Das vorliegende vierte Heft der Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte dokumentiert mit seinen Aufsätzen, Quellen, Berichten und Nachrichten die Vielfalt der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung des zurückliegenden Jahres.

Ursula Büttner widmet sich in ihrem grundlegenden Beitrag einem bislang von der Kirchengeschichtsforschung vernachlässigten Thema: dem Umgang der evangelischen Kirche in Deutschland mit Flüchtlingen seit 1933. Dabei weist sie einen fundamentalen Wandel im Verhalten der Kirchen gegenüber Flüchtlingen seit Mitte der 1970er Jahre nach. Im Anschluss erinnert Claus Berner an den weitgehend vergessenen Berliner Künstler Eberhard Tacke. Der zur kleinen Religionsgemeinschaft der Quäker zählende Zeichner, Lithograph und Maler wirkte unter drei verschiedenen politischen Systemen; in der DDR fand er schließlich, wie der Aufsatz zeigt, zu einer selbstbestimmten, christlichen Kunst.

Anlässlich der 20jährigen Wiederkehr des Mauerfalls wenden sich die Mitteilungen in zwei Beiträgen der Geschichte der Kirchen in der DDR zu. Siegfried Bräuer untersucht in einer Doppelrolle als Historiograph und Zeitzeuge das Wirken der ostdeutschen Kirchenhistoriker mit ihren Bezugnahmen auf die Beiträge der marxistischen Reformationshistoriker bis zum Jubiläum der 450. Wiederkehr des Thesenanschlags 1967. Die vom Autor vorgenommene Verhältnisbestimmung läuft auf eine strenge Abstinenz der Kirchenhistoriker hinaus. Bräuers Begründungen geben einen tiefen Einblick in die spezifischen Bedingungen, unter denen sich die Kirchenhistoriker im DDR-Staat zu bewähren hatten. Klaus Fitschen bietet dagegen unter dem Obertitel „Kerzen – Kirche – Kontroversen“ eine Bestandsaufnahme der bemerkenswert kontroversen Rollenzuschreibungen, wie sie gegenüber der evangelischen Kirche von wissenschaftlicher und publizistischer Seite in den letzten Jahren vorgenommen wurden.

In dieser Ausgabe setzen die Mitteilungen die bewährte Praxis fort, in unregelmäßigen Abständen zeithistorische Quellen zu veröffentlichen. Mit dem bislang ungedruckten programmatischen Text von Georg Kretschmar zur Kirchengeschichte als Wissenschaft aus dem Jahr 1971 wird an den im letzten Jahr verstorbenen vormaligen Münchener Kirchenhistoriker erinnert.

Für das diesjährige Heft sind wieder erfreulich viele Berichte eingegangen, die in ihrer Gesamtheit ein lebendiges Bild der Tagungs- und Forschungsaktivitäten des Jahres 2009 vermitteln. Zunächst geschieht dies in einem Blick auf das Werkstattgespräch zur Kirchenzeitgeschichte, es folgen Berichte über Tagungen zur Politisierung des Protestantismus in der Bundesrepublik, zur historiographischen Bearbeitung des Themas Kirche in der DDR und deren Bedeutung für die „friedliche Revolution“ sowie zum Thema Kirchen und Verbrechen im NS-Staat. Abschließend wird auf die letzte große Vorlesung Kurt Dietrich Schmidts zur „Einführung in den Kirchenkampf“, die jetzt gedruckt vorliegt, aufmerksam gemacht.

Der Nachrichtenteil informiert über die zeitgeschichtlichen Aktivitäten verschiedener überregionaler und regionaler Vereinigungen.