KINtop-Jahrbuch 9: Lokale Kinogeschichten

Titel der Ausgabe 
KINtop-Jahrbuch 9: Lokale Kinogeschichten
Weiterer Titel 
Lokale Kinogeschichten

Erschienen
Frankfurt a.M / Basel 2000: Stroemfeld Verlag
Erscheint 
einmal pro Jahr
ISBN
3-87877-789-2
Preis
19 €

 

Kontakt

Institution
KINtop. Jahrbuch zur Erforschung des frühen Films
Land
Deutschland
c/o
Martin Loiperdinger (Trier) e-mail: loiperdinger@uni-trier.de
Von
Braun, Brigitte

Inhaltsverzeichnis

KINtop 9 (2000): Lokale Kinogeschichten

Jahrbuch zur Erforschung des fruehen Films
herausgegeben von Frank Kessler, Sabine Lenk, Martin Loiperdinger
ISBN 3-87877-789-2

Aus dem Inhalt:

In einem "trierischen" Kinematographen (1909)
S. 11-13

Karsten Hoppe, Martin Loiperdinger, Joerg Wollscheid
Trierer Lokalaufnahmen der Filmpioniere Marzen
S. 15-37

Michaele Herzig, Martin Loiperdinger
“Vom Guten das Beste” – Kinematographenkonkurrenz in Trier
S. 39-52

Amelie Duckwitz, Martin Loiperdinger, Susanne Theisen
“Kampf dem Schundfilm!” – Kinoreform und Jugendschutz in Trier
S. 53-63

Mariann Lewinsky
Schweizer National Cinema Leuzinger, Rapperswill (SG):
Aktualitaetenfilmproduktion und regionale Kinogeschichte der
Zentral- und Ostschweiz, 1896-1945
S. 65-81

Anne Paech
Zirkuskinematographen. Marginalien zu einer Sonderform
des ambulanten Kinos
S. 83-89

Roberta E. Pearson, William Uricchio
Filmvorfuehrer in New York 1906-1913
S. 91-108

Jeanpaul Goergen
“Sensationellste Schaunummer der Gegenwart!” Zeitungsinserate
des Filmpioniers H.O. Foersterling von 1896
S. 109-115

Bert Hogenkamp
The Impact of Audiovisual Media in the Town of Utrecht.
A Research at the University of Utrecht
S. 117-129

Lars Novak
Motion Study/Movin Pictures. Die Anfaenge des tayloristischen
Arbeitsstudienfilms bei Frank B. und Lilian M. Gilbreth
S. 131-149

Astrid Soederbergh Widding
Hasselblads Fotografiska AB as Film Producer 1915-1917.
Sensationalism or Quest for Quality?
S. 151-165

