W. L. Bernecker u.a.: Geschichte Spaniens

Titel
Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart


Autor(en)
Bernecker, Walther L.; Pietschmann, Horst
Erschienen
Stuttgart 2005: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 44,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Mücke, Seminar für Romanische Philologie, Georg-August-Universität Göttingen

Zwölf Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung ist Ende 2005 die vierte Auflage der Geschichte Spaniens von Walther L. Bernecker und Horst Pietschmann erschienen. Lange Zeit war dieses Buch die einzige Überblicksdarstellung zur neueren spanischen Geschichte in deutscher Sprache, und trotz einiger Neuerscheinungen bildet es weiterhin eine Grundlage für alle, die sich in der Universität mit Spanien beschäftigen. Im Prinzip handelt es sich bei der Geschichte Spaniens um zwei Texte. Im ersten Teil bietet Horst Pietschmann einen Überblick über die Frühneuzeit. Er setzt ein mit einer Überblicksdarstellung zur Iberischen Halbinsel im Spätmittelalter, um dann auf rund 200 Seiten Grundlinien der spanischen Geschichte von den Katholischen Königen bis zur Krise des Ancien Régime Anfang des 19. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Den roten Faden in Pietschmanns Darstellung bildet der in Spanien recht früh einsetzende Staatsbildungsprozess mit den damit verbundenen politischen, administrativen, militärischen, religiösen und ideologischen Entwicklungen. Berneckers Darstellung der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (welche in der neuesten Ausgabe bis ins 21. jahrhundert fortgeschrieben wird) hat ungefähr den gleichen Umfang wie Pietschmanns Teil, setzt den Schwerpunkt aber etwas anders. Ohne dies explizit zu machen, fragt Bernecker in erster Linie nach Erfolg und Scheitern der Modernisierung Spaniens. Als Maßstab scheint man immer eine idealisierte Mischung französisch-englisch-US-amerikanischer Geschichte mitdenken zu müssen. Der modernisierungstheoretische Ansatz führt bei Bernecker dazu, dass sozial- und wirtschaftshistorische Fragen ein größeres Gewicht erlangen als bei Pietschmann.

Seit der 2. Auflage wirbt der Verlag damit, dass der Text "überarbeitet und erweitert" (1997) bzw. "verbessert und aktualisiert" (2000) oder "überarbeitet und aktualisiert" (2005) wurde. Tatsächlich wurde die 2. und 3. Auflage gegenüber der ersten aber nur unwesentlich verändert. Die Aktualisierung (oder Erweiterung) betraf in erster Linie jene Ergänzungen, die angefügt wurden, um die neuesten Entwicklungen in Spanien darzustellen. In der jetzt vorliegenden vierten Auflage sind dagegen erstmals einige weiterführende Änderungen vorgenommen worden. Dies betrifft vor allem den von Pietschmann verfassten Teil. Zwar ist die Gliederung im Großen und Ganzen beibehalten worden, aber bei der Einordnung und Interpretation einzelner Entwicklungen setzt Pietschmann nun den Akzent häufig an anderer Stelle. Die wichtigste Veränderung ist die Einfügung eines Kapitels mit dem Titel "Spanien in der Welt und die Welt in Spanien: Wirkungen und Rückwirkungen vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts". Auf gut 20 Seiten betont Pietschmann hier, dass die frühneuzeitliche Geschichte Spaniens nur in ihren globalen Bezügen verstanden werden kann, da Spanien eben das Zentrum eines Weltreichs war. Das Kapitel ist also eine sehr sinnvolle Ergänzung zu einer sich ansonsten sehr stark auf die iberische Halbinsel konzentrierende Darstellung.

