Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 6 (2012)

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Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 6 (2012)
Weiterer Titel 

Erschienen
Erscheint 
jährlich
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
12,00 €

 

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Institution
Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte Evangelisch-Theologische Fakultät Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Tel. 089-2180-2828, -5340 E-Mail: <sekretariat-kiz@evtheol.uni-muenchen.de>; <ccl@evtheol.uni-muenchen.de>
Von
Lepp, Claudia

Die Forschungslandschaft der Kirchlichen Zeitgeschichte hat sich im vergangenen Jahr weitgehend unbelastet von großen jubiläumskulturellen Herausforderungen thematisch vielfältig entfalten können. Das vorliegende Heft der Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte bietet mit seinen Aufsätzen, einer Quellendokumentation sowie den Berichten und Nachrichten Einblicke in die Kirchliche Zeitgeschichtsforschung der vergangenen zwölf Monate.

Zu Beginn unternimmt das junge Autorenteam aus dem Kreis deutscher Studienstiftler Philipp Ebert, Jan Hoffrogge, Frederiecke Schnack und Julius Trugenberger unter der Fragestellung „Wo finden wir uns?“ den Versuch, den erinnerungskulturellen Ansatz von Pierre Nora auf katholische und evangelische Erinnerungsorte des 20. Jahrhunderts fruchtbar anzuwenden. Ausgehend von einer sich pluralisierenden Gesellschaft werden aufschlussreiche Einsichten in die identitätsstiftende Bedeutung christlich geprägter Erinnerungsorte des zurückliegenden Jahrhunderts und ihrer wechselnden Trägergruppen gewonnen. Daniel Lenski beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Spaltung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile im Zeichen der politischen Konfrontation zwischen dem Sozialisten Salvador Allende und seinem konservativen Antipode General Augusto Pinochet. Unter Berücksichtigung erstmals gesichteter chilenischer Quellen zeichnet er in klaren Linien die Ereignisse und die trennungsleitenden Handlungsmotivationen der kirchlichen Akteure nach. Es entsteht ein ausgewogen konturiertes Bild von der Genese des bis heute andauernden evangelischen Kirchenschismas und seinen historischen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen. Der Kirchenhistoriker Martin Schwarz Lausten wirft einen differenzierten Blick auf die dänische Kirchengeschichte der NS-Zeit. Seine Beobachtungen zeigen unterschiedliche Einstellungs- und Handlungsdispositionen zu Nationalsozialismus und Antisemitismus, wie sie im volkskirchlichen Raum Dänemarks zwischen 1933 und 1947 vorzufinden waren. Sie verweisen einerseits auf die theologischen und politischen Verbindungen zwischen der Situation in Deutschland und Dänemark, anderseits geben sie aber auch ein spezifisch aufgefächertes evangelisches kirchliches Gesamtprofil Dänemarks zu erkennen. Der Beitrag von Klaus Fitschen nimmt das auf Klaus Scholder bezogene jüngere Jubiläumsgedenken zum Anlass, für die evangelischerseits verantwortete kirchliche Zeitgeschichtsforschung einmal grundlegende Überlegungen zum Themenfeld „Die Kirchen und das Dritte Reich“ anzustellen. Es gelingt dabei, die vergleichsweise komplexe Forschungsentwicklung der vergangenen drei Jahrzehnte mit kräftigen Strichen nachzuzeichnen, jüngere Forschungstendenzen aufzuzeigen sowie einige Desiderate treffsicher auszumachen. Christoph Kösters schließlich liefert unter der Überschrift „Vom Buch zum Bildschirm“ eine Problemanzeige der Arbeit an kirchengeschichtlichen Quelleneditionen im Internetzeitalter. In dem traditionellen Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Aufbereitung von Quellenmaterial und deren Rezeption werden hier die seit den 1990er Jahren greifbare „digitale Revolution“ und die daraus hervorgehende dynamische Aufladung des historischen Edierens auf erhellende Weise für zukünftige Quelleneditionen ausgelotet.

Die Reihe von zeithistorischen Quellendokumentationen wird in dieser Ausgabe mit einer Predigt aus der sog. Kirchenkampfzeit in Minden fortgeführt. Die von Andreas Müller eingeleitete und editorisch aufbereitete Predigt zum Reformationsfest 1934 kann die regionalen Bezugnahmen der theologischen Predigtrede sowie deren Zuschnitt als Jubiläumspredigt in politisch brisanten Zeiten exemplarisch illustrieren.

