KINtop-Jahrbuch 10: Europäer in den USA

Titel der Ausgabe 
KINtop-Jahrbuch 10: Europäer in den USA
Weiterer Titel 
Europäer in den USA

Erschienen
Frankfurt a.M / Basel 2001: Stroemfeld Verlag
Erscheint 
einmal pro Jahr
ISBN
3-87877-781-7
Preis
DM 38,00

 

Kontakt

Institution
KINtop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films
Land
Deutschland
c/o
Martin Loiperdinger (Trier) e-mail: loiperdinger@uni-trier.de
Von
Braun, Brigitte

Liebe Listenmitglieder,

ein neuer Band der Zeitschrift KINtop, Jahrbuch zur Erforschung des fruehen
Films, ist erschienen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Editorial

Richard Abel "Pathe kommt in die Stadt" - Franzoesische Filme schaffen einen Markt fuer das Nickelodeon S. 11-38

Nanna Verhoeff Die Bedeutung des Nationalen in den amerikanischen Pathe- Western 1910-1914 S. 39-59

Judith Thissen Juedische Einwanderer aus Osteuropa und der fruehe Film in New York. Eine kulturelle Bruecke ueber den Atlantik S. 61-72

Michael Wedel Misus MIRAKEL. Eine transatlantische Karriere, eine transatlantische Kontroverse S. 73-87

Rainer Roth "Ein neues gewaltiges Instrument fuer die Menschheit". Die Entdeckung von Griffith' filmischer Revolution im Geist der Propaganda S. 89-93

Carl Ludwig Duisberg Revolution der Filmkunst. Gedanken ueber die Macht des Films (1917) S. 95-102

Roland Cosandey

Wahrheit und Machenschaft.Adam David und Alfred Machin mit Kinematograph und Buechse im afrikanischen Busch. Erster Teil: Die Kinematographenreise an den Dinderfluss, von Dezember 1907 bis August 1908 S. 103-117

Adam David Mit Kinematograph und Buechse in der afrikanischen Wildnis (1908) S. 119-150

Hans-Georg Rodek Europaeische Filmemigration in den USA vor 1920 S.151- 191

Annette Foerster Dellucs Unrecht: Die Forschung zu Louis Feuillarde und seinem Werk S.193-200

Juergen Keiper Filmschaetze scheibenweise - Die Filmgeschichte des Films auf DVD (Links zu Fruehen Filmen auf DVD siehe KINtop-Homepage) S. 201-207

Editorial

Angesichts der Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in der die europaeischen Kinoleinwaende und Fernsehbildschirme weitgehend von US-amerikanischen Produktionen dominiert werden, mag es ueberraschen, dass in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Filme aus Europa in den Vereinigten Staaten prominent vertreten waren. Einer Berechnung George Eastmans zufolge verkaufte allein die franzoesische Firma Pathe Freres 1907 nahezu doppelt so viele Meter Positivfilm in den USA wie alle amerikanischen Firmen zusammen. Wie Pathe liessen sich auch andere Firmen wie Georges Melies' Star-Film oder Eclair an der Ostkueste nieder, errichteten dort spaeter auch Studios und produzierten direkt fuer den US-Markt. Ab 1908 formierte sich dann in den Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund einer allgemeinen gesellschaftlichen Debatte um die Gefahr der 'Ueberfremdung' durch die vielen Einwanderer der Widerstand gegen die 'auslaendischen' Filme und deren Einfluss auf das Publikum: Die Forderung nach einer 'Amerkanisierung' des Kinos wurde immer lauter.

Auch im Bereich des fruehen Kinos richtete sich das Hauptaugenmerk der Filmgeschichtsschreibung lange Zeit auf die jeweilige nationale Filmproduktion, spaeter dann auch auf die Entstehung einer Kinokultur und die Institutionalisierung des neuen Unterhaltungsmediums unter spezifischen nationalen Bedingungen. Mit dem vorliegenden Band von KINtop wollen wir einige neuere Studien praesentieren, die sich mit verschiedenen Aspekten der transatlantischen Filmbeziehungen auseinandersetzen. Diese Ausgabe ist Teil eines internationalen Forschungsprojekts zur Migration europaeischer Filmschaffender in die USA, das von der Maison des Sciences de l'Homme in Paris koordiniert wird.

In seiner Studie zur Rolle von Pathe Freres in den USA waehrend der Jahre vor 1906 zeigt der amerikanische Historiker Richard Abel, dass der dann einsetzende "Nickelodeon Boom" durch den stetigen Strom von Filmen aller Gattungen aus den Produktionsstaetten der franzoesischen Firma entscheidend mit stimuliert wurde. Das Markenzeichen des "roten Hahns" buergte Betreibern wie Zuschauern dafuer, dass jede Woche qualitativ hochwertige Neuheiten auf der Leinwand zu sehen waren. Hierdurch wurden die Voraussetzungen fuer die Entstehung eines landesweiten, lebensfaehigen Markts fuer die moving pictures ueberhaupt erst geschaffen.

