Kategorie Alte Geschichte

Von
Udo Hartmann

Essay von Udo Hartmann, Humboldt-Universität zu Berlin

Blickt man auf die Ergebnisse des HSK-Buchpreises, dann brachte das Jahr 2004 für die Alte Geschichte offenbar einen sehr reichen Ertrag, sowohl im Hinblick auf die Vielfalt an Themen und Fragestellungen als auch mit Blick auf die wissenschaftlichen Ergebnisse: Die zehn bestplatzierten Bücher spiegeln zum einen die ganze Breite des Faches wider, von der archaischen und klassischen Polis (mit dem beeindruckenden, von Mogens Herman Hansen und Thomas Heine Nielsen herausgegebenen "Inventory of archaic and classical poleis") bis zur Spätantike (mit Werner Ecks umfangreicher Geschichte Kölns in römischer Zeit 1 und Johannes Hahns "Gewalt und religiöser Konflikt"2). Zum anderen zeigen sich in der Auswahl der Jury sehr deutlich zwei sich in den letzten Jahren immer mehr verstärkende Tendenzen bei den Wissenschaftsverlagen: Einerseits soll ein möglichst breites Publikum mit Büchern zu den gängigen Themen der Alten Geschichte angesprochen werden, vorzugsweise mit klassischen Biografien zu den großen Männer der Antike, wofür die nominierte Arbeit von Karl Christ zu Pompeius ein gelungenes und Robin Lane Fox' Neuausgabe seiner opulenten Biografie Alexander des Großen, die Klett-Cotta pünktlich zu Oliver Stones Alexanderfilm herausbrachte 3, ein weniger geglücktes Beispiel darstellt. Andererseits sollen Studierende mit kurzen und kürzesten Einführungen in einzelne Themenbereiche versorgt werden, wofür exemplarisch die Reihe "Geschichte Kompakt" der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft stehen kann, in der bis auf eine kurze Auswahlbibliografie auf einen wissenschaftlichen Apparat vollständig verzichtet wird. Die Reihe ist hier durch Michael Sommers griffig und anschaulich geschriebene Einführung in die Soldatenkaiserzeit vertreten.4

Angeführt wird die Liste des HSK-Buchpreises aber von einer Auswahl aus den aktuellen Studien mit neuen und innovativen Zugriffen auf die bekannten Quellen der Antike: Winfried Schmitz nimmt in "Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft im archaischen und klassischen Griechenland" die bei antiken griechischen Autoren und daher auch in der modernen Forschung vernachlässigten sozialen Institutionen zwischen dem griechischen Oikos und der Polis in den Blick: die Nachbarschaft in den bäuerlichen Gesellschaften und die Dorfgemeinschaft.5 Schmitz untersucht die bäuerliche Lebensweise und die Bedeutung der Nachbarschaft seit homerischer Zeit, die Mechanismen zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung in der dörflichen Gesellschaft sowie den Wandel der Dorfgemeinschaft in der klassischen Zeit: Die durch persönliche Beziehungen geprägte bäuerliche Nachbarschaft und die Dorfgemeinschaft hätten sich in dieser Periode zur politischen Institution, zum demos, zur Dorfgemeinde gewandelt. Die Entstehung der städtischen Lebensform sei zudem mit einer Abkehr von den Prinzipien bäuerlicher Lebensweise einhergegangen. Zu Recht vergab die Jury an diese Arbeit zusammen mit Karl-Joachim Hölkeskamps Band "Senatus Populusque Romanus", der neun seiner zwischen 1988 und 2001 erschienenen Studien zur Verfassung der römischen Republik vereinigt 6, den dritten Platz.

Nicht die vielfach untersuchte Geschichte der römischen Republik selbst, sondern ihre Gedächtniskultur, die Frage, wie die Römer ihre eigene Geschichte konstruiert haben, ist Thema von Uwe Walters ungemein materialreicher und anregender Arbeit "Memoria und res publica". Er untersucht zu einem die Medien und Formen der Bildung und Bewahrung einer geschichtlichen Vergangenheit im republikanischen Rom, die Identität stiften, aber auch politisch instrumentalisiert werden konnte. Er zieht dabei einen Bogen von der mündlichen Kommunikation im Haus über Grabbauten, Denkmäler und Gedächtnisorte bis hin zur Geschichtsschreibung. Zum anderen wendet er sich aber auch den Inhalten dieser Geschichtskultur zu, den exempla, den Beispielen berühmter Männer aus der ruhmreichen Vergangenheit. Erstmals umfassend die Ausformung einer römischen Geschichtskultur ins Zentrum der Betrachtung gerückt zu haben, ist das Verdienst Uwe Walters, welches die Jury mit "Silber" honorierte.

Den ersten Platz vergab die Jury an die interessante Studie "Gewalt und religiöser Konflikt" von Johannes Hahn, der exemplarisch die Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches im 4. und beginnenden 5. Jahrhundert untersucht.7 Sah man bisher dieses Zeitalter vor allem als von religiöser Gewalt gekennzeichnet, streicht Hahn nun in seiner detaillierten Studie heraus, dass Gewalt zwischen einzelnen religiösen Gruppen eher die Ausnahme als die Regel darstellte und dass die Konflikte im allgemeinen nicht primär aus religiösen Gründen ausbrachen, sondern zumeist politisch, ökonomisch, sozial oder ethnisch motiviert waren. Vor allem am Beispiel Antiochias kann Hahn ein zumeist friedliches Miteinander von Heiden, Christen und Juden erweisen. Das Ende des Heidentums war hier nicht Ergebnis eines gewaltsamen Vorgehens gegen Heiden, sondern resultierte eher aus der religiösen Indifferenz der Honoratioren. Die drei ersten Plätze liegen in der Wertung der Jury sehr dicht beieinander; dies ist zweifellos ein Ausdruck dafür, dass sie alle durch stupende Gelehrsamkeit, innovative und interessante Ansätze, neue Blickwinkel auf bekannte Quellen und Fakten sowie diskussionswürdige Thesen herausragen und der weiteren Forschung neue Impulse verleihen werden. So kann ich mich in jedem Fall der Leseempfehlung der Jury nur anschließen.

Anmerkungen:
1 Vgl. die Rez. von Ulrich Lambrecht, H-Soz-u-Kult, 02.05.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-078>.
2 Vgl. die Rez. von Monika Schuol, H-Soz-u-Kult, 29.11.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-4-144>.
3 Vgl. die Rez. zu Christ von Klaus-Peter Johne, H-Soz-u-Kult, 26.09.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-184> und die zu Lane Fox von Konrad Vössing, H-Soz-u-Kult, 17.05.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-2-114>.
4 Vgl. die Rez. von Udo Hartmann, H-Soz-u-Kult, 06.04.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-2-014>.
5 Vgl. die Rez. von Elke Hartmann, H-Soz-u-Kult, 05.09.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-136>.
6 Vgl. die Rez. von Altay Coskun, H-Soz-u-Kult, 25.07.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-054>.
7 Vgl. die Rez. von Konrad Vössing, H-Soz-u-Kult, 12.09.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-3-155>.

Zitation
Kategorie Alte Geschichte, In: H-Soz-Kult, 08.10.2005, <www.hsozkult.de/text/id/texte-654>.
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