sozialersinn, 1/2002

Titel der Ausgabe 
sozialersinn, 1/2002
Weiterer Titel 

Erschienen
Leverkusen 2002: Leske + Budrich Verlag
Erscheint 
3 Hefte jährlich
Preis
Jahresabonnement: 126,– DM/112,50 SFr/920 ÖS

 

Kontakt

Institution
sozialer sinn: Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: redaktion@sozialer-sinn.de
Von
Loer, Thomas

Sehr geehrte Damen und Herren,

darf ich Sie auf das Erscheinen des o.g. Heftes aufmerksam machen?! Hier Inhalt und Abstracts:

Inhaltsverzeichnis

ALLGEMEINER TEIL

Rolf Oerter/Judith Bäßler
Wie entfert ist eine entlegene Kultur? Das Menschenbild der Quechua-Indianer im Hochland von Peru
Alois Hahn
Absichtliche Unabsichtlichkeit

Stefan Kutzner
Familienpolitik in der Schweiz. Deutungsmuster der regierenden Parteien

Karl Friedrich Bohler
Professionelle Unternehmensberatung im Spannungsfeld von Rationalisierungs- und Technokratisierungsprozessen

DISKUSSION
Georg BreidensteinStefan Hirschauer
Endlich fokussiert? Weder ,Ethno‘ noch ,Graphie‘. Anmerkungen zu Hubert Knoblauchs Beitrag "Fokussierte Ethnographie"

Hubert Knoblauch
Fokussierte Ethnographie als Teil einer soziologischen Ethnographie. Zur Klärung einiger Missverständnisse

METHODENWERKSTATT
Frank Lettke
Ambivalenz und empirische Sozialforschung. Zum Verstehen quantitativer Daten

ZEITZEICHEN
Reiner Franzpötter
Personalfreisetzung und die Kategorie der "Überflüssigen" – Eine Praxisanalyse professioneller Outplacementberatung

REZENSIONEN
Claudia Scheid
Jürgen Raab: Soziologie des Geruchs. Über die soziale Konstruktion olfaktorischer Wahrnehmungen. Konstanz 2001

Alessandro Pelizzari
Claudia Honegger und Marianne Rychner (Hg.): Das Ende der Gemütlichkeit. Strukturelles Unglück und mentales Leid in der Schweiz. Zürich 1998

Torger Möller
Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider, Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Opladen 2001

Martin Endreß
Hartmut Esser: Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 6: Sinn und Kultur. Frankfurt/M., New York 2001

ABSTRACTS
Rolf Oerter und Judith Bäßler
Wie entfernt ist eine entlegene Kultur? Das Menschenbild der Quechua-Indianer im Hochland von Peru
Ausgehend von kulturvergleichenden Untersuchungen zum Menschenbild stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von kulturellen Universalien (‚etischen‘ Kategorien) und kulturellen Besonderheiten (‚emischen‘ Kategorien). Zur Klärung der Fragen, ob sich universelle Komplexitätsniveaus auch in entlegenen Kulturen entwickeln und wie spezifisches kulturelles Wissen zu diesen Konstruktionen beiträgt, wurde im andinischen Hochland eine Untersuchung zum Menschenbild an Quechua-Indianern durchgeführt. Die Ergebnisse erbrachten fünf universelle Strukturen des Menschenbildes. Diese Niveaus lassen sich aufgrund ihrer Stabilität bzw. des Fortschrittes nach zwei Jahren auch empirisch als Entwicklungsstufen interpretieren. Im Ganzen gesehen eröffnen die Ergebnisse die Möglichkeit der Integration emischer und etischer Kategorien als Komponenten, die sich wechselseitig ergänzen.
Schlagworte: Menschenbild, Universalien, emische und etische Kategorien, Strukturniveaus

Alois Hahn
Die Inszenierung von Unabsichtlichkeit
Unser Bewußtsein entzieht sich jedem direkten Einblick und unser Handeln legt sich normalerweise nicht von selbst aus, denn für dasselbe Tun können höchst unterschiedliche Motive in Frage kommen. Deshalb müssen nicht nur Absichtlichkeit und Unabsichtlichkeit unseres Verhaltens, sondern auch die Inhalte dieser Absichten dargestellt werden, damit sie sozial glaubwürdig kommunizierbar sind. Dazu zählen sowohl der Versuch, eigene Überzeugungen glaubhaft zu vermitteln, als auch der, ein Publikum über eigene Absichten gezielt zu täuschen. Unter dieser Perspektive lassen sich Emotionen und spontane Gefühlsausbrüche ebenso betrachten wie Höflichkeit und Takt. Selbst Körpersprache bleibt immer eingebettet in soziale Zusammenhänge.
Schlagworte: Inszenierung, Absicht, Unabsichtlichkeit, Identität, Höflichkeit, Takt, Körper, Körpersprache

