Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 10 (2016)

Titel der Ausgabe 
Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 10 (2016)
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2016: Selbstverlag
Erscheint 
jährlich
ISBN
0949-5908
Anzahl Seiten
211
Preis
12 Euro

 

Kontakt

Institution
Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte Evangelisch-Theologische Fakultät Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Tel. 089-2180-2828, -5340 E-Mail: <sekretariat-kiz@evtheol.uni-muenchen.de>; <ccl@evtheol.uni-muenchen.de>
Von
Lepp, Claudia

Im Zentrum der diesjährigen Ausgabe steht die jüngere Zeitgeschichte, d. h. die Jahre zwischen 1945 und 1989. Mit den ersten drei Aufsätzen wird an einen vormaligen Forschungsschwerpunkt der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte angeknüpft: die Entwicklung der evangelischen Kirchen während der Zeit der deutschen Zweistaatlichkeit. Die Beiträge gehen zurück auf die Tagung „Protestantismus im geteilten Deutschland. Forschungsperspektiven“, die im Juni 2015 in Göttingen stattgefunden hat. Veranstaltet wurde sie von der DFG-Forschergruppe „Der Protestantismus in den ethischen Debatten der Bundesrepublik Deutschland 1949–1989“, mit der die Arbeitsgemeinschaft kooperiert. Alle drei Aufsätze folgen einem integrierten Ansatz, legen den Schwerpunkt allerdings auf die Geschichte des Protestantismus in der DDR. Mit einem begriffsgeschichtlichen Ansatz zeigt Benedikt Brunner auf, wie bis in die 1960er Jahre hinein die Diskussionen über die Volkskirche in Ost- und Westdeutschland stark aufeinander bezogen blieben; die Theologen in der DDR und in der Bundesrepublik arbeiteten sich an den gegenseitigen Erfahrungen ab und bemühten sich, die „richtigen“ Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Laut Henning Theißen brachte die erst 1972 abgeschlossene Regionalisierung der Evangelischen Kirche der Union eine zeitgeschichtlich wie kirchentheoretisch höchst dichte und ertragreiche Besinnung auf das Selbstverständnis evangelischer Kirche mit sich, welcher er in seinem Beitrag nachgeht. Veronika Albrecht-Birkner untersucht die „Weichenstellungen in der politischen Ethik des Protestantismus in der DDR in den 1970er Jahren und ihre Auswirkungen auf dessen Verhältnis zur EKD“. Ihre Ergebnisse fasst sie in sieben pointierten Thesen zusammen, die sicherlich zur Diskussion anregen werden.

Einem aktuellen Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgemeinschaft „Christentum und gesellschaftlicher Wandel in den 1960er und 70er Jahren“ lässt sich der Beitrag von Karin Oehlmann zuordnen. Sie bietet „zwei Streiflichter“ auf ihr zwischenzeitlich abgeschlossenes Dissertationsprojekt „Württemberg um 1968“. Zum einen reflektiert sie über den Nutzen der oral history für die Kirchliche Zeitgeschichte. Zum anderen rekonstruiert sie das Zentralereignis in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg im Jahr 1968: den mythenumrankten Rücktritt des Präsidenten der Württembergischen Landessynode Landrat Oskar Klumpp.

In den Forschungs- und Tagungsberichten spiegelt sich die thematische und methodische Vielfalt der aktuellen Arbeiten auf dem Gebiet der Protestantismusgeschichte des 20. Jahrhunderts. Den Anfang machen zwei Berichte über gerade abgeschlossene Forschungsprojekte. Stefan Dietzel und Katja Bruns skizzieren die Ergebnisse ihrer Studien über Heinz-Dietrich Wendland. Der evangelische Sozialethiker rang um eine Weiterentwicklung der Verhältnisbestimmung der Kirche zur Gesellschaft und entwickelte unter Schlagworten wie „Gesellschaftliche Diakonie“ und „Verantwortlichen Gesellschaft“ eine profilierte Position. Annegret Schilling untersuchte in globalgeschichtlicher Perspektive den Boom des lateinamerikanischen Protestantismus in den 1960er und 70er Jahren. Hierfür ging sie der Verflechtungsgeschichte zwischen protestantischen Kirchen und Christen und dem Ökumenischen Rat der Kirchen von 1955 bis 1975 nach und fragte nach deren Auswirkungen auf die Identität des lateinamerikanischen Protestantismus und das globale Selbstverständnis des ÖRK.

