SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 6 (2006), 2

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 6 (2006), 2
Weiterer Titel 
Kommunale Sportpolitik und Sportentwicklungsplanung

Erschienen
Göttingen 2006: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1617-7606
Anzahl Seiten
90 S.
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Der Hochleistungssport der nationalen und internationalen Eliten ist das aktivierendste globale Massenphänomen geworden. Weltweit sind Milliarden von Menschen vor allem als direkte und indirekte Zuschauer, Fans sowie professionelle Organisatoren, Ökonomen und Medienmacher darin involviert, so wie die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland es in diesem Jahr eindrucksvoll gezeigt hat. Entsprechend war dieses globale „Top-Event“ auch ein Thema der großen Politik, woran zahlreiche Politikbereiche und Ressorts im Bund und in den Ländern beteiligt waren und sich miteinander vernetzten.

Doch dieser Bereich des Sports und diese Sportpolitik ist trotz der großen Publizität und vermeintlichen Bedeutung nur die eine, die gleichsam glitzernde Seite der Medaille. Der ‚wirkliche’ Sport der Massen, der aktive Sport, findet immer noch an der Basis des Alltagslebens statt, ohne große Schlagzeilen. Nach jüngsten Umfragen wollen bis zu 80% der bundesrepublikanischen Bevölkerung Sport treiben – zumindest manchmal.

Dieser Sport findet täglich statt, ist für alle Altersgruppen der Gesellschaft, vom Kleinkind bis zu den Senioren ein fester Bestandteil unserer alltäglichen Lebenspraxis und unseres aktuellen Lebensstils geworden. Dies ist allerdings nicht mehr ‚der Sport’. Spätestens seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat ‚der Sport’ kontinuierlich nicht nur einen quantitativen, sondern vor allem auch einen qualitativen Wandel vollzogen. Die Interessen und Motive der Sportreibenden haben sich erheblich ausdifferenziert. Es gibt eine große Pluralität an Aktionsformen, die schon längst nicht mehr der traditionellen Sinnstruktur des Sports folgen, sondern eher einen vielfältigen bunten Strauß einer modernen Bewegungskultur darstellen.

Wie hat die Politik auf diese Entwicklung reagiert? Gibt es hierzu auch eine weiter- und sich mitentwickelnde kommunale Sportpolitik? Lange Jahre ist hiervon nichts zu erkennen gewesen. Seit der ‚großen Tat’ des „Golden Plans“ von Anfang der 60er Jahre verharrten die meisten Kommunalpolitiker im Sonnenlicht ihres für damalige Zeiten großen Erfolges. Sie schienen jedoch nicht zu bemerken, mit welcher Veränderungsdynamik die Menschen selbst in den Kommunen den Sport in eine Vielzahl z.T. durchaus auch sehr relevanten Alltagszusammenhängen hineinzogen und ihn ständig weiterentwickelten. Die von der sportlichen Kommunalpolitik der 60er Jahre geschaffene Infrastruktur war plötzlich überholt und die Komplexität der allgemeinen Bewegungskultur stellte für viele der alten „kommunalen Sportämter“ eine totale Überforderung dar. Aber nicht nur die praktische kommunale Sportpolitik schien lange Zeit von der sog. „Postmodernität“ der Entwicklung des Sports überrollt zu werden, auch für die Sportwissenschaft war dieses Thema bis in die 80er Jahre scheinbar wenig relevant und wenn dann zumeist nur unter dem Fokus einer Anpassung der Sportstättenentwicklung.

Dies alles hat sich nun in den letzten 10 Jahren erheblich geändert. An zahlreichen sportwissenschaftlichen Einrichtungen ist nicht zuletzt als Folge der Nachfrage aus der kommunalen Alltagspraxis die Thematik intensiv aufgegriffen worden. Nicht nur in der theoretischen Reflexion, sondern auch mit zahlreichen empirischen Untersuchungen und einer Praxisbegleitung der kommunalen Sportpolitiker ist sie zu einem virulenten sportpolitologischen Handlungsfeld geworden. Hierbei sind jetzt nicht mehr die Fragen einer Optimierung der Sportstättensituation der Ausgangspunkt, sondern die Fragen nach den Sportbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger sowie der gesamtkommunalen Relevanz der Bewegungskultur für die jeweilige Kommune sind in den Mittelpunkt des Interesses getreten, also die Frage nach der Standortbedeutung. Hierbei haben sich inzwischen auch schon professionelle Beratungs- und Entwicklungsagenturen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Alltagspraxis herausgebildet, die sowohl theoriebildend als auch praxisgestaltend mitwirken.

‚SportZeiten’ will nun – entsprechend seiner Zielstellung als Vermittlungs- und Diskussionsforum aus dem soziokulturellen Feld des Sports und der Bewegungskultur – mit diesem Schwerpunktheft zum Thema „Kommunale Sportentwicklungsplanung“ den aktuellen Diskurs aufnehmen und über drei Beiträge aus dem Theorie-Praxisfeld einen repräsentativen Überblick über dieses sportpolitologische Diskussions- und Handlungsfeld vermitteln.

Der Kölner Sportwissenschaftler Volker Rittner gibt mit seinen Mitarbeitern Holger Fuhrmann und Richard Förg nicht nur eine grundlegende Ein-führung in die aktuelle Problemlage kommunaler Sportpolitik und der wissenschaftlich orientierten Sportentwicklungsplanung, sondern vermittelt unter dem Label „intersektorale Politikverständnis und Sportpolitik“ auch einen originären Handlungsansatz. An zwei Beispielen, einer Millionenstadt und einer Kleinstadt, wird auch der auf diesem Verständnis und Ansatz resultierende Entwicklungsprozess demonstriert.

