Horch und Guck (2006), 1

Titel der Ausgabe 
Horch und Guck (2006), 1
Weiterer Titel 
Die DDR und der Osten

Erschienen
Erscheint 
erscheint alle drei Monate
ISBN
1437-6164
Anzahl Seiten
76 S.
Preis
4,50 Euro

 

Kontakt

Institution
Horch und Guck: Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Winsstr. 60 10405 Berlin Tel: 030/24725604
Von
Weinholz, Erhard

Liebe Leserinnen und Leser,

daß man sich in der DDR auf vielfältige Weise vom Westen hat anregen, beeinflussen lassen, ist allgemein bekannt. Die Meinung, man habe im Osten vierzig Jahre lang wie hinter einer Chinesischen Mauer gelebt, ist - in der Öffentlichkeit jedenfalls - nur selten noch zu hören. Welche Rolle das Geschehen im Osten für die DDR gespielt hat, ist hingegen weniger bekannt. Natürlich weiß man, daß die SED-Führung bei all ihrem Tun - außer nach Bonn - nach Moskau geschaut hat, bis zuletzt: Noch im Spätherbst 1989 fragteErich Mielke bei seiner Verhaftung, ob die Genossen von der KPdSU informiert seien? Doch der östliche Einfluß auf die DDR, dem wir im Hauptteil dieses Heftes nachspüren, erschöpft sich darin bei weitem nicht, auch wenn ihm die Breite des West-Einflusses fehlte. Uns hat vor allem interessiert, wie er unterhalb der Königsebene, wie man es einst nannte, zutage trat, als Ergebnis selbstbestimmter Begegnung. Manches Thema haben wir in diesem Zusammenhang nur gestreift: die Nachwirkungen des Prager Frühlings etwa oder die Bedeutung der Ideen russischer Parteioppositioneller insbesondere der 1920er Jahre für hiesige Kritiker des politbürokratischen Systems - Fritz Mieraus Porträt des Slawisten Ralf Schröder verdeutlicht sie im Einzelfall. Der Schwerpunkt liegt auf dem Verhältnis zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen, dem Einfluß dortiger Entwicklungen auf das Denken und Handeln hierzulande. Diese Entwicklungen waren, wie der polnische Bürgerrechtler Karol Sauerland einmal bemerkte, für die deutsche Geschichte und das deutsche Geistesleben erheblich wichtiger, als man im allgemeinen anzunehmen bereit ist: als Beispiel des Unerwünschten wie als Vorbild des Freiheitswillens und des Widerstandes. Thematisiert wird die ambivalente und bis heute problematische Beziehung zum östlichen Nachbarn in den Texten Basil Kerskis, Marion Brandts und Ingolf Kschenkas (einen für Heft 1 geplanten Beitrag zum Thema »Solidarnosc und die DDR« hoffen wir in Heft 2 nachreichen zu können). Auch einem Jubiläum versuchen wir im Rahmen des Hauptthemas gerecht zu werden; es bietet sich dafür geradezu an: Neben der erwähnten Arbeit Marion Brandts führt ein Aufsatz Stefan Wolles zurück in die kurze Tauwetterperiode der mittfünfziger Jahre, die ihren markantesten Ausdruck in Chrustschows Geheimrede auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956 fand. Ein Editorial soll und kann keine Nacherzählung des Inhaltsverzeichnisses sein. Das vorliegende Heft hat eine Vielzahl weiterer lesenswerter Texte zu bieten, auf zwei ur sei hier verwiesen: die Beiträge Jochen Schmidts und Detlev Lückes zum Streit um das Neubrandenburger Literaturzentrum. Wie da unter Ausnutzung des Lokalinteresses Vergangenheit verschleiert, Aufklärung lange Zeit verhindert wurde, ist erstaunlich und lehrreich zugleich. Schon jetzt ein Hinweis auf das Hauptthema von Heft 4, in dem es um Rituale in der politischen Kultur der DDR gehen soll. Über entsprechende Anregungen, Angebote usw. würden wir uns freuen.

Im Auftrag der Redaktion: Erhard Weinholz.

Inhaltsverzeichnis

Hauptthema: Die DDR und der Osten

Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen. Versuch einer Bilanz (Basil Kerski) 1

Die SED im Krisenjahr 1956 - Teil 1 (Stefan Wolle) 7

Wir glaubten ernstlich an einen sozialistischen Frühling. Intellektuelle in der DDR und Polen im Jahr 1956 (Marion Brandt) 13

»Roman der Seele, Roman der Geschichte«? Dr. Ralf Schröder (1927 - 2001) (Fritz Mierau) 17

Verbotene Lektüre: Zdenek Mlynárs »Nachtfrost« (Christoph Demke, Erhard Weinholz, Markus Meckel, Elena Demke) 22

Der Bericht eines Privilegierten (Dirk Moldt) 25

Greenway – Das osteuropäische Grüne Netzwerk 1985 – 1990 (Carlo Jordan) 31

Schleichwege zur Freiheit. Kontaktaufnahmen nach Ungarn und Polen in den siebziger und achziger Jahren (Ingolf Kschenka) 37

Themen

Erinnerungssplitter aus dem Bürgerkomitee (Hans-Joachim König) 42

Fernsehmord. Vor 35 Jahren starb der tschechische Schriftsteller Jan Prochazka (Georg Herbstritt) 44

Schauplätze

Kurz notiert 49
»Ich trage die DDR in meinem Herzen.« Die Auseinandersetzungen um das Literaturzentrum Neubrandenburg (Jochen Schmidt) 50

Petzen als gesellschaftlicher Auftrag. Eine Studie über die Arbeit des Literaturzentrums Neubrandenburg zu DDR-Zeiten (Detlev Lücke) 52

Stasi in der Offensive (Siegfried Reiprich) 54

Feuilleton

Erinnerungen an Hannelore Becker (Klaus Kühnel, Klaus Körner, Richard Pietraß) 55

Rezensionen

Neuerscheinungen (Henning Pietzsch) 59
Prof. Karol Sauerland zu Burkhard Olschowsky »Einvernehmen und Konflikt« und Piotr Zariczny »Oppositionelle Intellektuelle in der DDR und in der Volksrepublik Polen« (62);
Volker Strebel zu Heidrun Hamersky (Hg.) »Gegenansichten« (64);
Prof Hartmut Jäckel zu Ilko-Sascha Kowalczuk und Tom Sello (Hg.) »Für ein freies Land mit freien Menschen« (65);
Marinka Körzendörfer zu Bärbel Bohley, Gerald Praschl und Rüdiger Rosenthal »Mut. Frauen in der DDR« (66);
Jens Planer-Friedrich zu Dietmar Riemann »Laufzettel« (68);
Helmut Müller-Enbergs zu Frank Schumann »Anton Ackermann« (69);
Jörg Morré zu Leonore Ansorg »Politische Häftlinge im Strafvollzug der DDR« (70);
Marie Luise Rohde zu Gabriele Schnell »Das ›Lindenhotel‹« (72);
Jens Gieseke zu Renate Hürtgen »Zwischen Disziplinierung und Partizipation« (73);
Mario Wenzel zu Thomas Heimann »Bilder von Buchenwald« (74)

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