Stefan Kutzner
Familienpolitik in der Schweiz.
Deutungsmuster der regierenden Parteien Gegenstand dieser Studie sind die familienpolitischen Programme der vier regierenden Parteien in der Schweiz. Im Unterschied zu vergleichbaren Staaten in Europa ist die Familienpolitik in der Schweiz wenig ausgebaut. Mit der Sequenzanalyse der objektiven Hermeneutik werden die den Programmen zugrundeliegenden Deutungsmuster der jeweiligen Parteien ermittelt. Deutungsmuster gelten im Kontext dieser Studie als latente, manifeste Forderungen generierende Theorien über die Familie und ihre gegenwärtigen Probleme. Als Ergebnis zeigt sich, dass überwiegend nicht die Probleme der Familie als Gemeinschaft und ihre Stellung in der Gesellschaft, sondern die Stellung des Individuums in der Familie, insbesondere die Vereinbarkeit von Beschäftigung und Familie für Frauen, im Zentrum der Problemdeutung der politischen Parteien stehen. Kontroversen bestehen in der Lösung dieses Problems: progressiv orientierte Parteien schlagen die Delegation von Erziehungsfunktionen in das Bildungssystem vor, während konservative Parteien diese Delegation problematisieren. Die Deutungsmuster der politischen Parteien zeigen mehrheitlich, dass die Familie inzwischen keine selbstverständliche, naturwüchsige Lebensform mehr ist. Schlagworte: Familie, Familienpolitik, Deutungsmuster, Deutungsmusteranalyse, Schweiz

Karl Friedrich Bohler
Professionelle Unternehmensberatung im Spannungsfeld von Rationalisierungs- und Technokratisierungsprozessen
Untersuchungen zur Unternehmensberatung seit den 80er Jahren zeigten – nicht nur, aber besonders deutlich bei einer Kontrastierung der ost- und westdeutschen Situation – die Differenzierung der Beratungsprozesse nach zwei Stufen der ökonomischen Rationalisierungsproblematik, nämlich die Beratung zur Sicherung der Rentabilität und zur Entwicklung des Unternehmens. Kombiniert mit einem je spezifischen Schwerpunkt ergeben sich dann vier Topoi der Unternehmensberatung: Rationalisierung von Produktion und Verwaltung, Intensivierung der Vertriebs- und Marketingaktivitäten, Entwicklung der Unternehmensorganisation und Aufbau eines Konzepts der Personalentwicklung. Auf der neuen Stufe des Rationalisierungsprozesses verschieben sich die Grenzen von formaler und materialer Rationalität ökonomischen Handelns, in der neuen Phase der Technokratisierung die von instrumentellem und kommunikativem Handeln. Wie erfolgreich die wirtschaftlichen Probleme in den Betrieben bearbeitet werden können, hängt gemäß der Handlungslogik eines Arbeitsbündnisses neben der Adäquanz der Beraterkonzepte von der Einstellung und Kompetenz der Klienten ab. Symmetrische Beratungsbeziehungen sind gute strukturelle und soziale Voraussetzungen für ein Gelingen, asymmetrische dagegen schlechte. Denn in diesem letzten Fall wird die Beratungssituation durch Autonomieprobleme bei der Betriebsführung, Anerkennungsprobleme durch den Berater und besondere Probleme bei den durch Dritte erzwungenen Beratungsprozessen verkompliziert.
Schlagworte: Professionalisierung, Rationalisierungsprozeß, sozialökonomische Transformation, Unternehmensberatung, Wissensgesellschaft

Georg Breidenstein und Stefan Hirschauer
Endlich fokussiert? Weder ‚Ethno’ noch ‚Graphie’. Anmerkungen zu Hubert Knoblauchs Beitrag "Fokussierte Ethnographie"
Der Diskussionsbeitrag setzt sich kritisch mit dem Versuch von Hubert Knoblauch auseinander, das Etikett einer "fokussierten Ethnographie" einzuführen und eine solche von "konventioneller" Ethnographie abzugrenzen. Die Kritik gilt v.a. der mangelnden methodologischen Begründung für eine "fokussierte Ethnographie": Unplausibel bleibt, inwiefern die Fokussierung von Beobachtungen, die in der Ethnographie bislang das Produkt eines sukzessiven sich Einstellens auf die Erfahrungswirklichkeit anderer darstellt, bereits Voraussetzung dieses Prozesses sein kann. Die Frage stellt sich, wieviel ‚Bekanntheit‘ des Untersuchungsfeldes eine Forschungsstrategie unterstellen kann, die auf theoretische Innovation zielt. Auch die von Knoblauch propagierte Integration technischer Aufzeichnung in die Ethnographie ist methodisch unbedingt sinnvoll (und auch mittlerweile nahezu selbstverständlich), bietet aber keineswegs die Antwort auf methodologische Fragen nach dem Status ethnographischer Repräsentation.
Schlagworte: Ethnographie, Methodologie qualitativer Forschung

