Horch und Guck (2003), 44

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Horch und Guck (2003), 44
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erscheint alle drei Monate
Preis
4,50 €

 

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Institution
Horch und Guck: Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Winsstr. 60 10405 Berlin Tel: 030/24725604
Von
Beleites, Johannes

Horch und Guck widmet sich im neuen Heft dem Thema der (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der DDR. Die DDR, so analysiert Henryk M. Broder, bewältigte diese Herausforderung nur unangemessen. Für ihn war sie eine »Republik der Simulanten«. Auch Konrad Weiß erinnert sich, dass die Auseinandersetzung mit den Themen »Schuld« und »Haftung« nicht selbstverständlich war. Clemens Vollnhals stellt den Prozess der Entmachtung nationalsozialistischer Eliten in seinem Beitrag über die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone vor. Thomas Haury ergänzt: Der nationale Antizionismus der frühen DDR transportierte darüber hinaus schlicht antisemitische Stereotype. Wenn es jemanden gab, dem das Verdienst gebührt, gegen alle Widerstände seiner eigenen Genossen die Vernichtung der europäischen Juden beschrieben und dazu in der DDR publiziert zu haben, dann war es Helmut Eschwege. Peter Maser, der Eschwege selbst kennen gelernt hat, stellt ihn vor. Eschwege kommt mit einem Text aus seiner Autobiografie »Fremd unter meinesgleichen« selbst zu Wort. Das Thema »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« ging an der DDR-Opposition nicht ganz vorbei, wie Christian Halbrock in seinem Beitrag über eine Mahnwache am 9. November 1984, einem Jahrestag der Pogromnacht von 1938, zeigen kann. Allerdings vernebelte der in der DDR propagierte Antifaschismus die Köpfe doch so kräftig, dass die Historikerin Annette Leo die Nachricht von einer Friedhofsschändung 1988 zunächst gar nicht glauben mochte. Sie schildert, warum sie bis heute mit der Geschichte hadert. Auch auf der anderen Seite der Mauer verwirrte der Antifaschismus nicht wenige Köpfe, zeigt Wolfgang Kraushaar in seinem Beitrag über die 68er im Westen. Allerdings gab es hier auch Umstände, die den Antifaschismus attraktiv erscheinen ließen: die Weigerung der Bundesrepublik in ihren frühen Jahren, sich dem Nationalsozialismus zu stellen. Wie wenig Empathie die DDR für die im Nationalsozialismus ermordeten Juden und ihre lange Geschichte in Deutschland aufbrachte, zeigen z.B. die Fotos von Werner Kiontke, die der Leser im ganzen Heft vorfindet. Jüdische Friedhöfe waren in der DDR, nicht nur in Ost-Berlin, dem Verfall preisgegeben.

(Redaktionsschluss: 15. Dezember 2003)

Inhaltsverzeichnis

(Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der DDR: »Eine Fahrt nach Auschwitz« (Gespräch mit Konrad Weiß) (S. 1)

Clemens Vollnhals: Politische Säuberungen als Herrschaftsinstrument (Clemens Vollnhals) (S. 9)

Thomas Haury: »Zionistenverfolgung« durch die SED? (S. 14)

Henryk M. Broder: Die Republik der Simulanten (S. 18)

Peter Maser: Helmut Eschwege (S. 21)

Helmut Eschwege: Verketzerung Israels und der Juden in der DDR (S. 26)

Christian Halbrock: Mahnwache gegen rechtsextreme Tendenzen im »antifaschistischen Staat« (S. 30)

Annette Leo: Umgestoßene Steine (S. 32)

Wolfgang Kraushaar: Die westdeutsche Linke und der Antifaschismus (S. 41)

Feuilleton:

Werner Kiontke: Zu einigen Fotos von den jüdischen Friedhöfen in Berlin-Weißensee (S. 44)

Themen:

Christian Halbrock: Die »Storkower Tunnelmaler« (S. 55)

Tobias Wunschik: »Zinker« und »Zellenrutscher« (S. 61)

Rezensionen:

Annette Weinke, »Die Verfolgung von NS-Tätern im geteilten Deutschland« (Roger Engelmann) (S. 71)

Sabine Moller, »Vielfache Vergangenheit. Öffentliche Erinnerungskulturen und Familienerinnerungen an die NS-Zeit in Ostdeutschland« (Dirk Moldt) (S. 72)

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