Cover
Titel
Die Soldatenkaiser.


Autor(en)
Sommer, Michael
Reihe
Geschichte Kompakt
Erschienen
Anzahl Seiten
VII, 136 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Udo Hartmann, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Einführungen in historische Themen haben Konjunktur. Um so erfreulicher ist es, dass in der neuen Reihe "Geschichte Kompakt - Antike" der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft nicht nur die häufig dargestellten Standardthemen der Lehre wie das klassische Athen oder die römische Republik, sondern auch weniger beachtete Randthemen Aufnahme finden: So liegt nun nach Karen Piepenbrinks Einführung zu Constantin dem Großen eine Darstellung zur Soldatenkaiserzeit vor. Dies ist um so bemerkenswerter, als Sommers Monografie die erste zusammenfassende Arbeit zu dieser Periode der römischen Geschichte im deutschsprachigen Raum seit den Werken Altheims aus den 30er, 40er und 50er-Jahren darstellt.1 Aber auch in der angelsächsischen und französischen Forschung liegen kaum moderne Zusammenfassungen auf neuerem Forschungsstand vor, herausragend ist hier lediglich Christols Darstellung der Periode zwischen 192 und 325 von 1997.2 Dabei stellt die Soldatenkaiserzeit zwischen dem Regierungsantritt des Maximinus Thrax (235) und dem des Diocletianus (284) eine überaus interessante Periode der römischen Geschichte dar: Unter dem Druck der Einfälle an der Nordgrenze und im Orient geriet das Reich in eine langanhaltende und tiefe Krise, die zu umfassenden Veränderungen der staatlichen Strukturen und der Gesellschaft führte. Die Fülle an Daten und Fakten zu der turbulenten Zeit, die äußerst schlechte Quellenlage und schließlich die unübersehbar gewordene Forschungssituation machen jedoch eine zusammenfassende Darstellung zu einem Wagnis.

Sommer hat sich diesem Wagnis gestellt: Er schildert in griffiger Form die Ereignisgeschichte, gibt einen Überblick zu den neuen Stämmen an Rhein und Donau sowie zu den Sasaniden und stellt die Probleme der Herrscherwechsel, die Herausbildung der Sonderreiche und die Veränderungen in Wirtschaft, Staat, Heer, Gesellschaft und Religion vor. Seine Arbeit beruht dabei durchwegs auf dem neuesten Forschungsstand. Der umfangreiche Stoff wird in stark geraffter Form auf gut 130 Seiten dargestellt. Der Leser verliert trotz der Fülle an Details nicht den Überblick, da der Text übersichtlich gegliedert ist und Sommer zudem aus dem vielfältigen Material eine ausgewogene Auswahl getroffen hat. Randüberschriften erleichtern die Orientierung. Der leicht faßlich geschriebene Text wird durch eingefügte Begriffserklärungen und Quellentexte in Übersetzung aufgelockert.

Die Reihe "Geschichte Kompakt" möchte Studierenden Einführungen in historische Themen zur Verfügung stellen. Daher wird hier - sieht man von der Auswahlbibliografie ab - auf einen wissenschaftlichen Apparat vollständig verzichtet. Ein Lamento über die immer stärker verbreitete Einstellung der Wissenschaftsverlage, Studierende seien nicht in der Lage, Einführungen mit Anmerkungen zu verarbeiten, ist sicher fruchtlos. Dennoch bleibt festzuhalten: Ohne Nachweise kann der Leser weder die Quellen nachschlagen noch sich in der Forschung orientieren. Im Fall einer Einführung in die Soldatenkaiserzeit ist dies überaus problematisch: Zum einen sind die Quellen für die Periode sehr breit gestreut; die Palette reicht von der Historia Augusta über schon weniger bekannte Byzantiner wie Petrus Patricius oder Zonaras bis zu "Exoten" wie dem arabischen Historiker Tabari oder der dreisprachigen Inschrift Shapurs I. Zum anderen gibt es nur wenige Perioden der Geschichte des römischen Kaiserreiches, in der derart viele, auch grundlegende Fakten in der Forschung umstritten sind: Für die Einfälle der Ostgermanen in den 250er und 260er-Jahren gibt es beispielsweise weder zur Anzahl noch zur Datierung eine auch nur halbwegs verbindliche communis opinio. Shapurs erster Zug nach Syrien wird in der Forschung in das Jahr 252, 253 oder 256 datiert. Gerade für Leser ohne Vorkenntnisse ist somit Verwirrung beim Blick in unterschiedliche Gesamtdarstellungen kaum zu vermeiden. Daher sind Hinweise auf unterschiedliche Forschungspositionen unabdingbar. Wie man ein vernünftiges Maß an Nachweisen auch in eine Einführung einbauen kann, zeigt Christol meisterhaft.

