Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 71 (2023), 2

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 71 (2023), 2

Erschienen
München 2023: De Gruyter Oldenbourg
Preis
Jahresabo: € 59,80; Stud.abo: € 34,80; Mitgl.abo. hist. u. pol. Fachverbände: € 49,80; Online-Zugang: € 49,00; Print+Online-Abo: € 72,00

 

Kontakt

Institution
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Abteilung
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
PLZ
80636
Ort
München
Straße
Leonrodstraße 46 B
Von
Florian Hoppe, Geisteswissenschaften, De Gruyter Oldenbourg

Das neue Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte erscheint Anfang April, wir wünschen anregende Lektüre!

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze

Isabel Heinemann, Die „erbgesunde“ Familie als transatlantisches Projekt. Paul B. Popenoe, Otmar Freiherr von Verschuer und die Kontinuitäten der Eugenik 1920 bis 1970
Die Autorin untersucht eugenische Ehe- und Familienberatung als transnationale Verflechtungsgeschichte am Beispiel zweier Sozialexperten, des US-amerikanischen Eugenik-Pioniers und Familienberaters Paul B. Popenoe und des führenden NS-Rassenhygienikers und späteren Ordinarius für Humangenetik in Münster, Otmar Freiherr von Verschuer. In der langen Perspektive von den 1920er bis in die 1970er Jahre zeigt sich, dass die NS-Zeit keine Zäsur markierte. Vielmehr wurde auf beiden Seiten des Atlantiks eugenisches Wissen mobilisiert, um die Familie als Grundlage der Nation vor den Zumutungen der Moderne zu schützen. Die Quellengrundlage bilden wissenschaftliche Texte, Ratgeber, Briefwechsel, Institutsakten und ein bislang nicht genutzter Bestand an Patienten- und Beratungsakten.

Isabel Heinemann, The “Hereditarily Healthy” Family as a Transatlantic Project. Paul B. Popenoe, Otmar Freiherr von Verschuer and the Continuities of Eugenics, 1920 to 1970
The author investigates eugenic marriage and family counselling as a transatlantic history of entanglement using the example of two social experts, the US eugenics pioneer and family counsellor Paul B. Popenoe and the leading Nazi race hygienist and later full professor for Human Genetics in Münster, Otmar Freiherr von Verschuer. In a longer perspective from the 1920s to the 1970s, the Nazi period does not mark a caesura. Rather, knowledge was mobilised on both sides of the Atlantic in order to protect the family as the foundation of the nation from the impositions of modernity. The primary sources the article is based on encompass scientific texts, guidebooks, correspondence, institutional files and a hitherto unused archival collection of patient and counselling files.

Gunnar Take, Korruption, Protektion und Justiz in der Ära Adenauer. Die „Leihwagen-Affäre“ 1958 bis 1960
In der jungen Bundesrepublik wurden Weichen gestellt, welche Praktiken fortan als korrupt gelten sollten. Die „Leihwagen-Affäre“ als doppelter Bestechungs- und Justizskandal trug zu dieser Entwicklung bei. Mit Konrad Adenauer und seinem persönlichen Referenten Hans Kilb waren zentrale Akteure der Kanzlerdemokratie involviert und mit dem Leihwagengeber Daimler-Benz zudem ein Symbol des „Wirtschaftswunders“. Durch aufwändige Öffentlichkeitsarbeit wurden die im Zentrum der Macht vorgelebten Vorteilsnahmen und -gewährungen verteidigt. Dadurch verhalf man Praktiken, die stark vom Wortlaut einschlägiger Gesetze und Verordnungen abwichen, zu sozialer Akzeptanz. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch politische Eingriffe in die Justiz.

Gunnar Take, Corruption, Patronage and Justice in the Adenauer Era. The “Loan Car Affair”, 1958 to 1960
In the young Federal Republic, the course was set as to which practices would hitherto be considered as corrupt. The “loan car affair” as both bribery and judicial scandal contributed to this development. It involved central actors of the “Chancellor Democracy”, Konrad Adenauer and his personal aide Hans Kilb, as well as Daimler-Benz, a symbol of the “economic miracle”, as the car lender. The granted and received benefits exemplified at the centre of power were defended with elaborate PR. This led to social acceptance for practices which strongly deviated from the wording of pertinent laws and regulations. It became possible not least because of political interventions in the judicial process.

Bodo Mrozek/Doubravka Olšáková, Die Katzendreckgestank-Affäre. Grenzüberschrei-tende Geruchskonflikte zwischen der Bundesrepublik, der ČSSR und der DDR 1976 bis 1989
Hat sich die Zeitgeschichte im Zuge des sensory turn jüngst vermehrt mit Bildern und Klän-gen befasst, spielen Gerüche bislang eine untergeordnete Rolle. Im Zusammenhang mit Im-missionen aus Industrie und Landwirtschaft führten aber gerade üble Gerüche immer wieder zu politischen Konflikten. Anhand des sogenannten Katzendreckgestanks, der in den 1970er Jahren erstmals aktenkundig wurde, lässt sich nachvollziehen, wie Geruchskonflikte grenz-überschreitende Komplikationen verursachen konnten. Mehr als zehn Jahre lang belastete diese Affäre die Beziehungen zwischen der ČSSR, der Bundesrepublik und der DDR. Bodo Mrozek und Doubravka Olšáková analysieren, wie Gerüche technisch vermessen, vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs politisiert und schließlich in internationalen Kooperationen im Zeichen der Détente praktisch bekämpft wurden.