Hubert Knoblauch
Fokussierte Ethnographie als Teil einer soziologischen Ethnographie. Zur Klärung einiger Missverständnisse
Der Beitrag stellt eine Replik auf Kritik an dem Beitrag "Fokussierte Ethnographie" – u.a. durch Hirschauer und Breidenstein – dar. Er widerlegt die Behauptung, es handele sich dabei um eine billige Form der Ethnographie vor allem mit Blick auf die Verschiebung von Datenerhebung zu Datenanalyse. Dann wird das Verhältnis zwischen naturalistischer Forschung und konstruktivistischer Theorie erläutert. Darauf behandelt der Beitrag ausführlicher auch in forschungspraktischer Hinsicht die Besonderheit der soziologischen Ethnographie: Im Unterschied zur ethnologischen Ethnographie stützt sie sich nicht auf die Fremdheit, sondern auf die Andersheit als methodologische Basiskategorie. Abschliessend wird die Rolle der Ethnographie zur Analyse struktureller Kontexte in der Gegenwartsgesellschaft betont.
Schlagworte: Fokussierte Ethnographie, qualitative Methoden, Methodologie

Frank Lettke
Ambivalenz und empirische Sozialforschung. Zum Verstehen quantitativer Daten
Quantitative und qualitative Methoden werden in der empirischen Sozialforschung immer weniger als sich ausschließende Alternativen behandelt. Im Untersuchungsdesign bilden sie nicht nur aufeinander folgende Arbeitsschritte, sondern es wird auch an ihrer Integration gearbeitet. Anhand von Beispielen aus der Forschungspraxis werden standardisierte Erhebungsinstrumente im Kontext von Ambivalenz dargestellt. Es geht um das Verständnis von Skalierung, statistischen Maßzahlen, Faktorenanalysen und die Kalkulation von Indizes. Der Bezug zur Ambivalenzproblematik verdeutlicht Schwierigkeiten und bisher wenig beachtete Möglichkeiten der quantitativen Vorgehensweise, bietet aber zugleich ein heuristisches Konzept für neue methodische und inhaltliche Fragestellungen.
Schlagworte: Ambivalenz, Generationenbeziehungen, quantitative Methoden, Operationalisierung, Skalierung, Faktorenanalyse

Reiner Franzpötter
Personalfreisetzung und die Kategorie der "Überflüssigen" – Eine Praxisanalyse professioneller Outplacementberatung
Outplacement ist nicht nur ein weiteres Geschäftsfeld im wachsenden Markt der Unternehmensberatung. Sie ist zugleich auch ein Phänomen, in dem sich die "soziale Frage" von heute wie in einem Labor studieren lässt. In diesem Beitrag wird die Praxis des Outplacementverfahrens analysiert. Er rekonstruiert, in welcher Weise diese Praxis in die Biographien von Personen eingreift, die im Zuge organisatorischer Umstrukturierungen "freigesetzt" wurden. Ergebnis der Analyse ist, dass Outplacement als spezifisches Reframing beschrieben werden kann, das den Einzelnen dabei unterstützt, eine existentielle Krisensituation anzunehmen und zu bewältigen. Als wichtigstes Instrument des Outplacements erweist sich eine Philosophie des "Selbst-Managements", dessen Elemente in der Alltagskommunikation der Beratung nicht nur thematisch allgegenwärtig sind, sondern durch Ritualisierung (z.B. in Workshops und Seminaren) dem Beratungsprozess insgesamt Struktur verleihen. Diese Struktur fungiert als "Unterbrechung" einer krisenhaften existentiellen Selbstwahrnehmung der Einzelnen, die im Licht makrosoziologischer Überlegungen zu einer Theorie sozialen Wandels als Erfahrung des Überflüssigwerdens interpretiert wird.
Schlagworte: Outplacement, Exklusionsforschung, Intervention, Praxis, Überflüssige, Personalfreisetzung

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Loer

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