Sommer sind diese konzeptionellen Vorgaben natürlich nicht anzulasten. Ihm gelingt es in seiner Darstellung durchaus hervorragend, "Orientierungswissen über die Epoche" zu vermitteln (S. 1). Im Kapitel "Historische Voraussetzungen" (S. 3-12) erläutert Sommer den Begriff des Prinzipats und die Grundzüge der staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen des Kaiserreiches, im Quellenkapitel (S. 13-22) stellt er die wichtigsten Autoren und ihre Werke vor 3 und erläutert die Bedeutung von Inschriften, Papyri, Münzen und archäologischen Quellen. Als "Vorspiel" zum ereignisgeschichtlichen Hauptkapitel "Das Drama und seine Akteure" referiert Sommer dann die Grundzüge der Severerzeit (S. 23-29). Als Charakteristika der Periode von Maximinus Thrax bis Philippus Arabs, dem ersten "Akt" (S. 29-42), hebt er die verstärkten Krisensymptome und die Kontinuitäten zur Severerzeit hervor. Sommer erörtert ausführlich die Hintergründe der zahlreichen Herrscherwechsel. Breit bespricht er beispielsweise die Machtübernahme des Maximinus und das Sechskaiserjahr (238). Überzeugend wird dabei das "multifaktorielle Beziehungsgeflecht" (S. 33) herausgearbeitet und ein differenziertes Bild der einzelnen an den Kämpfen beteiligten Einflußgruppen gezeichnet.4 Problematisch ist die Heranziehung der gefälschten Inschrift des Timesitheus aus der Historia Augusta (v. Gord. 27,10), die zur Erläuterung seiner Stellung genutzt wird (S. 38).5 Philippus sei an die Macht gekommen, als das Heer "bei Ktesiphon tief im Feindesland stand" (S. 39). Gordian III. zog aber nur bis Mesiche am Euphrat, wo die entscheidende Niederlage gegen Shapur stattfand; er starb auf dem Rückzug. Neben den von Sommer referierten Versionen zum Ende Gordians, dem Komplott des Philippus (so die meisten westlichen Quellen) und dem Tod in der Schlacht (so die RGDS), berichten byzantinische Quellen auch vom Unfalltod Gordians im Perserzug (Zon. 12,17 p. 580,7-14; Syn. Sath. p. 36,17-19). Während Sommer sich der ersten Version von der Verschwörung anschließt, ist es m.E. wahrscheinlicher, dass die westlichen Quellen hier den ohnehin schlecht beleumundeten Philippus anschwärzten: Gordian starb wohl an den Folgen einer Verletzung in der Schlacht, es handelte sich also gerade nicht um eine "klassische Usurpation" (S. 39).6

Im zweiten "Akt" beschreibt Sommer den Höhepunkt der Reichskrise von Decius bis Gallienus (S. 42-54). Das politische System des Prinzipats habe sich in dieser Periode den veränderten Herausforderungen immer weniger gewachsen gezeigt. Ein paar Punkte seien herausgegriffen: Sommer schließt sich den Überlegungen Potters an (S. 41, 43, 46f.), der einen Aufstand des später zu Shapur geflohenen antiochenischen Decurionen Mareades unter Decius postuliert, bei dem auch die kappadokischen Städte Tyana und Caesarea erobert wurden. Sommer spricht gar von einer "Usurpation" unter Decius. Potter stützt sich aber einzig auf eine problematische Passage im 13. Sibyllinischen Orakel (13,89-100), in der die Taten eines "syrischen Räubers" beschrieben werden.7 Ganz abgesehen davon, dass es nicht unproblematisch ist, die Orakelverse als eindeutige historische Berichte zu interpretieren, liegt an dieser Stelle wohl eher eine Anspielung auf den Usurpator Iotapianus unter Philippus und Decius vor, der aus Syrien kam und auch in Kappadokien herrschte. Der "syrische Räuber" ist zudem nicht mit dem "Flüchtling aus Rom" (13,122-130) identisch, der zusammen mit den Persern Syrien unter Gallus überfällt - eine Anspielung auf Mareades. Über Aktivitäten des Mareades in Kappadokien unter Decius erfahren wir in anderen Quellen nichts. Nach Malalas floh er vielmehr wegen Unterschlagung aus Antiocheia Anfang der 250er-Jahre direkt zu Shapur und kehrte mit ihm 253 nach Syrien zurück. Er half dem König bei der Einnahme Antiocheias, einen Augustus-Titel führte er nie.8

