem benannten Straßen, Plätzen und anderen öffentlichen Einrichtungen.

In seinem Beitrag „Carl Diem – ein moralisches Vorbild?“ fragt Frank Röller/Zweibrücken nach den Grenzen der Verantwortbarkeit der Würdigung Carl Diems als Vorbild aus dem Blickwinkel philosophischer Ethik und bringt damit einen neuen Aspekt in die aktuelle Diskussion. Auf der Grundlage der Kant’schen Ethik, für die die Anerkennung des Wertes und der Würde des Menschen einen nicht weiter hinterfragbaren moralischen Grundsatz darstellt, kommt Röller zu dem Schluss, dass es ausgeschlossen ist, „dass die militaristischen, rassistischen und somit vorwiegend vom da-maligen Zeitgeist beeinflussten, sekundärtugendhaften Gesinnungsinhalte von Carl Diem als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung tauglich sind“.

Die Rolle von Carl Diem bei einem Gespräch im August 1934 in Stockholm, an dem weiter Avery Brundage – Mitglied im amerikanischen Olympischen Komitee –, Sigfrid Edström – Mitglied im IOC –, Theodor Lewald – Mitglied im IOC und Vorsitzender des Organisationskomitees der Berliner Olympischen Spiele –, Karl Ritter von Halt – Mitglied im IOC – und Justus W. Meyerhof – ein in der Öffentlichkeit unbekannter jüdischer Journalist – teilnahmen, hinterfragt Martin-Heinz Ehlert/Berlin in seinem Beitrag „Im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936. Ein abgekartetes Spiel?“.

Sportmetaphern gehören mittlerweile zur Alltagsrhetorik. Inwieweit „Sportmetaphern bei Goebbels und Hitler“ Eingang fanden in die Agitations- und Kriegsrhetorik dieser beiden NS-Größen untersucht Hans Joachim Teichler/Potsdam in seiner Miszelle.

Unter „Berichte“ gibt Diethelm Blecking einen Einblick in das Tagungsprogramm des 16. Internationalen Kongresses der CESH zu dem Thema „Sport and tourism“, der vom 12.-16. Oktober 2011 in Estoril/Portugal stattfand und in die Ausstellung über „Griechische Juden im Sport“ im Jüdischen Museum Thessaloniki/Griechenland. Detlef Kuhlmann begibt sich auf die Suche nach Spuren zum Sport in der Ausstellung „Alltag der deutschen Teilung“ im Berliner ‚Tränenpalast’.

Der umfangreiche Besprechungsteil hat mit drei Publikationen einen kleinen Fußballschwerpunkt: Fußball in Ost- und Südosteuropa, der Spiel-Systemstreit zwischen dem NS-Sportfunktionär Oberhuber und Sepp Herberger und die Biografie über Paul Janes. Darüber hinaus werden das Buch über die 150-jährige Geschichte von Eintracht Hildesheim, der Roman ‚Jáchymov‘ über das Schicksal des weltbesten tschechoslowakischen Eishockeytorhüters Bohumil Módry sowie die ‚Sport‘-Einträge in den ersten beiden Bänden der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur vorgestellt.

Abschließend stellen wir in „Für Sie gelesen“ in einer kurzen inhaltlichen Analyse verschiedene sporthistorische Beiträge aus anderen Zeitschriften und Sammelbänden vor. Die Übersicht über „Neuerscheinungen“ und die Vorstellung der „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ des Heftes beschließen diese Ausgabe.

Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Fahnenbruck, N.
M. NSRK, SA-Reiterei, Reiter-SS – Organisation und Struktur des Pferdesports im Nationalsozialismus
7

Röller, F.
Carl Diem – ein moralisches Vorbild? Dürfen Gesinnungsverfehlungen mit Schuldverstrickungen und ein beachtliches sportpolitisches Lebenswerk gegeneinander aufgerechnet werden?
39
Ehlert, H.-M.
Im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936: Ein abgekartetes Spiel?
59

Teichler, H. J.
Sportmetaphern bei Goebbels und Hitler
65

Berichte:

Blecking, D.
Sport and tourism – 16. Internationaler Kongress des CESH vom 12.-16.10.2011 in Estoril/Portugal
69

Kuhlmann, D.
Neue Ausstellung zum „Alltag der deutschen Teilung“ in Berlin. Auf der Suche nach Spuren zum Sport im „Tränenpalast“.
71

Blecking, D.
Griechische Juden im Sport – Der Beitrag Thessalonikis
73

Besprechungen:

Koller, C.
DAHLMANN, D./HILBRENNER, A./LENZ, B. (Hrsg.): Überall ist der Ball rund. Zur Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Ost- und Südosteuropa – Nachspielzeit. Essen 2011.
75

Becker, C.
JÜRGENS, B.: Eintracht Hildesheim im Wandel der Zeit. 150 Jahre Sport-, Stadt- und Zeitgeschichte. Hildesheim 2011.
76

Müllner, R.
HASLINGER, J.: Jáchymov (Roman). Frankfurt/M. 2011.
77

Brändle, F.
HERZOG, M.: „Blitzkrieg“ im Fußballstadion. Der Spielsystemstreit zwischen dem NS-Sportfunktionär Karl Oberhuber und Reichstrainer Sepp Herberger. Stuttgart 2012.
80

Eggers, E.
BOLTEN, M.: Paul Janes und die Fliege am Torpfosten. Göttingen 2012.
81

Peiffer, L.
DINER, D. (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Band 1 und 2, Metzler-Verlag: Stuttgart 2011 und 2012.
82

Für Sie gelesen
86

Mitteilungen
92

Neuerscheinungen
97

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
100

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