Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 70 (2022), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 70 (2022), 4

Erschienen
Berlin/Boston 2022: De Gruyter Oldenbourg
Preis
Jahresabo: € 59,80; Stud.abo: € 34,80; Mitgl.abo. hist. u. pol. Fachverbände: € 49,80; Online-Zugang: € 49,00; Print+Online-Abo: € 72,00

 

Kontakt

Institution
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Abteilung
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
PLZ
80636
Ort
München
Straße
Leonrodstraße 46 B
Von
Florian Hoppe, Geisteswissenschaften, De Gruyter Oldenbourg

Das neue Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte ist erschienen, wir wünschen anregende Lektüre!

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze

Andreas Wirsching, Zeit als Ressource zwischen Bonn und Paris. Der Straßburger EG-Gipfel vom 8./9. Dezember 1989, die Europäische Währungsunion und die deutsche Einheit

Der Aufsatz behandelt die umstrittene Frage, wie sich die Entscheidung für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion und die Perspektive einer deutschen Wiedervereinigung zueinander verhielten. Hatte beides – wie viele behaupteten – nichts miteinander zu tun? Oder gab es doch ein implizites Do ut Des? Diese Frage stellt sich primär in Bezug auf die deutsch-französischen Beziehungen, die sich im Vorfeld des Straßburger EG-Gipfels vom 8./9. Dezember 1989 prekär zuspitzten. Auf der Basis zahlreicher erstmals ausgewerteter Archivquellen gibt der Autor hierauf eine klare Antwort, indem er den Schwerpunkt der Analyse auf die zwischen Paris und Bonn divergierenden Zeithorizonte legt. Am Ende gelang es beiden Seiten, ihre unterschiedlichen Ziele durchzusetzen und somit auf dem Straßburger Gipfel eine Win-Win-Situation zu erzeugen.

Andreas Wirsching, Time as a Resource between Bonn and Paris. The Strasbourg EC Summit on 8 / 9 December 1989, European Monetary Union and German Unification

The article covers the controversial question, how the decision for European Economic and Monetary Union and the perspective of German Reunification interacted with each other. Were both completely unconnected, as many have claimed? Or was there an implicit Do ut Des? This question primarily refers to German-French relations, which culminated precariously in the run-up to the Strasbourg EC summit on 8 / 9 December 1989. On the basis of archival sources, many of which have been evaluated here for the first time, the author provides a clear answer to these questions by putting the emphasis of the analysis on the diverging time horizons of the two respective sides. At the end both Paris and Bonn succeeded in achieving their divergent goals and thereby creating a win-win situation at the Strasbourg Summit.

Lukas Grawe, Wehrpflicht, Aufrüstung und Jugendschutz. Die Entstehung des Jugend-schutzgesetzes von 1938 zwischen militärischen und sozialpolitischen Motiven

Basierend auf Behauptungen ostdeutscher Historiker hat sich in der Geschichtsschreibung das Bild verfestigt, das nationalsozialistische Jugendschutzgesetz sei allein aus mi¬litärischen Gründen erlassen worden. Dabei gibt es zu diesem Gesetz kaum Forschungen, die auf einem breiten Quellenfundament ruhen. Der Beitrag geht von diesem Problem aus und unterzieht die Genese des Jugendschutzgesetzes einer umfassenden Analyse. Dabei verdeutlicht der Autor, dass Sozialpolitik im Dritten Reich nicht der Umverteilung finanzieller Lasten diente, sondern der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung, der Wehrhaftmachung der Bevölkerung, der Schaffung einer „Volksgemeinschaft“ durch Inklusion und Exklusion, der Propaganda und schließlich der politischen Indoktrination.

Lukas Grawe, Compulsory Military Service, Rearmament and Youth Protection. The Origins of the German Protection of Young Persons Act of 1938 between Military and Socio-Political Considerations

Based on assertions by East German historians, the view that the National Socialist Protection of Young Persons Act was solely enacted for military reasons predominates historiography. There has, however, hardly been any research on this law founded on a broad source base. The article uses this problem as a starting point and subjects the genesis of the Youth Protection Law to a comprehensive analysis. Here the author makes clear, that the social policies of the Third Reich did not facilitate the redistribution of financial burdens, but rather economic preparations for war, the militarisation of the population, the creation of a Volksgemeinschaft through inclusion and exclusion, propaganda and finally political indoctrination.

Hubert Wolf, Verschlossen, verwechselt, verlegt, verbrannt. Das Schicksal der Weihnachtsansprache Pius’ XII. von 1942

Die Weihnachtsansprache von 1942 gilt als der einzige Text, in dem sich Papst Pius XII. öffentlich zum Holocaust geäußert hat. Nach der Öffnung der vatikanischen Archive im März 2020 ist es möglich, die mehrstufige Textgenese vom ersten deutschen Entwurf aus der Feder des Sozialethikers Gustav Gundlach bis zur gedruckten italienischen Endfassung nachzuvollziehen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Passage, die auf die Shoah bezogen werden kann, auf Pius XII. selbst zurückgeht und welche Umstände den Papst dazu brachten, seine lang andauernde Zurückhaltung aufzugeben. Schließlich geht es um die Begriffs- und Rezeptionsgeschichte des Texts: Wie wurde er verstanden, und wen sprach der Papst an? Da-bei fällt auch ein kritischer Blick auf den Umgang des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft mit vatikanischen Quellen.