Die Datierung von Shapurs erstem Zug nach Syrien ist ein schwieriges Problem, der Zusammenhang mit der Usurpation des Uranius Antoninus, der sich vor Emesa dem Sasaniden entgegenstellte und dessen Herrschaft durch Münzprägung in das Jahr 253/54 zu datieren ist, spricht aber für einen Einfall im Jahr 253. Da Sommer indes die von Potter angenommene Datierung in das Jahr 252 präferiert, gleichzeitig aber am Zusammenhang mit Uranius Antoninus festhalten möchte, muss er für die Gegenwehr den langen Zeitraum von 252/53 annehmen (S. 47). Soll Shapur in Syrien überwintert haben? Dies ist wenig wahrscheinlich.9 Im Zusammenhang mit den Germaneneinfällen des Jahres 259/60 und der Usurpation des Postumus wäre ein Hinweis auf den nur aus dem Augsburger Siegesaltar (AE 1993, 1231) bekannten Juthungeneinfall nach Italien (259/60) wichtig gewesen. Der Inschriftenfund von 1992 hat unser Wissen zu diesem Krisenjahr entschieden bereichert und eine Flut an Forschungsarbeiten nach sich gezogen. Auch der "Limesfall" erscheint nun in einem neuen Licht: Der Limes wurde nicht überrannt, sondern wohl eher im Zuge innerrömischer Auseinandersetzungen geräumt.10 Die komplizierte Materie der sich gegen Kleinasien richtenden Seezüge der Ostgermanen in den 250er und 260er-Jahren wird von Sommer nur angerissen: Die Seeangriffe der Boraner auf Pityus 253 (Zos. 1,31-32,2) sowie der Goten und Boraner auf Phasis und Trapezus um 256 (Zos. 1,32,2-33) werden gar nicht genannt, der erste große Bithynien-Zug von 259 mit der Einnahme von Chalkedon, Nikomedeia und Nikaia (Zos. 1,34-36,1) sowie der zweiter Zug nach Bithynien und Kleinasien wohl 262 mit der Einnahme von Nikomedeia und Ephesos sowie mit Plünderungen in der Troas, Lydien, Phrygien, Kappadokien und Galatien (SHA v. Gall. 4,7-8. 6,2; Iord. Get. 107-108; Synk. p. 467,1-7) werden nur nebenbei und ohne genaue Ortsangaben erwähnt (S. 49 u. 53). Genauer zu trennen wäre zwischen dem Seezug der Heruler von 267/68 und dem der Goten von 269/70, den Claudius abwehrte (S. 54 u. 57).11

Im dritten "Akt" behandelt Sommer die Zeit von Claudius Gothicus bis Carus (S. 54-67): In dieser Periode übernahmen vor allem illyrische Militärs das Ruder. Grundzüge der späteren tetrarchischen Ära lassen sich bereits erahnen. Die Wechselbeziehung zwischen Barbareneinfällen und "sich überschlagenden Usurpationen" verlor an Dynamik, die Reichseinheit wurde wieder hergestellt (S. 54). Sommer erörtert überzeugend die Machtübernahme des Claudius, die Entwicklungen der beiden Sonderreiche in Gallien und im Orient, die Gotenkämpfe des Claudius und die Züge des Aurelianus gegen die Germanen sowie gegen das palmyrenische und das gallische Reich. Zu Recht streicht er dabei die Politik der clementia heraus, die Aurelianus gegenüber seinen Gegnern in den Sonderreichen anwandte. Nach dem Tod des Aurelianus habe seine Witwe Severina für kurze Zeit die Regentschaft geführt. Die Kämpfe gegen die aufständischen Isaurier 278 leitete nicht Probus selbst, wie Sommer im Anschluss an die falsche Angabe in der Vita des Kaisers (16,4-17,1) schreibt (S. 65), sondern der inschriftlich bezeugte praeses von Lycia-Pampyhlia, Terentius Marcianus. Aus der Historia Augusta (v. Prob. 17,2-3) stammt ebenfalls Sommers Angabe, Probus habe die Blemmyer in Oberägypten geschlagen (S. 65). Auch diese Militäraktion in der ersten Hälfte des Jahres 279 überließ der Kaiser indes seinen Generälen (Zos. 1,71,1). Proculus erhob sich mit Bonosus in Köln (Eutr. 9,17,1; SHA v. Prob. 18,5). Sommer folgt hier dagegen den Fabeleien des Autors der Historia Augusta in den quadrigae tyrannorum (13,1), Proculus sei von den Bürgern Lyons zum Kaiser erhoben worden. Keinen Glauben verdient auch die Nachricht des Autors, Bonosus sei dux limitis Raetici gewesen (quadr. tyr. 14,2).12 Den ereignisgeschichtlichen Überblick schließt ein "Nachspiel" zu Diocletianus und der Tetrarchie ab (S. 68-70), in der Sommer die Bedeutung der Zäsur des Jahres 284 betont.

