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Titel
Vir religiosus ac strenuus. Albero von Montreuil, Erzbischof von Trier (1132-1152)


Autor(en)
Müller, Jörg
Reihe
Trierer Historische Forschungen 56
Erschienen
Trier 2006: Kliomedia
Anzahl Seiten
907 S.
Preis
€ 126,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Weinfurter, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die Trierer Dissertation bietet eine stringent biografische Darstellung des Lebens und Wirkens des Trierer Erzbischofs Albero von Montreuil und ist, ganz auf dessen Person bezogen, chronologisch in einzelne Lebensabschnitte untergliedert. Sie behandelt 1) Herkunft, Entwicklung und Werdegang bis zur Berufung auf den Erzbischofsstuhl; 2) die Amtsphase von 1132 bis 1135, die vom Kampf gegen die erzstiftische Ministerialität geprägt war; 3) die Amtsphase von 1135 bis 1141 mit dem Ausbau der erzbischöflichen Herrschaft, dem Kampf gegen den Pfalzgrafen und Trierer Hochstiftsvogt Wilhelm von Ballenstedt sowie dem gezielten Einsatz der Reformmönche und Reformkleriker im Bistum Trier; 4) die Amtsphase von 1141 bis 1147 mit dem Kampf gegen Graf Heinrich von Luxemburg und Namur und der Eingliederung des Klosters St. Maximin in das Trierer Hochstift, und 5) die Amtsphase von 1147 bis 1152, die das Ausklingen eines alternden Erzbischofs in seinem Wirken einfängt.

Die Arbeit verknüpft den biografischen Ansatz mit dem landesgeschichtlichen. Es geht in erster Linie um Herrschaftsbildung und ihre Träger, um Strategien der Etablierung von Herrschaft, der Herrschaftserweiterung und Herrschaftssicherung und um die damit im Zusammenhang stehenden Personennetze sowie die kriegerischen, rechtlichen und religiös-kirchlichen Konzepte und Instrumentarien. Da es sich beim Erzstift Trier um eines der wichtigsten politischen Kraftzentren im Reich des 12. Jahrhunderts handelt, ist mit den Ereignissen und Prozessen fast immer auch Reichsgeschichte verknüpft, insbesondere der Aufstieg der Staufer zum Königtum und die Frage der Machtverteilung am Mittelrhein. Dass eine derartige Studie über einen der wichtigsten Trierer Erzbischöfe schon seit langem als dringendes Desiderat gegolten hat, braucht kaum erwähnt zu werden. Mit diesem Buch ist diese Lücke, so wird man uneingeschränkt sagen dürfen, vollkommen geschlossen worden. Jörg Müller hat, auch das gilt es zu betonen, sämtliche Quellen herangezogen, die es für sein Thema gibt, und er ist den verschiedenen Aspekten bis in die letzten Verästelungen nachgegangen. Dies lässt die Darstellung auf der einen Seite immer wieder etwas ausufern, bietet andererseits aber die Gewähr für eine äußerst umsichtige Berücksichtigung von Zusammenhängen, Motiven und Voraussetzungen einzelner Vorgänge und Entwicklungen. Überdies kommen auf diese Weise viele bisher unbeachtete Details in der Begründung und Erklärung der Abläufe ans Licht.

Das Bild Alberos wird durch die Erforschung seiner Herkunft und seiner familiären Einbindungen auf völlig neue Grundlagen gestellt. Die Familie Thicourt-Montreuil steht dabei im Blickpunkt und wird in ihren genealogischen Verknüpfungen, in ihren Besitzungen und Rechtspositionen sorgfältig erfasst und dargestellt. Eines der besonders zu beachtenden Ergebnisse resultiert aus dem Nachweis, dass Bischof Peter von Toul (1165-1191) ein Neffe Alberos war, der sich in jüngeren Jahren der besonderen Förderung seines Onkels erfreute. Überhaupt stellt sich Nepotismus als eine der wichtigsten Säulen und Strategien in Alberos Politik heraus. Freilich wurde Nepotismus in dieser Zeit als so gewöhnlich erachtet, dass er bei den zeitgenössischen Biografen kaum Beachtung findet. Dennoch: Ohne seinen Familienclan hätte Albero seine politischen Ziele in keiner Phase seines Lebens und seiner Ämter so erfolgreich durchsetzen können – ein Ergebnis, das Beachtung verdient.

