Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 13 (2019)

Titel der Ausgabe 
Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 13 (2019)
Weiterer Titel 

Erschienen
Erscheint 
jährlich
ISBN
0949-5908
Anzahl Seiten
236
Preis
12 Euro (9 Euro im Abo)

 

Kontakt

Institution
Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte Evangelisch-Theologische Fakultät Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Tel. 089-2180-2828, -5340 E-Mail: <sekretariat-kiz@evtheol.uni-muenchen.de>; <ccl@evtheol.uni-muenchen.de>
Von
Lepp, Claudia

Das Multigedenkjahr 2019 lässt keine erinnerungskulturelle Pause zu: vor 100 Jahren trat die Weimarer Reichsverfassung in Kraft und fanden die ersten demokratischen Wahlen für alle in Deutschland statt; am 1. September vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg; vor 75 Jahren scheiterte das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli; vor 70 Jahren wurde das Grundgesetz verabschiedet; vor 30 Jahren fand in der DDR die friedliche Revolution statt und öffnete sich die Berliner Mauer. Evangelische Christen und Christinnen waren in alle diese Ereignisse aktiv involviert und auch die Kirchen wurden von ihnen wesentlich tangiert, man denke nur an die Religionsartikel der beiden deutschen Verfassungen von 1919 und 1949.

Historische Forschung darf sich durchaus von solchen Gedenkjahren inspirieren lassen. Doch ist es auch ihre Aufgabe, Erinnerungskultur zu historisieren. Dies leistet der Kirchenhistoriker Tim Lorentzen in seinem Beitrag am Beispiel der Erinnerung an das Attentat vom 20. Juli 1944. Zugleich reflektiert er über die kirchengeschichtliche Gedächtnisforschung als theologische Aufgabe.

Zwei weitere Beiträge beschäftigen sich mit historischen Ereignissen und deren Folgen, die sich im vergangenen Jahr zum hundertsten bzw. fünfzigsten Mal jährten. In dem Beitrag des Prager Historikers Petr Hlaváček geht es um die identitären Auseinandersetzungen nach der tschechischen Staatsgründung von 1918. Im nichtkatholischen Milieu Tschechiens flammte damals ein Kampf darum auf, wer zum legitimen religiösen Repräsentanten der erneuerten nationalen Souveränität und der „Nation der Hussiten“ werden sollte. Auch ein weiterer Beitrag beschäftigt sich mit der tschechischen Kirchen- und Religionsgeschichte. Auf der Grundlage zahlreicher Interviews analysiert der Prager Kirchenhistoriker Michael Pfann die Erinnerung der Pfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder an den Prager Frühling 1968. Retrospektiv sehen die Pfarrer diese Zeit vor allem als eine Phase der intensiven Begegnung und des offenen Gesprächs.
Die zeitgenössische Wahrnehmung der politischen und kirchlichen Entwicklung durch Christinnen und Christen steht im Mittelpunkt des Beitrages der Theologin Deborah Dittmer. Sie wertete den Briefwechsel zweier Theologiestudierender aus den Jahren 1933 bis 1938 auf deren Einstellung zum Nationalsozialismus und zur sogenannten Judenfrage hin aus. Dabei markiert sie deren Abweichungen von der Position der Bekennenden Kirche.

Frei von Gedenkanlässen beschäftigen sich zwei Beiträge mit dem Protestantismus in der Bundesrepublik Deutschland. Claudia Lepp nimmt die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft unter ihrem Leiter Georg Picht in den Blick und kennzeichnet deren Arbeit während der sechziger Jahre als die eines protestantischen Think Tanks. Die Historikerin zeigt, wie die FEST nicht zuletzt durch die Hilfe eines überwiegend informellen Netzwerks einer protestantischen Bildungselite Themen identifizierte sowie Analysen und Lösungsansätze in Kirche, Politik und Gesellschaft einspeiste. Janning Hoenen untersucht das Verhalten des bayerischen Landesbischofs Johannes Hanselmann in den Auseinandersetzungen um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf auf der Grundlage von dessen Verständnis vom Verhältnis von Kirche und Politik. Hanselmanns Position der „unbequemen Mitte“ führte in diesem Fall, so der Theologe Hoenen, mehr zur Ohnmacht als zu Gestaltungsfreiheit.