Unter der Überschrift "Herausforderungen: Die alte Ordnung in der Krise" werden im folgenden Hauptkapitel die Krisensymptome beschrieben (S. 71-92): die Einfälle an den Grenzen, die Krise der staatlichen Strukturen und die Probleme der Wirtschaft. In einem recht weiten Fokus vom 1. bis zum 5. Jahrhundert n.Chr. stellt er in Umrissen die Beziehungen der Römer zu den gentes an Rhein und Donau vor und betrachtet eingehender die im 3. Jahrhundert erstmals den Römern gegenübertretenden Völker und Völkergruppen: Goten, Heruler, Alamannen und Franken.13 Für Sommer vollzog sich die Trennung in Ost- und Westgoten um 291. Ausführlich bespricht er auch den Aufstieg der Sasaniden. Dabei streicht er zu Recht die Kontinuitätslinien zwischen Parther- und Sasanidenreich heraus. Shapurs Züge werden prägnant als "kurzfristig geplante, [...] auf Beute gerichtete Kommandounternehmungen" ohne eine langfristige Strategie charakterisiert (S. 81). Dass Odaenathus mit seinen Gegenangriffen beinahe den "Kollaps des Sasanidenreichs" (S. 80) bewirkt hätte, darf aber bezweifelt werden. Begriffe wie "Manichäismus" und "Zoroastrismus" hätten sicherlich erklärt werden müssen.

Sommer wendet sich danach den inneren Problemen des Reiches zu und erläutert hier vor allem den Begriff der Usurpation. Seine Reduktion des Prinzipats auf ein reines Akzeptanzsystem (S. 5f. u. 82ff.) ist m.E. aber weder für die Kaiserzeit im Allgemeinen, noch für die Soldatenkaiserzeit im Besonderen sinnvoll. Gerade in den Herrscherwechseln dieser Periode zeigt sich die große Bedeutung der dynastisch legitimierten Herrschaft: Zahlreiche Soldatenkaiser versuchten, Dynastien aufzubauen (Maximinus, Philippus, Decius, Valerianus, Tetricus, Carus); das Volk von Rom verlangte 238 neben den beiden Senatskaisern noch einen anderen, dynastisch legitimierten Herrscher: Gordian III. Gallienus konnte sich 260/61 nicht nur dank seines militärischen und politischen Geschicks (S. 84), sondern auch dank seiner dynastischen Legitimität als Kaiser behaupten. Quintillus und Florianus kamen aufgrund ihrer Verwandtschaft (Bruder bzw. Halbbruder) zum verstorbenen Kaiser an die Macht. Durch die Ausblendung des dynastischen Prinzips bleibt die Interpretation der Herrscherwechsel in der Soldatenkaiserzeit somit einseitig. Lehnt man den Begriff der Legitimität für das Kaisertum ab, wird auch ein anderes Phänomen der Soldatenkaiserzeit unverständlich: Warum betrachten alle literarischen Quellen Gallienus als rechtmäßigen Kaiser, Postumus dagegen als tyrannus? Beide wurden von ihren Untertanen als Augusti "akzeptiert", beide regierten über längere Zeiträume, beiden gelang es nicht, sich in der "Entscheidung zwischen Amtsinhaber und Prätendent" (S. 82) durchzusetzen, für Sommer die einzig sinnvolle Möglichkeit, einen Usurpator von einem rechtmäßigen Kaiser zu scheiden. Postumus überlebte Gallienus sogar. Neben die Akzeptanz durch die relevanten Gruppen tritt hier also ein klares Legitimitätskriterium: die Anerkennung durch den Senat in Rom. Diese ist zwar im 3. Jahrhundert nur noch bloße Formsache, doch solange der Prätendent sie nicht hat, wird er auch nicht als rechtmäßiger Kaiser angesehen. Im nächsten Kapitel erläutert Sommer die wirtschaftlichen Probleme im 3. Jahrhundert: die Münzverschlechterung, die Finanzkrise und die sozialen Konflikte, vor allem am Beispiel der Ereignisse in Africa im Jahr 238. Ausgewogen urteilt er über das Ausmaß der Wirtschaftskrise, die keinesfalls alle Teile des Reiches erfasst habe. In Europa sei jedoch ein Rückgang des Urbanisierungsgrades zu verzeichnen.