Trotz der um 1908 einsetzenden Diskussionen um die 'verderblichen' Einfluesse auslaendischer Produktionen, wird das 'Franzoesische' in der Fachpresse auch noch in den fruehen zehner Jahren immer wieder als Synonym fuer 'Klasse' angesehen. So auch bei vielen der von Nanna Verhoeff behandelten Western, die Pathe als Reaktion auf die 'Amerikanisierungsbestrebungen' zu dieser Zeit in den USA dreht. Doch wie amerikanisch (oder europaeisch) sind Filme ueber den amerikanischen Westen, die von einer franzoesischen Firma an der Ostkueste der USA gedreht und dann auch auf dem internationalen Markt vertrieben werden?

Haeufig wird den moving pictures auch eine wichtige Rolle bei der kulturellen Eingewoehnung, der 'Amerikanisierung' der Einwanderer zugeschrieben. Am Beispiel des Kinobetreibers Charles Steiner und seines juedischen Publikums aus der Lower East Side in New York beschreibt Judith Thissen, wie das Programmangebot von muving piktschurs und jiddischem Vaudeville ueber die Themenwahl eine Verbindung mit der alten Heimat bietet und die Zuschauer andererseits an der modernen amerikanischen Unterhaltungskultur teilhaben laesst.

Michael Wedels Beitrag zur Karriere von Mime Misu, dem Regisseur des ersten Titanic-Films IN NACHT UND EIS (1912) macht deutlich, wie sehr die deutsche Filmindustrie bereits in den zehner Jahren den amerikanischen Markt im Blick hatte. Nicht nur, dass Misu sich einem deutschen Produzenten gegenueber als amerikanischer Regisseur ausgegeben haben soll, um die Realisierungschancen seines ersten Projekts zu erhoehen, ist hier von Bedeutung. Den Stellenwert transatlantischer Strategien bei der Verwertung von kulturellem Kapital belegt vor allem die Auseinandersetzung um die gleichzeitigen Mirakel-Verfilmungen von Misu und Max Reinhardt.

Rainer Rother praesentiert und kommentiert einen bemerkenswerten Fund: einen in Deutschland offenbar seinerzeit nicht veroeffentlichten Artikel aus dem Jahr 1917, verfasst von dem deutschen Diplomaten Carl Ludwig Duisberg, der Griffith' INTOLERANCE als eine "Revolution in der Filmkunst" beschreibt. Das Dokument stammt aus einem Aktenbestand mit Vorgaengen, die im Auswaertigen Amt unter dem Stichwort "Filmpropaganda" abgelegt worden sind.

Den Abschluss des Schwerpunkts bildet eine von Hanns-Georg Rodek ohne Anspruch auf Vollstaendigkeit zusammengestellte Liste mit ueber 400 Namen von aus Europa stammenden Schauspielern, Regisseuren, Technikern, Unternehmern usw., die vor 1920 an Filmproduktionen in den USA beteiligt waren. Die Liste wird laufend ergaenzt und soll im kommenden Jahr auf der KINtop-Website zugaenglich gemacht werden.

Ausserhalb des Schwerpunkts veroeffentlichen wir eine Artikelserie des Schweizer Zoologen und Jaegers Adam David aus dem Jahr 1908, der den Lesern der Basler Nachrichten von einer Expedition berichtet, auf der er von Alfred Machin, Kameramann fuer Pathe Freres, begleitet wurde. Dieses fuer die fruehe non-fiction-Praxis ausserordentlich aufschlussreiche Dokument wird von Roland Cosandey eingeleitet und annotiert. Der Abdruck eines zweiten Berichts ueber eine Expedition aus dem Jahr 1910 soll in einer spaeteren Ausgabe von KINtop folgen.

Juergen Keipers Beitrag zur Praesentation von Filmen aus der Fruehzeit auf DVD schliesst an bereits frueher in KINtop erschienene Aufsaetze an, in denen es um die Visualisierung filmgeschichtlicher Forschungen ging.

Annette Foerster bespricht neuere Arbeiten zu Louis Feuillade, insbesondere den anlaesslich der Retrospektive der Giornate del Cinema Muto 2000 erschienenen Sonderband der Zeitschrift 1895.

Die naechste Ausgabe von KINtop, die 2002 erscheint, ist dem Themenschwerpunkt "Kinematographen-Programme" gewidmet.

Frank Kessler, Sabine Lenk, Martin Loiperdinger

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Bestandsnachweise 1024-1906