Anschließend folgen Einblicke in drei laufende Forschungsprojekte. Mirjam Loos untersucht Argumentationsmuster und sprachliche Figuren in den Positionierungen deutscher Protestanten gegenüber Kommunismus und Bolschewismus zwischen 1930 und 1945. Schon jetzt kann sie festhalten, dass antikommunistische und antibolschewistische Stimmen bei weitem überwogen und im evangelischen Milieu schichtübergreifend diskutiert und multipliziert wurden. Sarah Jäger analysiert in ihrer Dissertation die Reaktionen des bundesdeutschen Protestantismus auf Individualisierungsphänomene in den Debatten um weibliche Erwerbsarbeit, Familie und Sexualität. Ihre Leitfragen dabei sind: Wie wird in den Debatten eine modernitätsspezifische Individualisierung wahrgenommen, wie wird auf sie reagiert und welche Rolle spielt hierbei der Faktor Geschlecht? In ihrem Dissertationsprojekt „Protestantische Kommunikation in öffentlich-rechtlichen Mediensystemen“ fragt Theresa Schall nach den „gesellschaftlichen und theologischen Strukturbedingungen“ protestantischer Beiträge in den ethischen Debatten der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Sie will einerseits zeigen, welches Öffentlichkeitsverständnis und welche Medienstrategien in diesen Beiträgen begegnen, und andererseits das dabei leitende bzw. sich ausbildende protestantische Selbstverständnis untersuchen.

Die Bandbreite zeithistorischen Arbeitens wird auch in den Tagungsberichten deutlich: Bei den Tagungen ging es um die evangelischen Kirchen in der DDR, um die Genese und Rezeption der Demokratiedenkschrift der EKD von 1985 sowie um die Fragen nach Gemeinsamkeiten in der (Aus-) Bildung von Religions- und Philo-sophielehrern in mehreren europäischen Staaten in aktueller und historischer Perspektive.

Am Ende des Heftes steht wie immer der Nachrichtenteil, der über die Aktivitäten in den überregionalen und regionalen kirchen-geschichtlichen Vereinigungen informiert.

Die „Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ verstehen sich als wissenschaftliches Publikationsorgan im interdisziplinären Diskurs zu Themen der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung. Das Einreichen von zeitgeschichtlichen Beiträgen ist sehr willkommen.

Inhaltsverzeichnis

INHALT

AUFSÄTZE

Ostdeutsche Avantgarde? Der lange Abschied von der ‚Volkskirche‘ in Ost- und Westdeutschland (1945–1969)
Benedikt Brunner

Die Regionalisierung der Evangelischen Kirche der Union (1970/72). Ein unerforschtes Kapitel zum Thema Gemeinschaft im geteilten Deutschland
Henning Theißen

Weichenstellungen in der politischen Ethik des Protestantismus in der DDR in den 1970er Jahren und ihre Auswirkungen auf dessen Verhältnis zur EKD
Veronika Albrecht-Birkner

Kirchliche Zeitgeschichte als Herausforderung – Zwei Streiflichter auf das Forschungsprojekt „Württemberg um 1968“
Karin Oehlmann

FORSCHUNGS- UND TAGUNGSBERICHTE

Abgeschlossene Forschungsprojekte

Wege in die Bundesrepublik: Heinz-Dietrich Wendland zwischen Konservatismus und sozialer Verantwortung
Stefan Dietzel / Katja Bruns

Der Boom des lateinamerikanischen Protestantismus in der internationalen Ökumene in den 1960er und 70er Jahren
Annegret Schilling

Laufende Forschungsprojekte

Kommunismus und Bolschewismus als Herausforderung für deutsche Protestanten (1930–1945)
Mirjam Loos

Individualisierung als Herausforderung: Emanzipation der Frau, Wandel im Familienbild, Neubewertung des Schwangerschaftsabbruchs
Sarah Jäger

Kommunikation in öffentlich-rechtlichen Mediensystemen: Eine Untersuchungsskizze zu protestantischen Kommunikationsformen in der Bundesrepublik nach 1945
Teresa Schall

Tagungsberichte

Die Evangelischen Kirchen im sozialistischen Staat. Nachwuchstagung in Leipzig
Martin Naumann

30 Jahre Demokratiedenkschrift. Eine akademische Geburtstagsfeier
Tobias Schieder

Bericht über die Tagung „Religion und Philosophie – vergleichende Untersuchungen zur Lehrerausbildung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz“
Katharina Biermann, Markus Rohmann, Antje Roggenkamp

NACHRICHTEN

Nachrichten aus der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte

Nachrichten aus kirchengeschichtlichen Vereinigungen

Weitere Hefte ⇓
Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Sprache
Bestandsnachweise 0949-5908