Das nächste Hauptkapitel "Antworten: Eine neue Ordnung zeichnet sich ab" (S. 93-122) stellt exemplarisch einige Versuche der Soldatenkaiser dar, mit Reformen und strukturellen Veränderungen Wege aus der Reichskrise zu finden. Das Militär sei grundlegend umstrukturiert worden; der Militärapparat sei professionalisiert, starre Strukturen aufgebrochen worden. Die Kaiser hätten dabei jedoch über keine weitreichende Strategie verfügt, ihre Reformmaßnahmen seien eher als unkonventionelles Handeln in einer Notsituation, als "permanentes Krisenmanagement" (S. 97), als meisterhafte Improvisation zu verstehen. Sehr überzeugend streicht Sommer die besondere Funktion der Sonderreiche im 3. Jahrhundert heraus, die "als regionale Initiativen zur Selbstverteidigung" (S. 98) die Regionalisierung des Reiches in der Spätantike durch die "Bildung sekundärer Machtzentren" (S. 107) vorbereiteten. Dabei erläutert er auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede von palmyrenischem Teilreich und gallischem Sonderreich.14 Dass Odaenathus aber "imperiale Ambitionen" im Osten hatte, Shapur gar als rex regum verdrängen wollte (S. 102), bleibt doch mehr als zweifelhaft. Danach erläutert Sommer die Veränderungen in der Verwaltung und der Gesellschaft, die Systematisierung und Rationalisierung des Steuerwesens, das Kolonat, den Aufstieg der Ritter. Der Charakter der Verwaltungsreform des Gallienus, durch die nun immer häufiger Ritter als Statthalter in kaiserlichen und senatorischen Provinzen eingesetzt wurden, hätte unter Rückbezug auf die Armeereform deutlicher erläutert werden können. Einer weiteren Antwort auf die Frage nach den Wegen aus der Krise widmet sich der letzte Abschnitt: "Auf der Suche nach Legitimität: Ansätze zu einer religiösen Fundierung des Kaisertums" (S. 114-122): Hier erläutert Sommer Bemühungen der Soldatenkaiser, durch Kaiserkult und reichsweite Kulte ihrer Herrschaft eine neue Legitimität zu verschaffen und sie damit zu stabilisieren: zum einen das Opferedikt des Decius, zum anderen den Kult des Sol invictus des Aurelianus, dessen Herkunft Sommer in Palmyra vermutet.

In der zusammenfassenden "Bilanz einer Epoche" (S. 123-128) streicht Sommer die tiefgreifenden Veränderungen in den Strukturen und der Gesellschaft des Reiches im Verlauf des 3. Jahrhunderts heraus und bemüht sich um eine differenzierende Betrachtung des Begriffs der "Reichskrise": Eine alle Bereiche umfassende "Weltkrise" habe es nicht gegeben, wohl aber eine "kombinierte militärische, politische und fiskalische Krise" (S. 126). Der "Teufelskreis" der Krisenfaktoren sei durch den Druck auf die äußeren Grenzen ausgelöst worden, "Autoritätsverfall des Kaisertums", Usurpationen und Steuerdruck seien die Folgen gewesen (S. 127). Anzeichen für eine Krisenwahrnehmung lassen sich nach Sommer im zeitgenössischen Schrifttum aufzeigen.15 Das Prinzipat hätte in dieser Periode seine "Reformbedürftigkeit" erwiesen, worauf die Soldatenkaiser "in der ihrer militärisch geprägten Mentalität eigenen Programmatik" reagiert hätten (S. 127). Das Auseinanderfallen des Reiches sei durch ihr Wirken verhindert worden.

Der Anhang bietet eine kurze "Auswahlbibliographie" (S. 129-132) mit den wichtigsten Quelleneditionen und Forschungsarbeiten, geordnet nach den einzelnen Kapiteln und vielfach mit kurzen Kommentaren versehen, sowie ein Register (S. 133-136). Eine solche Literaturauswahl ist sicherlich immer subjektiv, einige einschlägige Standardarbeiten sollten hier aber doch ergänzt werden.16 Die Karte (S. 2) zeigt lediglich die Grenzen der römischen Provinzen, auf die im Text erwähnten Orte, Flüsse und Völker wurde verzichtet. Unzureichend ist auch die Kaiserliste (S. 23), die die in Rom anerkannten Kaiser Quintillus und Florianus sowie alle Mitregenten und Usurpatoren auslässt, selbst die gallischen Sonderkaiser. Neben einer ausführlichen Kaiserliste wären auch eine Zusammenstellung der sasanidischen Könige und vor allem eine Ereignisliste wünschenswert gewesen, um dem Leser die Orientierung im Dickicht der Fakten zu erleichtern. Bedauerlich ist eine Reihe von kleineren Verschreibungen, Irrtümern und Inkonsistenzen in der Darstellung.17

