sozialer sinn, 2/2002

Titel der Ausgabe 
sozialer sinn, 2/2002
Weiterer Titel 
Identität und Integration

Erschienen
Leverkusen 2002: Leske + Budrich Verlag
Erscheint 
3 Hefte jährlich
Preis
Jahresabonnement: 126,– DM/112,50 SFr/920 ÖS

 

Kontakt

Institution
sozialer sinn: Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: redaktion@sozialer-sinn.de
Von
Loer, Thomas

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

in Kürze wird Heft 2/2002 von "sozialersinn. Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung" mit dem Themenschwerpunkt "Identität und Integration" erhältlich sein (s.u. die URL des Verlags). Im folgenden Inhalt und Abstracts.

Inhaltsverzeichnis

IDENTITÄT UND INTEGRATION
Renata Coray und Dunya Acklin Muji
Die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs. Eine soziohistorische Analyse

Nikola Tietze
Individualisierung und Pluralisierung im Islam der Diaspora. Muslimische Religiositätsformen in Deutschland und Frankreich

Alexandra Frosch und Klaus Holz
Die kulturelle Dimension der Integrationspolitik. Muslime und die britische race relations politics

Ute Koch
"...aber wenn die Zigeuner weg sind und ich bin allein hier, kann ich mich integrieren". Biographische Transformation als Grenzgängertum

DISKUSSION
Thomas Reinhardt
Jenseits von Objekt und Objektivismus: Ethnologie in der Postmoderne

Till Förster
Replik auf Reinhardt

METHODENWERKSTATT
Manfred Max Bergman
Reliability and Validity in Interpretative Research during the Conceptualization of the Research Topic and Data Collection

ZEITZEICHEN
Thomas Loer
Anlässlich einer verbreiteten Form der Kunstvermittlung. Hermeneutische Marginalie zur Kulturindustrie

REZENSIONEN
Ueli Mäder
Roland Becker, Andreas Franzmann, Axel Jansen, Sascha Liebermann (Hg.): Eigeninteresse und Gemeinwohlbindung. Kulturspezifische Ausformungen in den USA und Deutschland. Konstanz 2001
Herfried Münkler, Harald Bluhm (Hg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Band I: Historische Semantiken politischer Leitbegriffe. Berlin 2001
Herfried Münkler, Karsten Fischer (Hg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. Band II: Rhetoriken und Perspektiven sozial-moralischer Orientierung. Berlin 2002

Ute Fischer
Renate Liebold: "Meine Frau managt das ganze Leben zu Hause..." Partnerschaft und Familie aus der Sicht männlicher Führungskräfte. Wiesbaden 2001

Till-Sebastian Idel
Merle Hummrich: Bildungserfolg und Migration. Biographien junger Frauen in der Einwanderungsgesellschaft. Opladen 2002

Uwe H. Bittlingmayer
Steffani Engler: "In Einsamkeit und Freiheit". Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur. Konstanz 2001
Jens Zinn: Zwischen Gestaltungsanspruch und Strukturvorgaben. Junge Fachkräfte in den ersten Berufsjahren – Erwerbsverläufe, Handlungskontexte und biographische Gestaltungsmodi. Baden-Baden 2001

ABSTRACTS

Renata Coray und Dunya Acklin Muji
Die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs. Eine soziohistorische Analyse Der vorliegende Aufsatz präsentiert einige theoretische und methodologische Überlegungen bezüglich soziologischer Diskursanalyse an historischem Material – in diesem Falle an Material, das in einem Forschungsprojekt über die Schweizer Sprachenvielfalt im öffentlichen Diskurs von 1848 bis 1996 untersucht wurde. In einem ersten Teil werden diese Forschung und deren Ergebnisse vorgestellt; im zweiten Teil werden anhand von drei konkreten Beispielen folgende Fragen behandelt: Inwiefern kann das von Mitgliedern der Diskursgemeinschaften aus vergangenen
Epochen geteilte Alltagswissen aufgrund einer qualitativen, induktiven Diskursanalyse erschlossen werden und welcher Status kommt dabei der historiographischen Literatur zu? – Es wird gezeigt, dass eine soziosemiotische Diskursanalyse von historischen Quellen dank Rückgriff auf bestehende historische und andere Fachliteratur ihre Resultate verifizieren, präzisieren und reinterpretieren kann. Sie stellt jedoch auch eine Bereicherung für die Historiographie dar, da sie neues – oder zumindest anderes – Licht auf historische Quellen zu werfen vermag.
Schlagworte: Diskursanalyse, Alltagswissen, soziohistorische Analyse, Sprachen in der Schweiz

