Fragen, die nicht gestellt wurden! oder gab es ein Schweigegelübde der zweiten Generation?

Ein Interviewprojekt mit Historikern der Nachkriegsära zu den Bedingungen der beruflichen / wissenschaftlichen Sozialisation und den Chancen zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Historikern

Interviews geführt von Julia Schäfer / Jens Hacke / Marcel Steinbach-Reimann

 

Einführungsartikel in das Interviewprojekt: Konrad Jarausch / Rüdiger Hohls

 

Sammelband: "Deutsche Historiker im Nationalsozialismus" hgg. von Winfried Schulze und Otto Gerhard Oexle
[Vorspann - Inhaltsverzeichnis - Pilotartikel von Winfried Schulze, Gerd Helm, Thomas Ott]

Rezension von Tobias Kaiser

 

Die Interviews werden nach und nach freigegeben und anschließend veröffentlicht:

Interviewpartner/in

Zitate

"Mein ganzes Leben lang empfand ich bei Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern eine größere Bewegungsfreiheit und geringere Enge als bei Historikern."
"Aber das sehen Sie mir als Individuum nach, wenn ich die Rolle des Historikers und die des Staatsanwalts auch heute noch als die am stärksten auseinander liegenden ansehe."
"Unsere 'Neue Orthodoxie' ist heute viel illiberaler als ihre akademischen Väter nach 1945."
"Für mich ist das nicht überraschend gewesen, was jetzt auf dem Historikertag herauskam."
"Sozialgeschichte wurde in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zu einem Zauberwort. Das war die Inkorporierung aller fortschrittlichen, wünschenswerten Tendenzen in der eigenen Disziplin."
"Es gab Vordenker, es gab Mitläufer, und es gab natürlich auch viele Emigranten, die man heute in der Regel vergißt, wenn man über Historiker im Dritten Reich redet."
"Daraus erklärt sich der soziologische Befund, daß es niemals zuvor eine derartige Vorherrschaft alter Männer gegeben hat wie in der Zeit von 1945 bis in die Mitte der 60er Jahre."
"Die Jungen wollen ganz unbefangen die alte Generation in die Pfanne hauen."
"Das Bild, das die Historiker während der NS-Zeit abgaben, ist also sehr differenziert, wenn auch für viele  nicht schmeichelhaft."
"Das Dritte Reich hatte kein Problem mit den deutschen Historikern."
"Und vor allen Dingen glaube ich, daß es uns allen bis heute schwerfällt  (...), die NS Herrschaft als Teil der deutschen Gesellschaft zu denken."
"Wir konnten keine Kommentare erzwingen, denn schließlich waren wir nicht das Hohe Gericht."
"Insofern ist die Frage spannend, wo der schmale Grad zwischen erwünschter Einmischung in Politik und Distanz zur Politik verläuft, den Historiker gehen müssen."
"Die Volksgeschichte geht weit zurück - bis auf die Romantik. Man muß die Weltgeschichte nicht immer mit den Nazis beginnen lassen."
"Ich stellte fest, daß ich die pathetische Sprache von Nation, Vaterland, Heldentum nicht mehr sprechen, nicht mehr in Gemeinschaften leben, nicht mehr im Chor singen konnte und wollte."
"Historiker sollten auch politisch zu den Positionen stehen, die sie in der Wissenschaft vertreten."
"Warum haben wir nicht den Mut gehabt, kritische Fragen zu stellen?"

 

Vergleich der Antworten auf die "Standardfragen":

  1. Wie werten Sie die Rolle der deutschen Historiker im Nationalsozialismus? Handelt es sich vorwiegend um Mitläufer oder kann man angesichts der neuesten Forschungsergebnisse sogar von Vordenkern oder Mittätern im Sinne einer aktiven Politikberatung sprechen?
  2. Kann man intellektuelle "Entgleisungen" wie im Falle Conze und Schieder durch ein vorbildliches Wissenschaftlerdasein in der Bundesrepublik kompensieren?
  3. Stichwort "braune Wurzeln" der Sozialgeschichte: Wie würden Sie den tatsächlichen innovativen Gehalt der Volksgeschichte einschätzen?
  4. War die personelle Kontinuität in der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 spürbar?
  5. Warum gab es eine lange Zeit des Beschweigens bzw. der gegenseitigen Rücksichtnahme unter den Historikern, die auch 1968 überdauerte?
  6. Inwiefern kann oder soll die Geschichtswissenschaft generell Einfluß auf politische Entwicklungen nehmen? In welcher Form wurden Erfahrungen der Geschichtswissenschaft im Dritten Reich in der Bundesrepublik verarbeitet?
  7. Wie erklären Sie sich die derzeitige Resonanz des Themas? Warum weckt die Auseinandersetzung um die Historiker im Nationalsozialismus derartige Emotionen wie auf dem Historikertag in Frankfurt?
  8. Birgt die Debatte für Sie den Kern eines ernsthaften Streits in der Historikerzunft?
 

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