Der Band umfasst die ganze Breite der Themenbereiche zur Soldatenkaiserzeit. Sommer gibt sowohl zur Ereignisgeschichte als auch zu den strukturellen Veränderungen kurze und prägnante Informationen. Dennoch findet er auch genügend Platz zur Erläuterung der Hintergründe der Ereignisse und der Genese der besprochenen Institutionen und Strukturen, er erweitert zuweilen den Fokus auf die gesamte Kaiserzeit und kann so den Umbruchcharakter der Soldatenkaiserzeit herausarbeiten. Auch den Ereignissen im Orient räumt er breiten Raum ein. Weitgehend ausgeblendet werden lediglich die Entwicklung der christlichen Kirche und die geistesgeschichtlichen Tendenzen. Ausführlich erörtert wird nur die Christenverfolgung des Decius. Die Verfolgung unter Valerianus wird lediglich kurz erwähnt (S. 50 u. 119), die Unterschiede zu der des Decius und die Charakteristika der beiden Edikte des Valerianus werden nicht angesprochen. Auch das Schaffen von Kirchengestalten wie Cyprian oder Origenes wird nicht erörtert. Unerwähnt bleiben schließlich die heidnischen Philosophen und Sophisten des 3. Jahrhunderts, was zumindest bei Plotin äußerst bedauerlich ist: Seine Vita aus der Feder des Porphyrios demonstriert die Lebendigkeit des philosophischen Lebens, sein Werk erweist, dass auch er neue Antworten in einer Zeit des Umbruchs gab.

Sommer bietet eine gelungene Einführung in die Soldatenkaiserzeit. Unter Auswertung der Ergebnisse der neueren Forschung und Einbeziehung unterschiedlichster Quellen zeichnet der Autor ein lebendiges Bild des Römischen Reiches in dieser Krisenzeit, ohne den Leser mit zu vielen Details zu überfordern. Der flüssig und anschaulich geschriebene Text vermittelt somit einen schnellen Überblick über die Epoche und eignet sich trotz der angesprochenen Probleme hervorragend als Einführung für Studierende. Da Sommer die aktuelle Forschungslage zur Soldatenkaiserzeit zusammenfasst und da es bislang an entsprechenden Darstellungen mangelt, wird sicher auch der Forscher das Buch gewinnbringend zur Hand nehmen.