Nikola Tietze
Individualisierung und Pluralisierung im Islam der Diaspora. Muslimische Religiositätsformen in Deutschland und Frankreich Der Islam ist heute ein Teil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland und Frankreich und wird im öffentlichen Raum als ein vielfältiges Phänomen sichtbar. Die Identifikation mit der islamischen Tradition ist von deutlichen Individualisierungsprozessen durchzogen. In dem Artikel, der die Selbstbeschreibungen junger Männer als Muslime in Deutschland und Frankreich zum zentralen Thema hat, werden vier Kategorien vorgeschlagen, um die Pluralität der Religiositätsformen in ihrer unterschiedlichen
Logik zu erfassen: ein "ethisierter", ein "utopisierte", ein "ideologisierter" und ein "kulturalisierter" Islam. Die muslimischen Selbstthematisierungen spiegeln Subjektivitätskonstruktionen wider, in denen die religiöse Identifikation hilft, eine persönliche Autonomie zu erarbeiten. In einem zweiten Schritt werden die Gemeinschaftsbilder der jungen Muslime in Deutschland und Frankreich verglichen. Dabei wird deutlich, daß die Konstruktion einer islamisierten Erinnerung ein Auseinandersetzungsmodus mit der deutschen und französischen Gesellschaftsordnung darstellt. Die islamische Tradition wird dabei zu einer Ressource, um die eigene soziale Position am Rande der Gesellschaft zu konfliktualisieren, und um Widersprüche zu Bestandteilen des eigenen Ichs zu machen. Die individuell erarbeitete Islamität kann dadurch zu einer Trägerin der Forderung junger Leute nach Respekt in einem gesellschaftlichen und politischen Beziehungsgefüge werden, in dem sie sich marginalisiert fühlen.
Schlagworte: Individualisierung, Islam, muslimische Religiosität, Deutschland, Frankreich, soziale und politische Marginalisierung, Anerkennung

Alexandra Frosch und Klaus Holz
Die kulturelle Dimension der Integrationspolitik. Muslime und die britische race relations politics Die Konflikte um Muslime in Großbritannien sind nicht ausschließlich,
aber wesentlich durch die Divergenz zwischen dem Selbstbild der Muslime und dem Fremdbild konstituiert, das sich die britische Integrationspolitik von ihnen macht. Die Muslime entwickeln ihr Selbstbild als religiöse Wir-Gruppe unter der Bedingung einer staatlichen Integrationspolitik, die nur rassische und nachgeordnet ethnische Gruppen anerkennt. Dadurch macht die muslimische Wir-Gruppe die Erfahrung, gerade in dem Aspekt, der ihre Identität definiert, nicht anerkannt zu werden. Dies bedeutet keineswegs nur eine kulturelle Deprivation für die Muslime. Da die Muslime dem kulturellen Muster nicht entsprechen, das die Integrationspolitik bestimmt, werden der muslimischen Gruppe als solcher wesentliche Minderheitenrechte und politische Partizipationsmöglichkeiten vorenthalten. Diese Divergenz wird für die britische race relations politics und die Formierung einer muslimischen Wir-Gruppe analysiert. Da der Begriff der Gruppen-Identität zwar vielfach verwendet, aber in diesem Forschungsgebiet nur unzureichend expliziert wurde, werden die empirischen Analysen durch ein allgemeines Konzept von Wir-Gruppen kulturtheoretisch fundiert.
Schlagworte: Kollektive Identität, citizenship, Integrationspolitik, Großbritannien, Muslime

Ute Koch
"...aber wenn die Zigeuner weg sind und ich bin allein hier, kann ich mich integrieren”. Biographische Transformation als Grenzgängertum Anhand einer Fallanalyse eines Rom wird gezeigt, welche lebenspraktische Bedeutung der durch eine exklusive Zugehörigkeitsstruktur errichteten sozialen Grenzen für den Versuch der Etablierung eines eigenen Lebensplans zukommt. Der Beitrag zeigt, dass individuierte Lebensentwürfe eine Bedrohung darstellen, sowohl für die subjektive Zugehörigkeitskonstruktion als auch für die Verortung in den Familienzusammenhang. Die als Grenzgängertum bezeichnete Fallstruktur verweist auf die Unversöhnlichkeit und Nichtüberführbarkeit zweier sich ausschließender Lebenszusammenhänge. Dabei gerät eine Orientierung an den lebensperspektivischen Standarderwartungen der modernen Gesellschaft in einen kaum zu lösenden Konflikt zu einem tendenziell alle Lebensbereiche umfassenden Vergemeinschaftungsanspruch. Die Herauslösung aus dem sozialen Herkunftskontext scheint nur um den Preis des radikalen Bruchs überzeugend möglich zu sein.
Schlagworte: Roma, biographische Transformation, Familie, soziale Grenzen