Der Berichtsteil hat in dieser Ausgabe noch einmal an Umfang zugenommen. Die sich komplexer gestaltende Landschaft kirchlicher Zeitgeschichtsforschung und ein dadurch bedingtes gestiegenes Informationsbedürfnis finden darin ihren Ausdruck. Zu Beginn gehen zwei Berichte auf jüngst abgeschlossene, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekte zu den 1960er und 70er Jahren ein. Christian A. Widmann stellt profunde Ergebnisse zum Forschungsprojekt über die „Kontroversen über Gewalt und gesellschaftlichen Wandel“ dar, wie sie im Untersuchungszeitraum den deutschen Protestantismus kennzeichneten und diesen in politisierender und polarisierender Weise prägten. Katharina Kunter berichtet über die Ergebnisse der Forschungsarbeit über die „Entdeckung der ‚Dritten Welt’ zwischen 1966 und 1973“. Anschließend skizziert der Historiker Michael Schüring pointiert die Hauptlinien seiner Untersuchung zu den evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und den Konflikten um die Atomenergie in den Jahren 1970 bis 1990; eine Verhältnisbestimmung, die der Verfasser unter die Überschrift „Jahre der Angst“ unternimmt. Tim Lorentzen berichtet über eine von ihm mit Studierenden der Universität München durchgeführte innovative Lehrveranstaltung „Kirche und Konzentrationslager“, die unter Mitwirkung mehrerer Fachleute im Sommersemester 2011 gewissermaßen „vor Ort“, in Dachau und Flossenbürg realisiert wurde. Den Abschluss dieses Heftteils bilden fünf Tagungsberichte, die das breite inhaltliche Spektrum gegenwärtiger kirchlicher Zeitgeschichtsforschung zu erkennen geben.

Der das Heft abschließende Nachrichtenteil bietet Informationen über die zeitgeschichtlichen Aktivitäten verschiedener Einrichtungen aus dem kirchlichen und wissenschaftlichen Bereich.

Inhaltsverzeichnis

INHALT

Aufsätze

Wo finden wir uns? Evangelische und katholische Erinnerungsorte im Deutschland des 20. Jahrhunderts
Philipp Ebert, Jan Hoffrogge, Frederieke Schnack, Julius Trugenberger

Eine Frage der Identität. Die Spaltung der Evangelisch-Lutherische Kirche in Chile
Daniel Lenski

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus in der dänischen Kirche in den Jahren 1933 bis 1947
Martin Schwarz Lausten

Die Kirchen und das Dritte Reich. Überlegungen zu Entwicklungen, Tendenzen und Desideraten der Forschung im Bereich des Protestantismus
Klaus Fitschen

Vom Buch zum Bildschirm. Über Perspektiven zukünftiger kirchengeschichtlicher Quelleneditionen
Christoph Kösters

Dokumentation

Die Predigt zum Reformationsfest 1934 des Mindener Pfarrers Viktor Pleß
Andreas Müller

Berichte

Ergebnisse des Forschungsprojektes „Kontroversen über Gewalt und gesellschaftlichen Wandel“
Christian Alexander Widmann

„Auf dem Weg zum globalisierten Christentum: Die europäischen Kirchen und die Entdeckung der ‚Dritten Welt‘ zwischen 1966 und 1973“. Kurzbericht zum DFG-Forschungsprojekt (2008–2011)
Katharina Kunter

Frankfurter Forum Kirchen und Christentum im Kalten Krieg
Katharina Kunter

Jahre der Angst. Die Evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik und der Konflikt um die Atomenergie 1970–1990
Michael Schüring

Kirche und Konzentrationslager. Fragestellungen und Ergebnisse eines Forschungsseminars mit Münchner Studierenden
Tim Lorentzen

„Offene Arbeit als Raum protestantischer Bildung“
Ralf Koerrenz, Katja Nicke, Anne Stiebritz

„Sozialismus aus christlicher Verantwortung? Die (Ost-)CDU und die Kirchenpolitik in Thüringen“ (Evangelische Akademie Thüringen, Neudietendorf 2./3. Dezember 2011)
Cornelia von Ruthendorf-Przewoski

Bericht über die Tagung „Zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte“. Münchner Katholizismus und Protestantismus im 20. Jahrhundert
Nora Andrea Schulze

Die Pfälzische Kirche im Nationalsozialismus – Das Umbruchjahr 1933. Eine Tagung der Evangelischen Akademie der Pfalz und des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte (20./21. Januar 2012, Protestantisches Zentrum Butenschoen-Haus, Landau)
Klaus Bümlein

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