Anmerkungen:
1 Altheim, Franz, Die Soldatenkaiser, Frankfurt am Main 1939; Die Krise der Alten Welt im 3. Jahrhundert n. Zw. und ihre Ursachen, Berlin 1943; Niedergang der Alten Welt, 2 Bde., Frankfurt am Main 1952.
2 Christol, Michel, L'Empire romain du IIIe siècle, Paris 1997.
3 Nach Sommer stammte Herodian "wohl aus Syrien" und schrieb "unter den Gordianen" (S. 13 u. 125): Dass Herodians Werk schon unter Gordian III. veröffentlicht wurde, ist unwahrscheinlich, dafür wird die Dynastie der Gordiani zu negativ dargestellt. Erwogen wird in der Forschung eine Datierung unter Philippus Arabs (so Zimmermann, Martin, Kaiser und Ereignis, München 1999, S. 285ff.) oder Decius (so Alföldy, Géza, Die Krise des Römischen Reiches, Stuttgart 1989, S. 215). Herodians Herkunftsraum ist völlig unsicher, neben Syrien ist Kleinasien und Alexandria diskutiert worden. Am wahrscheinlichsten dürfte aber wohl das westliche Kleinasien sein (vgl. Alföldy, S. 219ff.; Zimmermann, 302f.). Als Zosimos' Quelle (S. 15) für die Zeit nach 270 ist noch Eunap zu ergänzen, diese ist im Gegensatz zum genannten Dexippos gesichert (Phot. bibl. cod. 98).
4 Die breite Erörterung der Alternativen zum Ablauf der Ereignisse des Jahres 238 (S. 36) wirkt in einer Einführung ein wenig unpassend. Sommer übersieht hier zudem zwei Punkte: Maximinus war bereits ein Dynastiegründer, sein erwachsener Sohn trug seit 236 den Titel Caesar. Bei einem Erfolg gegen die Senatskaiser durch einen schnellen Vormarsch auf Rom hätte er also durchaus zu einem "Dynastiegründer vom Schlage eines [...] Septimius Severus" werden können. Auch die "regionale Teilung der Zuständigkeitsbereiche", die laut Sommer zur erfolgreichen Reform des Prinzipats durch Pupienus Maximus und Balbinus notwendig gewesen wäre, ist von den beiden Senatskaisern offenbar bereits geplant worden, zumindest berichtet dies die Historia Augusta (v. Max. et Balb. 13,5: et cum iam paratum esset, ut contra Parthos Maximus proficisceretur, Balbinus contra Germanos, puer autem Gordianus Romae remaneret).
5 Timesitheus wird hier "Misitheus" und eminens vir, nicht eminentissimus genannt, wie es korrekt wäre und wie auch Sommer schreibt. Der Titel eines parens principum (Timesitheus war nur Verwandter eines Kaisers - der Schwiegervater Gordians III.) stellt offenbar eine Anspielung auf Stilicho dar; zur gefälschten Inschrift (eine von 10 in der Historia Augusta) vgl. Kolb, Frank, Untersuchungen zur Historia Augusta, Bonn 1987, S. 68ff. (mit Lit.); Chastagnol, André (Hg.), Histoire Auguste, Paris 1994, S. CXXIV.
6 Vgl. MacDonald, David, The death of Gordian III - another tradition, in: Historia 30 (1981), S. 502-508; Kettenhofen, Erich, Die römisch-persischen Kriege des 3. Jahrhunderts n.Chr., Wiesbaden 1982, S. 31ff.
7 Vgl. Potter, David S., Prophecy and History in the Crisis of the Roman Empire. A Historical Commentary on the Thirteenth Sibylline Oracle, Oxford 1990, 44 u. 268ff., bes. 274f.
8 Mal. 12, p. 295,17-296,10 CSHB (= 12,26, p. 228,51-65 CFHB); vgl. dazu demnächst Hartmann, Udo, Mareades - ein sasanidischer Quisling?, in: Wiesehöfer, Josef (Hg.), Eran ud Aneran, Stuttgart (im Druck); auf Iotapianus bezieht den "Räuber" u.a. Kettenhofen (wie Anm. 6), 84f. Die von Sommer zitierte Passage aus Orac. Sibyll. 13,89-102 berichtet gerade nicht von der Invasion Shapurs 253 (so aber S. 47), sondern von den Taten des "syrischen Räubers". Von einfallenden Persern wird erst später, im Zusammenhang mit dem "Flüchtling aus Rom", gesprochen.
9 Zum Problem der Datierung des Einfalls vgl. Hartmann, Udo, Das palmyrenische Teilreich, Stuttgart 2001, 71f.; zur Datierung ins Jahr 252 vgl. Potter (wie Anm. 7), 290ff., ins Jahr 253 Kettenhofen (wie Anm. 6), 88ff.
10 Zur Inschrift vgl. z.B. Bakker, Lothar, Raetien unter Postumus - Das Siegesdenkmal einer Juthungenschlacht im Jahre 260 n. Chr. aus Augsburg, Germania 71 (1993), S. 369-386; Christol, Michel; Loriot, Xavier, À propos de l'inscription d'Augsbourg, CCG 8 (1997), S. 223-227; Christol, Michel, M. Simplicinius Genialis, ses fonctions (vir perfectissimus, agens vice praesidis), CCG 8 (1997), S. 231-241; Jehne, Martin, Überlegungen zur Chronologie der Jahre 259 bis 261 n.Chr. im Lichte der neuen Postumus-Inschrift aus Augsburg, BVBl 61 (1996), S. 185-206; König, Ingemar, Die Postumus-Inschrift aus Augsburg, Historia 46 (1997), S. 341-354; Schallmayer, Egon (Hg.), Der Augsburger Siegesaltar, Bad Homburg 1995; Schallmayer, Egon (Hg.), Niederbieber, Postumus und der Limesfall, Bad Homburg 1996; Stickler, Timo, Iuthungi sive Semnones, BVBl 60 (1995), 231-249.