Bodo Mrozek/Doubravka Olšáková, The “Cat Droppings Stench Affair”. Cross-Border Conflicts about Smell between the Federal Republic, the ČSSR and the GDR, 1976 to 1989
While the recent sensory turn of contemporary history has increasingly dealt with images and sounds, smells so far play a minor role. However, foul odours connected with industrial and agricultural immissions repeatedly led to political conflicts. Using the so-called Katzendreckgestank or “cat droppings stench”, which was first recorded in the 1970s, the article shows how conflicts regarding smell could result in cross-border complications. For more than ten years this affair strained relations between the ČSSR, the Federal Republic and the GDR. Bodo Mrozek and Doubravka Olšáková analyse how smells were technically measured, how they were politicised against the background of the Cold War and finally how they were practically tackled with by international cooperation in view of détente.

Miszelle

Thorsten Holzhauser/Paul Treffenfeldt, Demokratisierung durch Wahlausschluss? Die Debatte um das Wahlrecht von NS-Belasteten im Parlamentarischen Rat
Der Parlamentarische Rat war 1948/49 nicht nur Verfassungsgeber, er erließ auch das Wahlgesetz zur ersten Bundestagswahl. Zu den umstrittensten Themen unter den Abgeordneten gehörte die Frage, ob nationalsozialistisch belastete Personen das volle Wahlrecht erhalten oder von der Wahl ausgeschlossen werden sollten. Die Diskussionen über den Wahlausschluss ehemaliger Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten sind von der Forschung bislang kaum thematisiert worden. Wie im vorliegenden Beitrag gezeigt werden soll, geben sie Aufschluss über grundlegende Fragen des zeitgenössischen Demokratieverständnisses. Sie zeigen, wie sich Diskurse um Schuld, Verantwortung und Belastung in der Nachkriegszeit mit Fragen von Demokratie und Gleichheit verbanden.

Thorsten Holzhauser/Paul Treffenfeldt, Democratisation by Electoral Exclusion? The Debate about the Electoral Rights of Former National Socialists in the West German Parliamentary Council
In 1948/49 the Parliamentary Council was not only charged with writing a new constitution, but also enacted the electoral law for the first election of the Bundestag. One of the most contentious topics among the deputies was the question whether persons incriminated by association with National Socialism should receive full voting rights or be excluded from the vote. The discussions about the electoral exclusion of former National Socialists have hitherto hardly been covered by research. The present article intends to demonstrate how these debates reveal fundamental questions regarding the understanding of democracy at the time. They show how discourses concerning guilt, responsibility and incrimination related to questions about democracy and equality during the post-war period.

Dokumentation

Daniel Siemens, Rechtfertigung und Selbsterhöhung nach der „Nacht der langen Mes-ser“. Die Aufzeichnungen von SA-Stabschef Viktor Lutze 1934 bis 1943
Nach der Ermordung Ernst Röhms am 1. Juli 1934 ernannte Adolf Hitler Viktor Lutze zum neuen Stabschef der Sturmabteilung (SA), ein Amt, das dieser bis zu seinem Unfalltod im Mai 1943 innehatte. Bereits im Sommer 1934 begann er mit der Niederschrift politischer Aufzeichnungen, die je nach Eintrag und Zeitabschnitt zwischen Tagebuch, monatlicher Rückschau und Autobiografie changieren. Diese wichtige autobiografische Quelle eines hochrangigen NS-Politikers wird hier erstmals in Auszügen veröffentlicht und durch eine ausführliche Einleitung kontextualisiert. Das Dokument zeigt die strategischen Überlegungen des Stabschefs und wirft Schlaglichter auf die Probleme der Organisation im Gefüge der polykratischen NS-Herrschaft. Lutzes Schilderung der Ereignisse zwischen Ende Juni und Mitte Juli 1934 ist zudem eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte der Röhm-Aktion.

Daniel Siemens, Justification and Self-Elevation after the “Night of the Long Knives”. The Notes of SA Chief of Staff Viktor Lutze, 1934 to 1943
After the murder of Ernst Röhm on 1 July 1934, Adolf Hitler named Viktor Lutze as new Chief of Staff of the Sturmabteilung (SA), a position which he held until his accidental death in 1943. Already in the summer of 1934 he set about recording political notes, which – depending on the entry and period – fluctuate between diary, monthly review and autobiography. Excerpts of this important autobiographical source by a high-ranking Nazi politician are published here for the first time. They are contextualised in an extensive introduction. The document reveals the strategic considerations of the Chief of Staff and highlights the problems of the organisation in the framework of the polycratic Nazi state. Lutze’s description of events between late June and mid-July 1934 is also one of the most important sources for the history of the Röhmaktion.

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