Der Erlanger Sportwissenschaftler Alfred Rütten arbeitet seit langem auf dem Feld der Sportentwicklungsplanung und breitet in dem zweiten Hauptbeitrag zusammen mit seiner Mitarbeiterin Jana Schröder sein Konzept der „Integrierten Sportentwicklungsplanung“ aus. Dabei geht er in seinem komplexen Ansatz von einem sechsschrittigen Entwicklungsprozess aus, der eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht, intersektoral wirkt, bürgernah im Sinne eine breiten Bürgerpartizipation wirkt, eine partnerschaftliche Interaktion von Bürgern, Politikern und Wissenschaft hervorruft, von professionellem Expertenwissen bestimmt ist und letztlich auch ein hohes an Praxisrealität aufweist. Auch Rütten und Schröder stellen ihre Sportentwicklungsplanung in den übergeordneten Zusammenhang einer Stadtentwicklungsplanung, die anstatt der früheren reinen „Sporträumen“ jetzt allgemeine, von den Bürgern mitbestimmte „Bewegungsräume“ ausweist.

Die Essener Claus Peter Hullmann und Peter Wehr arbeiten seit vielen Jahren als Sportentwicklungsplaner für Kommunen und Verbände und stellen quasi das Bindeglied von Wissenschaft und Praxis dar. Sie vertreten einem systemischen Ansatz im Sportentwicklungsprozess, der zum Ziel hat „auf den Entwicklungsprozess so Einfluss zu nehmen, dass die vorhandenen Ressourcen und Lösungskonzepte der Einzelnen und der Gruppen in der Kommune angeregt und gefördert werden“. Hierbei folgen sie – ohne Vernachlässigung eines adäquaten Praxisergebnisses – ein stückweit auch dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Auch bei ihnen sind allgemeine Handlungsziele Maßstab der Integration der Sportentwicklung in die kommunale Gesamtentwicklung. Hierzu gehören Agenda 21-Gerechtigkeit, Gender-Gerechtigkeit, Bedarfsgerechtigkeit, Gemeinwesennutzen, Verantwortungsübernahme, die Gewährleistung Sportstättenmanagement und die Umfeld- und Umweltbedingungen.

Im diesmal wieder etwas umfangreicher ausgefallenen Besprechungsteil wird ein breites Spektrum an sportarthistorischer und biografischer Literatur vorgestellt, wobei das Fußballspiel einen kleinen Schwerpunkt aufweist.

„Mitteilungen“, „Für Sie gelesen“ und „Neuerscheinungen“ beschließen – wie gewohnt – auch diese Ausgabe von ‚SportZeiten’, die nach der letzten, sehr umfangreichen Ausgabe zur ‚Fußballgeschichte’ im Umfang etwas bescheidener ausfällt.

Wolfgang Buss und Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Rittner, V. / Fuhrmann, H./ Förg. R.
Fragen und Herausforderungen der kommunalen Sportpolitik und Sportentwicklungsplanung
7

Rütten A./ Schröder, J.
Integrierte Sportentwicklungsplanung
37

Hullmann, C.-P./ Wehr, P.
Systemische Beratung in Sport- und Sportstättenentwicklungsprozessen
47

Berichte

Blecking, D.
Internationale Konferenz „Jewish Space in Cen-tral and Eastern Europe: Day-To-Day History” vom 10.-11. Mai 2006 in Vilnius (Litauen)
63

Grimminger, E.
Fachkonferenz „Sport – Ethnie – Nation: Zur Geschichte und Soziologie des Sports in Grenzland-regionen und bei Minoritäten“ am 25. Mai 2006 in Prag (Tschechien)
63

Besprechungen

Koller, C.
LENZ, B. (Hrsg.): Überall ist der Ball rund. Zur Geschichte und Gegenwart des Fußballs in Ost- und Südosteuropa. Klartext: Essen 2006, 349 S., 24,90 €.
65

Geissbühler, S.
ALTWEGG, J.: Ein Tor, in Gottes Namen! Über Fussball, Politik und Religion. München/Wien: Carl Hanser Verlag, 252 S., 17,90 €.
67

Ulfkotte, J.
UHLMANN, A.: „Der Sport ist der praktische Arzt am Krankenlager des deutschen Volkes“. Wolfgang Kohlrausch (1888 – 1980) und die Geschichte der deutschen Sportmedizin. Mabuse: Frankfurt 2005, 345 S.
69

Schilde, K.
MAYER, P.Y.: Jews and the Olympic Games. Sport: A Springboard for Minorities. Foreword by Sir Martin Gilbert. Preface by Walter Tröger. Valentine Mitchell: London/Portland, Or. 2004.
72

Schmidt, T.
Verschwommen? SPRAWSON, C.: Schwimmen – eine Kulturgeschichte. Übers. v. John von Düffel und Peter von Düffel. Hg. und mit Vor- und Nachwort versehen von John von Düffel. München, Zürich: Piper 2004, 336 S.
73

Franz, R.
BORN, M./BORN, H./RENGGLI, S.: Hugo Koblet. Der „Pédaleur de charme“. AS-Verlag Zürich 2005, 160, 54,80 €.
77

Mitteilungen
79

Für Sie gelesen
81

Neuerscheinungen
88

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
90

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