11 Vgl. Kettenhofen, Erich, Die Einfälle der Heruler ins Römische Reich im 3. Jh. n. Chr., Klio 74 (1992), S. 291-313.
12 Zum Aufstand in Isaurien und den Kämpfen gegen die Blemmyer vgl. Kreucher, Gerald, Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart 2003, 150ff. u. 155ff.; zu Isaurien vgl. auch Mitchell, Stephen, Cremna in Pisidia, London 1995, 177ff.; zu Proculus und Bonosus vgl. Kienast, Dietmar, Römische Kaisertabelle, 2. Aufl., Darmstadt 1996, 255f.; Kreucher, 166ff.
13 Der von Sommer S. 76 erwähnte Agathias (1,6,3) zitiert die Deutung des Alamannen-Namens aus der Chilieteris des Asinius Quadratus (Jacoby, FGrH 97 F 21), einem Geschichtswerk, das wohl zur Tausendjahrfeier Roms 248 entstand. Die Etymologie war also bereits im 3. Jahrhundert bekannt.
14 Residenz des Postumus war Köln, nicht Trier (S. 104), erst Tetricus zog wohl an die Mosel, vgl. König, Ingemar, Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus, München 1981, 169f.
15 Sommer zieht hier eine Passage aus der Rede Eis basileia heran, um die Zustände unter Philippus Arabs zu illustrieren (S. 125). Hier ist Vorsicht angebracht: Christian Körner (Die Rede Eis basilea des Pseudo-Aelius Aristides, MH 59, 2002, S. 211-228) wendet sich überzeugend gegen eine Identifizierung des Adressaten der Rede mit Philippus und konstatiert, daß "eine definitive Zuweisung letztendlich nicht möglich" sei (S. 227).
16 Vor allem fehlen Hinweise auf die hervorragende Überblicksdarstellung von Christol (wie Anm. 2) und den immer noch grundlegenden Artikel: Loriot, Xavier, Les premières années de la grande crise du IIIe siècle. De l'avènement de Maximin le Thrace (235) à la mort de Gordien III (244), ANRW II 2 (1975), S. 657-787; zu den Quellen vgl. Brecht, Stephanie, Die römische Reichskrise von ihrem Ausbruch bis zu ihrem Höhepunkt in der Darstellung byzantinischer Autoren, Rahden/Westf. 1999; zu Aurelianus Saunders, Randall T., A biography of the emperor Aurelian (A.D. 270-275), Diss. University of Cincinnati, Ann Arbor 1992; zu Probus Kreucher (wie Anm. 12); zu den Kriegen Shapurs Kettenhofen (wie Anm. 6); zur Wirtschaft Witschel, Christian, Krise - Rezession - Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr., Frankfurt a. Main 1999. Für den Tatenbericht Shapurs sollte nun besser auf die Neuausgabe von Philip Huyse von 1999 im Corpus Inscriptionum Iranicarum zurückgegriffen werden.
17 S. 15 wurde der Name des Autors der historia adversum paganos, Orosius, vergessen; S. 36: "238" statt "338"; Decius' Frau heißt Herennia Cupressenia Etruscilla (PIR² H 136), nicht "Cupressiana" (S. 43); Mareades wird von Sommer "Mereades" genannt (S. 41, 43 u. 46f.); S. 59: "271" statt "171"; S. 64: gemeint ist wohl nicht der "Senator des Jahres 273", sondern der consul ordinarius Tacitus; der Anführer der Isaurier heißt "Lydios" (Zos. 1,69,1), nicht "Lydus" (S. 65); S. 78: gemeint sind Artabanos IV. und Vologeses VI., vgl. Wiesehöfer, Josef, Das antike Persien von 550 v. Chr. bis 650 n. Chr., München/Zürich 1994, 406. Beim Artikel von Freyberger über Philippopolis im Sammelband "Stadt und Umland" fehlen die Seitenzahlen (S. 129): S. 263-269. Carus starb schon 283 (S. 23). Barbalissos liegt nicht "am Zusammenfluss von Euphrat und Khabur" (S. 46), sondern entspricht dem heutigen Qal'at Balis, vgl. Kettenhofen (wie Anm. 6), 53. Aureolus' Gentilname ist unbekannt (PIR² A 1672; PLRE I 138), eine Münze mit M. Ael. Aureolus dürfte nicht authentisch sein, vgl. Kienast (wie Anm. 12), 228f. Ein "Manius Acilius Aureolus" (S. 51) war er jedenfalls nicht. Macrianus senior trug keinen Kaisertitel (S. 52), vgl. Kienast (wie Anm. 12), 224f. Die Plünderung Athens durch die Heruler gehört ins Jahr 267 (S. 75). Die sasanidische Eroberung Armeniens wird mal in das Jahr 251 (S. 46), mal (m.E. korrekt) in das Jahr 252 datiert (S. 79). Der Einfall der Franken bis Spanien fällt nach Sommer mal in das Jahr 257/58 (S. 49, 71 u. 76), mal ins Krisenjahr 260 (S. 51). Die Usurpation des Postumus wird mal ins Jahr 261 (S. 51), mal korrekt ins Jahr 260 datiert (S. 93 u. 105). Odaenathus' nur im Palmyrenischen erhaltener Titel wird mal mit restitutor totius Orientis (S. 53), mal (m.E. korrekt) mit corrector totius Orientis (S. 101) übersetzt.

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