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Titel
Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute


Autor(en)
Bernecker, Walter L.
Erschienen
Darmstadt 2002: Primus Verlag
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Middell, Zentrum für höhere Studien, Universität Leipzig

Spanien gehört, vielleicht mit Ausnahme der Analysen zum Absolutismus, nicht gerade zu den quantitativ herausragenden Gegenständen der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft. Für entsprechende Seminare fällt es noch immer schwer, ausreichend Literatur zu finden, die gehobene Ansprüche an die Verarbeitung des Forschungsstandes und zugleich an den komparatistischen Blick zur Einordnung der iberischen in europäische Entwicklungen befriedigt. Um so mehr ist zu begrüßen, dass Walter Bernecker seit mehr als zehn Jahren Stück für Stück diese Lücke zu füllen sich bemüht. Seine Sozialgeschichte des modernen Spaniens gehört zu den sehr nützlichen Gliedern in Suhrkamps Neuer Wissenschaftlicher Bibliothek, und 1993 hatte Bernecker bereits mit dem Hamburger Lateinamerika-Experten Horst Pietschmann eine Geschichte Spaniens vorgelegt. Die nunmehr aus der wissenschaftlichen Buchgesellschaft kommende „Spanische Geschichte“ reicht vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, und lässt die reiche Vorlesungserfahrung des Autors erkennen.

Die Gliederung folgt mehr oder minder klassischen politik- und gesellschaftsgeschichtlichen Zäsuren. Kontroversen werden mit den verschiedenen dominanten Perspektiven vorgeführt, und eine kleine Chronologie am Anfang jedes Kapitels sowie einige Schaubilder sollen den didaktischen Gebrauchswert erhöhen. Die Literaturliste ist erfreulich international und macht keine Konzessionen an den in vielen deutschen, wie französischen und angelsächsischen Verlagen üblichen Ritus für Werke dieses Typs, die sich vorrangig an Studierende und allgemein Interessierte wenden, nur Veröffentlichungen aus dem eigenen Sprachbereich gelten zu lassen.

Was der Leser allerdings vergeblich sucht, ist ein expliziter Erklärungsansatz, eine durchgehende Interpretationslinie, ein roter Faden, der den Eindruck einer wohlproportionierten Addition wichtiger Informationen mindern könnte - und auch dem Rezensenten einen Maßstab für Gelingen oder Scheitern des Vorhabens an die Hand gäbe. So ist man auf eine Spurensuche angewiesen und läuft Gefahr, die Intentionen des Verfassers überzuinterpretieren, wenn man als implizite Leitidee den Grad der Abweichung von einem (nicht näher spezifizierten) europäischen Normalweg vermutet. Jedenfalls drängt sich dieser Verdacht auf, wenn Bernecker etwa formuliert: „Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Franco-Diktatur hat das Land den Anschluß an Europa auch in den Kategorien realer Konvergenz geschafft. Der Transformationsprozeß von einer ebenso abgeschotteten wie zurückgebliebenen Staatsverwaltungswirtschaft zur wettbewerbsfähigen, offenen Marktwirtschaft war allerdings lange und mühsam; und ohne die massive Hilfe und Rückendeckung der Europäischen Gemeinschaft, der Spanien als Vollmitglied seit 1986 angehört, und später der Europäischen Union, wären Wohlstandssprung und Wirtschaftswandel kaum möglich gewesen.“ Ähnliche Formulierungen findet man auch bei Betrachtung anderer historischer Perioden. Man wird sich jedoch hüten müssen, aus solchen verstreuten Anklängen bereits ein durchgehendes Deutungsmuster abzuleiten. Autor und Verlag hatten offenkundig eher vor, ein zuverlässiges Kompendium, denn eine tatsächliche monografische Gestaltung vorzulegen.

Das Buch dürfte ungeachtet solcher Einwendungen seine dankbaren Leser finden, wenn man nur an den immensen Bedarf von Studierenden der Romanistik wie der Geschichtswissenschaft an übersichtlich dargebotenem Wissen denkt. Als Einstieg in die Entdeckung einer einflussreichen europäischen Gesellschaft kann es deshalb uneingeschränkt empfohlen werden, gerade wenn es im Gebrauch in der akademischen Lehre mit den entsprechenden Problematisierungen verbunden wird.

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