Ein weites Spektrum zeitgeschichtlicher Forschung auf dem Feld der Religions- und Kirchengeschichte bilden die Berichte über laufende Dissertationsprojekt ab. Vier junge Theologinnen und Theologen stellen hier ihre Themen und Fragestellungen vor. Uta Elisabeth Hohmann beschäftigt sich mit der parlamentarischen Arbeit von Rudolf Otto, Magdalene von Tiling und Heinrich Albertz und fragt nach den Wechselwirkungen mit deren theologischer Profession. Katharina Troppenz untersucht, mit welchen Motiven Aktion Sühnezeichen ihre Arbeit aufnahm und mit welchen Widerständen sie in ihrer Gründungsphase (1958–1968) zu kämpfen hatte.

Forschungsgegenstand sind das Wirken der Aktion Sühnezeichen in Polen und Israel sowie ihre Rückwirkung auf die Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Nikolas Keitel will in seiner Dissertation die „Sekundärdebatten“ um den status confessionis daraufhin untersuchen, welche Auseinandersetzungen über die gesellschaftliche Rolle und Aufgabe des Protestantismus darin zum Austrag kommen und was darin als wesensmäßig für die protestantische Identität beschrieben wurde. Katharina Herrmann analysiert, wie sich das Neue Geistliche Lied in seinem Entstehungszusammenhang ab 1960 mit neuen Gottesdienstformen und dem Kirchentag als Multiplikationsforum den Themen der Zeit zuwendet und ethische Überzeugungen protestantischer Praktiker popularisiert.

Inhaltsverzeichnis

INHALT

Editorial
7

AUFSÄTZE

Ein Höhepunkt der böhmischen Reformation? Die Christen und die Erneuerung der tschechischen Staatlichkeit im Jahre 1918
Petr Hlaváček
11

„Zeugnis gegen uns“? Die Bekennende Kirche und die Juden im Briefwechsel zweier Theologiestudierender (1933–1938)
Deborah Dittmer
25

Was ist kirchengeschichtliche Gedächtnisforschung?
Reflexionen zum 20. Juli
Tim Lorentzen
47

Der Prager Frühling in der Erinnerung der Pfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder Michael Pfann
77

Ein protestantischer Think Tank in den langen sechziger Jahren der Bundesrepublik: Georg Picht und die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft
Claudia Lepp
109

Hanselmann in Wackersdorf. Zum Verhältnis von Kirche und Politik beim bayerischen Landesbischof Johannes Hanselmann am Beispiel der Auseinandersetzung um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf
Janning Hoenen
133

FORSCHUNGS- UND TAGUNGSBERICHTE

Evangelische Theologinnen und Theologen als Parlamentarier
Uta Elisabeth Hohmann
159

Aktion Sühnezeichen in den Jahren 1958–1968 als christlicher Beitrag zur Versöhnung mit Polen und Israel nach 1945
Katharina Troppenz
165

Nihil est adiaphoron. Der protestantische Streit um den status confessionis im 20. Jahrhundert
Nikolas Keitel
173

Kommunikation durch Popularisierung. Kulturelle Repräsentationen protestantischer Ethik im neuen Kirchenlied
Katharina Herrmann
181

Deutsche evangelische Auslandsgemeinden im 20. Jahrhundert. Zwischen Nationalprotestantismus und Ökumene
Gisa Bauer
187

Christliche Willkommenskultur? Die Integration von Migranten als Handlungsfeld christlicher Akteure in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Luise Poschmann
195

Kirchen in Mitteleuropa über das Epochenjahr 1918
Siegfried Hermle
201

NACHRICHTEN

Nachrichten aus der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte
207

Neuerscheinungen
207

Tagungen
210

Veröffentlichungen und Vorträge
212

Nachrichten aus Kirchengeschichtlichen Vereinigungen
223

Autorinnen und Autoren der Beiträge
235

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