Andere Veränderungen, die lobenswert herausgestellt werden können, betreffen die Illustrationen und die Bibliografie. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Geschichte Spaniens für vermutlich Zehntausende von Studierenden einen ersten Zugang zur spanischen Geschichte darstellt, stellen Abbildungen ein hervorragendes Mittel dar, diesen Zugang zu erleichtern. So ist es zu begrüßen, dass nun erstmals eine wenn auch kleine Zahl von Fotos eingefügt wurde. Die Bibliografie wurde bisher in jedem Band sinnvoll aktualisiert und zeichnet sich durch die breite Berücksichtigung spanischer Titel aus. Dies ist vor allem für die zahlreichen Studierenden des Spanischen sinnvoll. Die größere Aktualität dieser Auflage wird nicht zuletzt durch den neuen Buchumschlag markiert. Die ersten drei Auflagen hatten einen schwarzen Titel, auf dem sich die spanische Flagge wellte und die nicht das Nationalwappen trug. Stattdessen fielen zwei dunkle Schatten auf sie, die man fast als Messer interpretieren konnte. Alles in allem eine furchtbar dunkle Visualisierung Spaniens. Nun ist der Hintergrund weiß, und den Einband prägt Mirós Gemälde "España", welches von der spanischen Tourismusbehörde aufgrund seiner hellen Farben in der Spanienwerbung verwendet wird. Besonders nett ist bei Miró der grüne Farbtupfer im letzten A, wohl als Zeichen für die islamische Tradition (nicht nur) in Andalusien. In jedem Fall spiegelt der Wechsel des Einbands eine Veränderung des Spanienbilds. Aus dem dunklen Reich der Inquisition und des Franquismus ist der freundlich-fröhliche Süden geworden.

Als Geschichte Spaniens 1993 erstmals erschien, war es das einzige dem Stand der Forschung entsprechende Überblickswerk zur neueren spanischen Geschichte in deutscher Sprache. Mittlerweile aber gibt es Alternativen. Zunächst hat Walther L. Bernecker mit zwei kürzeren Texten für Konkurrenz gesorgt, dann erschien die von Peer Schmidt herausgegebene Kleine Geschichte Spaniens im Reclam-Verlag. 1 Die neuen Publikationen unterscheiden sich von der Geschichte Spaniens zunächst vor allem durch ihre Länge, oder besser gesagt: Kürze. Die von Bernecker allein verfassten Überblicksdarstellungen haben nur etwa die Hälfte (Spanische Geschichte, 2002) bzw. ein Viertel (Spanische Geschichte, 1999) des Umfangs der gemeinsam mit Pietschmann verfassten Geschichte Spaniens. Etwas vereinfachend könnte man hier also von Zusammenfassungen der eingeführten Überblicksdarstellung sprechen. Wollen die Leser/innen einen kurzen Überblick von 120 oder 250 Seiten am Stück durchlesen, werden sie sich eher für Bernecker entscheiden, suchen sie einen etwas ausführlicheren Einstieg oder eine Einführung in eine Epoche empfiehlt sich weiterhin Bernecker/Pietschmann. Die von Peer Schmidt herausgegebene Kleine Geschichte Spaniens vertritt dagegen zu Recht den Anspruch, eine andere Perspektive auf die spanische Geschichte zu entwickeln als die Geschichte Spaniens. Zum einen wird bei Schmidt die spanische Geschichte seit der Antike dargestellt und zum anderen sind die Kapitel zu den einzelnen Epochen von unterschiedlichen Autoren verfasst, welche die jeweilige Zeit in Abgrenzung zu anderen Epochen zu charakterisieren versuchen. Auch wenn der geringe Platz in der Reclam-Reihe vielfach zu einer recht engen Beschränkung auf politische Geschichte führt, so hat sich im universitären Unterricht der Vergleich zwischen Darstellungen in Schmidts Kleiner Geschichte Spaniens mit der Geschichte Spaniens (und darüber hinaus mit anderen Werken von Walther L. Bernecker) als sehr fruchtbar erwiesen. Angesichts des Booms der spanischen Sprache dürfte sich die Konkurrenz zwischen verschiedenen Überblicksdarstellungen der spanischen Geschichte in Zukunft verstärken. Im deutschsprachigen Raum setzt dabei das Werk von Walther L. Bernecker und Horst Pietschmann weiterhin den Maßstab.

Anmerkung:
1 Bernecker, Walther L., Spanische Geschichte. Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1999; ders., Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute, Darmstadt 2002; Schmidt, Peer(Hg.), Kleine Geschichte Spaniens, Stuttgart 2002. Siehe auch die Rezensionen in H-Soz-u-Kult zu den beiden letzten Titeln: Matthias Middell am 25.04.2003 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-2-054> und Klaus Weber am 21.03.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-1-205>.

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