Thomas Reinhardt
Jenseits von Objekt und Objektivismus: Ethnologie in der Postmoderne In den vergangenen zwei Dekaden sind zahlreiche geisteswissenschaftliche Disziplinen der postmodernen Herausforderung mit einer "anthropologischen Wende" begegnet. Der Ethnologie selbst bleibt dieser Ausweg aus offensichtlichen Gründen versperrt. In Auseinandersetzung mit Till Försters Programm einer Konstituentenanalyse der ethnographischen Erfahrung wird hier das Modell einer Ethnologie des als ob vorgeschlagen, das die starre Subjekt-Objekt-Dichotomie der traditionellen Ethnographie aufhebt. An ihre Stelle wird eine dialogische Fundierung von Erkenntnis, Wahrheit und Welt gesetzt. Dabei wird nicht nur dem Subjektcharakter des ethnographischen Objektes Rechnung getragen, es wird auch ein Abgleiten in das von der Dekonstruktion betriebene freie Spiel der Signifikanten vermieden.
Schlagworte: Ethnographie, Methoden, Postmoderne, dialogische Anthropologie

Till Förster
Replik auf Reinhardt
Diese Replik auf den Diskussionsbeitrag von Thomas Reinhardt setzt sich kritisch mit dem Konzept der "dialogischen Ethnographie" auseinander. Die dialogische Ethnographie stellt eine unzureichende Antwort auf das Problem der Repräsentation dar, ein wissenschaftlich konstruiertes Bild der fremden Gesellschaft zu zeichnen. Dieses Repräsentationsproblem kann nicht gelöst, nur bearbeitet werden. Hier plädiert der Beitrag noch einmal für eine "Konstitutionsanalyse ethnographischer Erfahrung", die Reflexion des Prozesses, in dem sich enthnographische Erfahrung bildet.
Schlagworte: Ethnographie, Methoden, Sehen, dialogische Ethnologie

Manfred Max Bergman
Reliabilität und Validität in interpretativer Forschung während der Konzeptualisierung von Forschungsfrage und Datenerhebung Qualitätsfragen spielen im qualitativen Forschungsprozess bei jedem Schritt eine zentrale Rolle – von der Entwicklung der Forschungsfrage bis zur Interpretation und Diskussion der Ergebnisse. Der Prozess der Datensammlung ist hier analytisch unterschieden vom Analyseprozess, um die besonderen Qualitätsfragen wie sie die Konzeptualisierung der Forschungsfrage und Datenerhebung (Interviews und Fokusgruppen) betreffen, zu diskutieren. Einige Formen von "Bias" müssen als Rahmen von Vormeinungen verstanden werden, ihne die empirische Sozialforschung nicht möglich wäre. Andere Formen von "Bias" bedrohen die Konsistenz und Glaubwürdigkeit, oder die Reliabilität und Validität interpretativer Forschung. Ob nun die Forschungsgemeinschaft ihre eigenen Termini prägt oder teilweise jene, die gegenwärtig im Umlauf sind, adaptiert, ist weniger wichtig für die zentrale Stoßrichtung des Artikels. Auf konkrete Beispiele empirischer Forschung über Interviews und Fokusgruppen gegründet zielt es darauf, eine konstruktive Debatte über die Qualität interpretativer Forschung anzuregen.
Schlagworte: Qualität, Reliabilität, Validität, interpretative Forschung, Interview, Fokusgruppe

Thomas Loer
Anlässlich einer verbreiteten Form der Kunstvermittlung. Hermeneutische Marginalie zur Kulturindustrie Die soziologische Miniatur zeigt an einem unscheinbaren Detail: der Ankündigung einer Tonbandführung in einem Kunstmuseum, wie sich Kulturindustrie im sogenannten ,E-Bereichs‘ der Kultur vollzieht. Mit dem Verfahren der objektiven Hermeneutik wird exemplarisch für den gegenwärtigen Kulturbetrieb herausgearbeitet, dass
in ihm weder die Sache der Kultur noch der Rezipient als autonomer gewürdigt wird. Dabei erweist sich die analytische Kraft der Kategorie der Kulturindustrie, die – anders als der Terminus ‚Massenkultur‘ – auch gegenwärtige kulturelle Phänomene in ihrer Strukturiertheit aufschließt.
Schlagworte: Kulturindustrie, Kunstmuseum, autonome Rezeption, objektive Hermeneutik

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