Mit dem vorliegenden Heft gehen die Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte ins dritte Jahr ihres Erscheinens im neuen Zeitschriftenformat. Auch das vorliegende Heft möchte Impulse für die zeitgeschichtliche Diskussion setzen und den Informationsaustausch zwischen den jeweiligen Fachdiskursen fördern. In dieser Hinsicht hat sich die Binnenstruktur der Hefte bestehend aus einem Aufsatzteil, einer thematischen oder personenbezogenen Bibliographie, einem Berichtsteil und einem Nachrichtenblock bewährt und gilt auch für das vorliegende Heft.
Der Ausatzteil setzt ein mit einem Beitrag von Henning Bühmann, der im Zusammenhang mit der seit geraumer Zeit vital geführten Diskussion über protestantische Märtyrer des 20. Jahrhunderts die protestantischen Märtyrer im Baltikum des Jahres 1919 fokussiert und die Entstehung einer diesbezüglichen evangelischen Gedächtniskultur in ihren Grundstrukturen rekonstruiert und kritisch beleuchtet. Martin Schwarz Lausten beschreibt und analysiert das Verhältnis zwischen der Kirche und den jüdischen Kultusgemeinden Dänemarks in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in seinen ambivalenten Zügen. Der Beitrag von Gertraud Grünzinger beschäftigt sich mit Dietrich Bonhoeffers Aufenthalt im Kloster Ettal im Winter 1940/41. Die Verfasserin veranschaulicht, wie dieser kurze Lebensabschnitt Bonhoeffers im Schnittfeld von individueller Lebensgeschichte, lokalen Bezügen und theologischen Vernetzungen biographisch und allgemeingeschichtlich eine tiefgreifende Wirkung zeitigte. Thomas Martin Schneider wendet sich in seinem Beitrag dem evangelischen Theologen im Nationalsozialismus Paul Schneider zu, indem er sich auf differenzierte Weise mit der jüngeren Rezeptionsgeschichte Schneiders auseinandersetzt und sich mit seinem Beitrag selbst pointiert innerhalb dieser Diskussion positioniert. Im Beitrag von Angelika Dörfler-Dierken wird der frühe Repräsentant der Bundeswehr Wolf Graf von Baudissin in seiner grundlegenden Bedeutung für die konzeptionelle Bestimmung der Militärseelsorge in Westdeutschland herausgearbeitet.
Wie in den vorausgegangenen Ausgaben wird auch im vorliegenden Heft ein Themenfeld besonders akzentuiert. Gleich zwei Beiträge wenden sich anlässlich der zurückliegenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 dem Verhältnis von Religion und Politik in den Vereinigten Staaten von Amerika zu. Christian A. Widmann bestimmt unter historischen Gesichtspunkten, dabei von Alexis de Tocqueville und dessen grundlegenden nachrevolutionären Darlegungen um 1830 ausgehend, das grundsätzliche Verhältnis beider Größen, Religion und Politik, und verfolgt dessen Entwicklung bis in die Gegenwart. Erich Geldbachs Beitrag fügt sich gewissermaßen in diesen vorgezeichneten religionsgeschichtlichen Rahmen ein und betreibt auf eine zugleich kenntnisreiche, kritische und anregende Weise eine Nachbetrachtung zum jüngsten Wahlgeschehen in den USA.
Die im folgenden Teil von Irmfried Garbe zusammengestellte Bibliographie würdigt die wissenschaftliche Leistung von Martin Onnasch anläßlich dessen 65. Geburtstags.
Das Anliegen der Zeitschrift, alle kirchen- und allgemeinhistorisch Interessierten über aktuelle Forschungsentwicklungen zu informieren und ihnen eine publizistische Mitte zu bieten, wird insbesondere vom Berichtsteil auf vitale Weise umgesetzt. Die Zahl der Berichte ist weiter ansteigend und die Präsentationsformen gewinnen an Vielfältigkeit. Thematisch wird dabei vor dem Hintergrund ihres 75jährigen Jubiläums an die Barmer Theologische Erklärung erinnert, mit dem Thema der kirchenpolitischen Instrumentalisierung der staatlichen Finanzabteilungen durch die Nationalsozialisten wird ein aktuelles Promotionsprojekt porträtiert und ein Literaturbericht skizziert die – ungeachtet eines vergleichsweise geringen Institutionalisierungsgrads – hohe Produktivität der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung in Dänemark. Vier Tagungsberichte geben auf jeweils eigene Weise den thematischen und methodischen Pluralismus in der gegenwärtigen Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung zu erkennen.
Der Nachrichtenteil informiert v. a. über die wissenschaftlichen Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft und anderer kirchengeschichtlichen Vereinigungen.
Das vorliegende Heft darf insgesamt als Ermunterung für alle auf dem Gebiet der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung Arbeitenden verstanden werden, sich weiterhin produktiv an der Gestaltung der Zeitschrift in Form von Aufsätzen, Berichten und Nachrichten zu beteiligen. Einsendeschluss ist der 15. Januar des Erscheinungsjahres.
Aufsätze
Die „baltischen Märtyrer“ von 1919. Zur Konstruktion eines protestantischen Märtyrergedächtnisses in der Zwischenkriegszeit Henning Bühmann
Judensympathie und Judenhass in der dänischen Volkskirche vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1948 Martin Schwarz Lausten
„Ich versuche hier so etwas Fuß zu fassen ...“ Dietrich Bonhoeffers Aufenthalt im Kloster Ettal im Winter 1940/41 Gertraud Grünzinger
Märtyrer oder Fanatiker? Zur Rezeptionsgeschichte Paul Schneiders Thomas Martin Schneider
Wolf Graf von Baudissin. Ein evangelischer Laie als „Vater der Militärseelsorge“ Angelika Dörfler-Dierken
Politik und Religion in den USA: Noch immer ein harmonisches Nebeneinander? Christian A. Widmann
Osama, Obama and Chelsea's Mama: Eine USA-Wahlnachlese unter religiöser Perspektive Erich Geldbach
Bibliographie
Bibliographie von Martin Onnasch Irmfried Garbe
Berichte
75 Jahre Barmer Theologische Erklärung. Thesen aus kirchenhistorischer Sicht Thomas Martin Schneider
Die Finanzabteilungen als Instrument nationalsozialistischer Kirchenpolitik. Bericht über ein Promotionsprojekt Hauke Marahrens
Neuere dänische Beiträge zur kirchlichen Zeitgeschichte Jens Holger Schjørring
Bestandsaufnahme der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts aus internationaler Perspektive. Ein Tagungsbericht Katharina Kunter
Gleich einem Blitzschlag oder Frucht einer lang währenden Überlegung? Bericht über das Mooshauser Gespräch zur Kirchlichen Zeitgeschichte „Konversionen, Konvertiten“ Karl-Heinz Fix
Friendly takeover. Aktuelle protestantische Einigungstendenzen im Kontext kirchlicher Zeitgeschichte Norbert Friedrich
Brüche – Kontinuitäten – Neuanfänge – Religionspädagogik und Reformpädagogik. Tagung des Arbeitskreises für historische Religionspädagogik Antje Roggenkamp-Kaufmann
Reformation und Bauernkrieg: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik im geteilten Deutschland. Ein Tagungsbericht Christian Muth
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