EDITORIAL

Die lokale und regionale Geschichtsschreibung des Kinos hat in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren zahlreiche Arbeiten unterschiedlichster Art hervorgebracht:von Dissertationen und Magister- oder Diplomarbeiten ueber Ausstellungskataloge von Museen und Archiven bis zu Fachartikeln in den Organen von Geschichtsvereinen und journalistischen Beitraegen in oertlichen Kulturmagazinen oder Filmzeitschriften. Viele dieser Arbeiten konzentrieren sich auf die faktographische Darstellung der Kinos im engeren Sinn: Die Gebaeude, die oertlichen Betreiber der Kinos, bekannte Beispiele dort gezeigter Spielfilme und besondere Vorkommnisse wie zum Beispiel Tourneebesuche von Filmstars stehen im Mittelpunkt.
Das fruehe Kino zeigt sich solchen Forschungsinteressen wenig zugaenglich. Das Geschehen auf dem Film- und Kinomarkt vor dem Ersten Weltkrieg ist recht unuebersichtlich. Dominiert von internationalen Anbietern, unterliegt er gleichwohl noch keinen etablierten Reglements. Zunaechst werden Filme von Wanderkinematographen-Unternehmen sowie als Programmnummer in Varieté-Theatern gezeigt. Ortsfeste Kinematographentheater eroeffnen erst in den Jahren 1906/07 und unterliegen in dieser Gruenderzeit hoher Fluktuation. Programmgestaltung und Auffuehrungspraktiken sind noch keineswegs standardisiert. Laengere Spielfilme draengen erst im Zuge der allmaehlichen Etablierung des Starsystems ab 1911/12 die bis dahin ueblichen anonymen Kurzfilmprogramme zurueck. Viele Lokalstudien behandeln die ersten beiden Jahrzehnte von Film und Kino nur kursorisch. Die wenigen monographischen Arbeiten zur Fruehzeit der Kinematographie neigen zur chronologischen Darstellung von Fakten und Begebenheiten. Sie ordnen Quellen unterschiedlicher Provenienz in eine lineare Entwicklung des Mediums am Ort ein, die sich weitgehend an der nationalen Film- und Kinogeschichtsschreibung orientiert.
Ein von Martin Loiperdinger geleitetes Projektseminar an der Universitaet Trier schlaegt den umgekehrten Weg ein und nimmt jeweils einen besonderen Materialkorpus zum Ausgangspunkt, um daran einzelne Facetten der fruehen Lokalgeschichte des Kinos in Trier herauszuarbeiten, die erst einmal fuer sich stehen und nicht in einen uebergeordneten Zusammenhang integriert werden. Wir beginnen mit einer Trouvaille aus der Lokalpresse: Der Artikel "In einem 'trierischen' Kinematographen" aus dem Jahr 1909 macht darauf aufmerksam, dass die Praesentation des Lokalen - Erlaeuterungen des Filmerklaerers im heimischen Dialekt sowie am Ort gedrehte Filme - beim Publikum hohe Attraktivitaet geniesst. Trierer Lokalaufnahmen der Filmpioniere Marzen, welche Prozessionen und Umzuege dokumentieren, geben den Mitwirkenden Gelegenheit, lebende Portraets von sich selbst und ihren Freunden und Bekannten anzuschauen. Marzens auffaellige Selbstinszenierung in den Lokalaufnahmen verweist auf eine enge Verbundenheit mit dem Publikum. Die Untersuchung Trierer Kinematographeninserate der Jahre 1909/10 zeigt erhebliche Unterschiede in der Programmgestaltung konkurrierender Unternehmen. Entscheidende Wettbewerbsvorteile scheint dabei die Originalitaet der auditiven live-Begleitung zu bringen, weniger die Auswahl der Filme selbst. Schliesslich gibt eine Schulakte aus dem Trierer Stadtarchiv Einblick in die Auseinandersetzungen der Schulbehoerden mit den lokalen Kinematographenbetreibern um die praktische Durchsetzung des Jugendschutzes. Mariann Lewinsky zeigt auf der Grundlage eines einzigartigen Filmbestandes aus dem Familienarchiv eines regionalen Schweizer Wanderkinos, dass sich Vorfuehrpraktiken des fruehen Kinos in abgelegenen Gebieten noch bis in die 1930er Jahre halten koennen. Aus Konstanzer Perspektive steuert Anne Paech Marginalien zur Geschichte der fuer kurze Zeit erfolgreichen Zirkuskinematographen bei, die in der Stadt am Bodensee gern Station machten, weil dort ein Hersteller ihrer prachtvollen Zelte zuhause war. Fuer die Quelleninterpretation von disparatem und marginalem Material, wie es gerade die lokale Forschung zuhauf zutagefoerdert, stellen Roberta E. Pearson und William Uricchio in ihrem Beitrag eine zentrale Frage: Wie ist es dem Historiker moeglich, das hier sich aeusserndePartikulare zu seinem Recht kommen zu lassen, statt es umstandslos in groesseren Zusammenhaengen aufgehen zu lassen? Jeanpaul Goergen praesentiert drei aufschlussreiche Annoncen des Berliner Kinematographenanbieters Foersterling aus dem Jahr 1896. Bert Hogenkamp, der das Forschungsprojekt zur Mediengeschichte der Stadt Utrecht leitet, resuemiert fuer KINtop-Leser den Kenntnisstand der lokalen Kinogeschichte vor dem Ersten Weltkrieg. Parallelen zu den Untersuchungen in Trier betreffen vor allem die Rolle der Filmerklaerer, die den Geschaeftsgang der Kinematographentheater in Utrecht massgeblich beeinflussen sowie das generelle Kinder- und Jugendverbot, von dem nur Schuelervorstellungen ausgenommen sind, deren Programme von einem Kommittee vorab geprueft werden.
Ausserhalb des Schwerpunkts widmet sich Lars Novak im arg vernachlaessigten Bereich des fruehen wissenschaftlichen Films der Taetigkeit des Ehepaars Frank und Lillian Gilbreth, das mit der Filmkamera Arbeitsvorgaenge aufzeichnet, um daraus Vorschlaege zur Rationalisierung zu gewinnen. Astrid Soederbergh Widding portraetiert die Spielfilme der wenig bekannten schwedischen Firma Hasselblad, die geeignet sind, die herkoemmliche Filmhistoriographie zugleich zu bestaetigen und in Frage zu stellen.
Die naechste Ausgabe von KINtop, die im Sommer 2001 erscheint, ist dem Themen-Schwerpunkt "Europa / USA" gewidmet. Weitere Hinweise dazu, Aktuelles zum fruehen Kino aus der Forschung und den Archiven sowie Informationen ueber alle bisher erschienenen KINtop-Publikationen finden sich auf unserer Website unter http://www.uni-trier.de/~kintop.

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