Hubert Wolf, Sealed Off, Misidentified, Misplaced, Burnt. The Fate of the 1942 Christmas Address by Pope Pius XII

The 1942 Christmas Address is seen as the only text, in which Pope Pius XII publicly commented on the Holocaust. After the opening of the Vatican Archives in March 2020 it has become possible to retrace the genesis of the text from the first German draft by social ethicist Gustav Grundlach to the final printed Italian version. Here the central question is, whether the passage, which can be related to the Shoah, can be traced back to Pius XII himself and which circumstances made the Pope drop his long-lasting restraint. Finally, the conceptual and reception history is covered. How was it understood, and who was the Pope addressing? Here some critical attention is also directed at the handling of Vatican sources by the Pontifical Committee for Historical Sciences.

Podium

Podium Zeitgeschichte: Islam und internationale Politik. Neue Perspektiven auf die Zeitgeschichte des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Kaltem Krieg und Dekolonialisierung

Die Geschichte des Islam – seine Rolle als Faktor internationaler Politik und transnationaler Verflechtung – spielt in der deutschen und europäischen Zeitgeschichtsforschung bislang nur eine marginale Rolle. Das Podium Zeitgeschichte unternimmt den Versuch einer „De-Provinzialisierung“ des Islam und bringt ihn mit ideengeschichtlichen Universalismen und Traditionen ins Gespräch, die von der bisherigen Forschung überwiegend westlich-europäisch konnotiert werden. Dazu zählen Debatten um Islam und Nation im Dekolonialisierungsprozess (Matthieu Rey) ebenso wie konkurrierende Vorstellungen der Vereinbarkeit von Islam und säkularem Sozialismus (Manfred Sing). Hatem Elliesie befasst sich mit islamischen Menschenrechtsverständnissen und ihrem Verhältnis zu westlichen Deutungskonzepten. Den Abschluss bildet Esther Möllers Beitrag zu Konzepten und Praktiken humanitärer Hilfe islamisch geprägter Organisationen im Spannungsfeld von arabischem Nationalismus, Dekolonisation und Kaltem Krieg.

Contemporary History Podium: Islam and International Politics. New Perspectives on the Contemporary History of the Middle East between the Cold War and Decolonialisation

The history of Islam – its role as a factor in international politics and transnational interdependence – so far only plays a marginal role in German and European contemporary historiography. The Contemporary History Podium attempts a “de-provincialisation” of Islam and lets it enter into a dialogue with universalisms and traditions from the history of ideas, which so far have mostly been connoted as Western-European by research. These include debates on Islam and nationhood in decolonisation processes (Matthieu Rey) as well as competing notions of the compatibility of Islam and secular socialism (Manfred Sing). Hatem Elliesie deals with Islamic understandings of human rights and their relationship with Western patterns of interpretation. The concluding contribution by Esther Möller covers concepts and practices of humanitarian help by organisations characterised as Islamic in the interplay between Arab nationalism, decolonialisation and the Cold War.

VfZ-Schwerpunkt

Amanda Eubanks Winkler, Der Thatcherismus und Andrew Lloyd Webbers Musicals

Dieser Aufsatz umreißt die zentralen Grundsätze des Thatcherismus und geht der Frage nach, ob und wie sie in Andrew Lloyd Webbers Œuvre der 1980er Jahre inszeniert wurden. Die Autorin konzentriert sich auf drei Musicals, die oft mit Thatcheristischer Ästhetik in Verbindung gebracht wurden: „Cats“ (1981), „Starlight Express“ (1984) und „Das Phantom der Oper“ (1986). Der Beitrag zeigt, wie die Musiksprache und Dramaturgie dieser Musicals an größeren kulturellen, vom Thatcherismus geprägten Diskursen partizipierten, die „traditionelle Werte“ lobten und von einer „glorreichen“ britischen Vergangenheit schwärmten, die ihre Stimme gegen Elitedenken erhoben und die die Wahrnehmung der Rolle des Staats und die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat verschoben.

Amanda Eubanks Winkler, Thatcherism and Andrew Lloyd Webber’s Musicals

This article delineates the key tenets of Thatcherism and considers the ways they might be enacted in Andrew Lloyd Webber’s 1980s oeuvre. The author focusses on three shows that have often been linked with Thatcherite aesthetics: “Cats” (1981), “Starlight Express” (1984), and “The Phantom of the Opera” (1986). The article demonstrates how the musical language and dramaturgy of these musicals participated in larger cultural discourses shaped by Thatcherism, discourses that lauded “traditional values” and a “glorious” British past, that bridled against elitism, and that shifted the perception of the role of government and the relationship between the individual and the state.

VfZ-Online

Neu: VfZ-Suchtool, „Ins Heft gezoomt“ und ergänzende Materialien zu drei Aufsätzen in der Juli-Ausgabe

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