H-Soz-u-Kult: Review-Symposium zu
Dietz, Burkhard; Gabel, Helmut; Tiedau, Ulrich (Hrsg.): Griff nach dem Westen. Die 'Westforschung' der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum 1919–1960, (= Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas 6), Münster: Waxmann Verlag 2003. ISBN 3-8309-1144-0; 1260 S.; 2 Bände; EUR 74,00.
Moderation des Symposiums: Matthias Middell, Vera Ziegeldorf
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Frage nach der Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes durch die deutschen Historiker und den Kontinuitätslinien deutscher Historiographie über staatliche Zäsuren hinweg ist bis heute ein aktuelles Thema. Dabei wird zwar der generelle Forschungsbefund einer “Legitimationswissenschaft“ kaum bestritten, doch besteht unter anderem Uneinigkeit hinsichtlich des Ausmaßes und der Konsequenzen dieses Engagements und dessen Bedeutung. Dass eine kritische Aufarbeitung der Verwicklungen lange Zeit nicht erfolgte, steht im ursächlichen Zusammenhang mit personellen und institutionellen Kontinuitäten im (west-)deutschen Universitätsbetrieb. In den vergangenen Jahren hat die Auseinandersetzung mit der Schuld der Historiker dagegen enorm zugenommen. Auf dem 42. Deutschen Historikertag 1998 wurde die Rolle der Historiker im Nationalsozialismus und die Rolle der Ost- und Westforschung erstmals mit großer Resonanz in einem solchen Kontext diskutiert. H-Soz-u-Kult hat bereits mehrfach der Diskussion dieses Themas Raum gegeben, und die Redaktion hat sich in Fortführung dieses Bemühens entschlossen, eine Neuerscheinung zum Anlass für die Erörterung weiterer Fragen zu nehmen.
Die bis heute kontrovers diskutierten Fragen nach Kontinuität, Diskontinuität, Ursprung und Bedeutung des Verhaltens von Geisteswissenschaftlern im NS-Regime werden von den Herausgebern und Autoren des kürzlich erschienenen Sammelbandes “Griff nach dem Westen. Die 'Westforschung' der völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum 1919–1960” wieder aufgegriffen. Die Vielzahl von Beiträgen dieses Bandes, aber auch das zeitgleiche Erscheinen weiterer Veröffentlichung etwa zur deutschen Ostforschung legen eine Betrachtungsweise nahe, bei der nicht allein die Details anhand einer einzelnen Publikation erörtert werden. Vielmehr halten wir es für gerechtfertigt, auf das Symptomatische der Diskussion hinzuweisen. Wofür steht die Konjunktur des Interesses an der Entwicklung deutscher Humanwissenschaften im NS-Regime, was beflügelt sie, welche Wirkungen kann sie für die aktuelle Konzipierung und Praxis von Geschichtswissenschaft haben? Wir wollen ganz bewußt dieses Review-Symposion dazu nutzen, über diese weiterführenden Fragen eine Diskussion anzustoßen. Hierzu werden einige Beobachtungen und Problematisierungen des gegenwärtigen Interesses an der Wissenschaftsszenerie der dreißiger und vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts dem Symposium durch die einleitenden Bemerkungen von Matthias Middell vorangestellt.
Dankenswerter Weise sind einige kompetente und mit dem Thema vertraute Fachkollegen der Einladung der Redaktion gefolgt und haben uns ihre Kommentare zu dieser Publikation als Rezension, übergreifende Betrachtungen oder punktuelle Besprechungen einzelner Artikel zukommen lassen: Otto Dann (Köln), Hans Derks (Amsterdam), Jost Dülffer (Köln), Thomas Etzemüller (Tübingen), Manfred Hettling (Halle), Willi Oberkrome (Freiburg i. Br.), Peter Schöttler (Berlin) und Christoph Strupp (Washington, D.C.).
Wie bei einer "realen" Veranstaltung wird das Symposium aus einer Abfolge von "Vortragstexten" und Diskussionsbeiträgen bestehen. Das Forum wird am 12.05.2003 mit den einleitenden Beobachtungen von Matthias Middell und dem Beitrag von Peter Schöttler eröffnet. Zudem kann eine Präsentation der Publikation durch die Herausgeber auf den Internetseiten von H-Soz-u-Kult eingesehen werden. Diese Beiträge sollen dann die Grundlage für die in der kommenden Woche folgende, offene Diskussion zwischen "Publikum" und "Podium" darstellen, wobei alle Beiträge von der Redaktion jeweils gebündelt und an einem der nächsten Tage veröffentlicht werden. Zuschriften können auf Deutsch, Englisch oder Französisch erfolgen. Alle veröffentlichten Beiträge werden aktuell auf der Website von H-Soz-u-Kult zur Verfügung stehen, so dass ein Einstieg in die Diskussion auch für Nicht-Abonnenten jederzeit möglich ist: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de
Die Redaktion ist jederzeit für weitere Themenvorschläge und Anregungen von Seiten interessierter Leser/innen von H-Soz-u-Kult offen.
Wir freuen uns auf eine interessante und anregende Diskussion.
Im Namen der H-Soz-u-Kult-Redaktion
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Middell und Vera Ziegeldorf
Alle Diskussionsbeiträge (Deutsch, Englisch oder Französisch) an:
hsk.rezensionen
Programm:
Montag 12.05.2003
Ankündigung des Review-Symposiums
Beobachtungen und Problematisierungen zur völkisch-nationalistischen Historiographie in Deutschland
Dr. Matthias Middell, Leipzig
Präsentation der Herausgeber: „Griff nach dem Westen: Der Benelux-Raum und die ‚Westforschung‘“
Dr. Burkhard Dietz, Dr. Helmut Gabel, Ulrich Tiedau
„Der Tunneleffekt der Wissenschaft“
Prof. Peter Schöttler, Berlin
Dienstag 13.05.2003
„Westforscher waren keine Vordenker der Vernichtung“
Dr. Christoph Strupp, Washington, D.C.
„Das qualvolle Drangsalieren der ‚germanischen Brüdervölker’”
Dr. Willi Oberkrome, Freiburg/Br.
Mittwoch 14.05.2003
“Deutliche direkte institutionelle und politische Wirkungen”
Prof. Jost Dülffer, Köln
“Die ‘Relativierung’ der Einmaligkeit?”
Dr. Thomas Etzemüller, Tübingen
Donnerstag 15.05.2003
„Der Weg vom Gedanken zur Tat“
Prof. Manfred Hettling, Leipzig
„Kontinuitäten deutscher Westforschung“
Dr. Hans Derks, Amsterdam
Freitag 16.05.2003
„Eine Raketen-Laufbahn ohne Ziel und Ende”
Prof. Otto Dann, Köln
Methodische Innovation trotz politischer Instrumentalisierung?
Dr. Martina Pitz
Diskussion:
Mittwoch 21.05.2003
Diskussionsbeitrag von Dr. Jörg Hackmann, Greifswald
Donnerstag 22.05.2003
Diskussionsbeitrag von Prof. Christian Lübke, Greifswald
Mittwoch 28.05.2003
Diskussionsbeitrag von Klaus Popa
Mittwoch 04.06.2003
Diskussionsbeitrag von Dr. Ingo Haar, Berlin
Montag 07.07.2003
Diskussionsbeitrag der Herausgeber Burkhard Dietz, Helmut Gabel und Ulrich Tiedau
Abschließende Redaktionsnotiz von Matthias Middell und Vera Ziegeldorf
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