Die Ausgabe von Quest geht der Bedeutung des Ansatzes der Human-Animal Studies im Be-reich der jüdischen und modernen hebräischen Literatur nach. Wie die Herausgeberin des Themenschwerpunktes, Anna Lissa, in ihrer Einleitung betont, eröffne dieser Ansatz neue Wege für die Interpretation und das Verständnis sowohl historischer als auch zeitgenössischer Texte, nicht nur für jüdische und hebräische Quellen, sondern auch für das universelle literarische Erbe. Die Beiträge zeigten die Relevanz der Erforschung der Mensch-Tier-Dynamik in der Literatur und die Verflechtungen verschiedener Studienbereiche.
Zunächst geht Anna Lissa auf Charles Darwins für den Titel ausgewählte Notiz ein, dass der Mensch „aus Tieren geschaffen zu betrachten" sei, um daraufhin den Mensch-Tier-Beziehungen in den Höhlenmalereien vom Ende des Paläolithikums und dem Beginn des Neolithikums, dem Gilgamesch-Epos oder biblischen Quellen, in denen ein Rückfall in die Tierwelt als göttliche Strafe dargestellt wird, nachzugehen.
Das Gebiet der Mensch-Tier-Studien begann nach Lissa in den späten 1970er und 1980er Jahren zunächst unter Philosophen und Historikern in vor allem englischsprachigen Ländern, bis in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren sich auch literarische Disziplinen dem Ansatz zuwandten. Darüber hinaus wurden auch Perspektiven aus den Naturwissenschaften von entscheidender Bedeutung, zumal die Biologie große Bedeutung hat.
Schon vor dem Aufkommen der Mensch-Tier-Studien hatte die Judaistik der Präsenz von Tieren breite wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt. Im vorliegenden Heft interpretiert Noam Pines Shakespeares Der Kaufmann von Venedig und geht den "wölfischen" Attributen, die der Figur des Shylock und der jüdischen Identität zugeschrieben werden, nach.
Mancusos greift das in der jüdischen Tradition ausführlich diskutierte Konzept des tza'ar ba'le hayyim (Tierleid) auf und untersucht die zwischen 1903 und 1910 veröffentlichten Schriften von Rabbi Avraham Yitzhak Ha-Kohen Kook.
Naama Harel geht dem Thema des Tierleidens in mehreren jüdischen literarischen Werke aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert nach, die zeigen, wie Kinder Mitgefühl für das Leiden der Tiere zeigen und sich gegen das Schlachten aussprechen.
Die Herausgeberin Anna Lissa analysiert das Bild der Ameise in einer Novelle von Yitzhak Orpaz (1968) und in einem Roman von Italo Calvino. (1952).
Ilanit ben Dor Derimian und Riki Traum legen unterschiedliche Interpretationen von Sami Berdugos 2019 erschienenem Roman ‚Esel‘ vor. Derimian veranschaulicht, wie durch die kulturelle Darstellung des Esels sozialer Wandel und der Aufbau lokaler Identität im Süden Israels gefasst wird, während Traum den Esel als politische Metapher und die Verwandlung des Esels von einem Objekt in ein Subjekt untersucht.