Auch die frühen Kontakte mit den Vertretern der kirchlichen Reformbewegungen sind bemerkenswert, darunter diejenigen mit Norbert von Xanten seit 1118. Auch die Verbindung mit dem Touler Regularkanoniker Hugo Metellus spielt eine wichtige Rolle, unter anderem deshalb, weil dadurch das Geburtsdatum Alberos bestimmt werden kann: zwischen 1080 und 1085. Diese Präzisierung ist von einiger Bedeutung, weil sie uns bewusst macht, wie sehr Albero noch in der Zeit des „Investiturstreits“ unter den salischen Kaisern Heinrich IV. und Heinrich V. sozialisiert wurde, wie sehr er in seinem Handeln vom Bürgerkrieg dieser Zeit und von dem Bestreben nach Durchsetzung der Reformideen geleitet war. Und es macht uns auch aufmerksam darauf, dass er bei der Übernahme des Trierer Bischofsamtes 1132 mit seinen 50 Jahren schon ein höheres Alter erreicht hatte. Damit war er immerhin älter als Kaiser Heinrich V., ungefähr gleich alt wie Erzbischof Adalbert I. von Mainz (gestorben 1137) und nur wenig jünger als der kompromisslos reformorientierte Erzbischof Konrad I. von Salzburg (gestorben 1147), der 1138, bei der Wahl Konrads III., eher wie ein griesgrämiger alter Mann wirkt (siehe S. 538ff.). Das relativ hohe Alter Alberos überrascht, weil man geneigt sein könnte, in ihm eher einen Vertreter einer neuen, jungen Bischofsgeneration zu sehen, einer Generation, die den Investiturstreit überwunden hatte und in flexibler Weise neue Inhalte und Ziele der bischöflichen Amtsherrschaft entwickelte. So jedenfalls wirkt das Bild, das uns Balderich in seiner Biografie Alberos liefert. Auf solche Aspekte individueller Prägungen geht die Arbeit allerdings nicht ein, wie auch sonst Vergleiche mit anderen Bischöfen der Zeit nicht gezogen werden.

Die Ergebnisse für die erste Amtsphase (1132-1135), die am Ende zur Beilegung des Konflikts mit dem Trierer Burggrafen Ludwig de Ponte und zum Aufbau einer zuverlässigen erzbischöflichen Dienstmannschaft führte, bringen keine überraschenden neuen Erkenntnisse. Wichtig ist allerdings die umsichtige Behandlung der Gründung der Zisterze Himmerod, für die Albero den Großteil der Gründungsausstattung zur Verfügung stellte. Diese Vorgänge werfen ein helles Licht auf die Reformhaltung Alberos. Die Ausführungen sodann zur zweiten Amtsphase (1135-1141) bilden den zentralen Abschnitt der gesamten Arbeit, zu Recht, denn hier wurden die Grundlagen für die künftige Territorialherrschaft des Trierer Erzbischofs geschaffen. Die geschickte Politik Alberos gegenüber dem Pfalzgrafen und Hochstiftsvogt wird exzellent herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang findet die Königswahl Konrads III. am 7. März 1138, die maßgeblich von Albero vorangetrieben wurde, ihre sinnvolle Erklärung: Nur mit der Wahl Konrads III. konnte der Wechsel in der Pfalzgrafschaft durchgesetzt und eine weiterhin erfolgreiche erzbischöfliche Territorialpolitik gesichert werden. Das Wahlverfahren durch die sanior pars war, wie ein Blick auf die Metzer Bischofserhebungen zwischen 1115 und 1122 zeigt, Albero seit langem geläufig und konnte daher ohne Probleme auf die Königswahl von 1138 übertragen werden (in diesem Abschnitt hätte allerdings die Arbeit von Frau Jutta Schlick stärkere Berücksichtigung finden sollen 1). Diese Ausführungen sind ebenso überzeugend wie die modifiziert neue Deutung von Alberos Verhalten gegenüber dem Reformstift Springiersbach und seinem Reformkreis (keine Zerschlagung des Reformkreises, sondern eine schrittweise Unterstellung unter die Trierer Kontrolle).

Mit der Übertragung des Klosters St. Maximin durch König Konrad III. an das Erzstift Trier im Mai 1139 als Lohn für Alberos maßgeblichen Einsatz bei der Wahl des Staufers wurde der Keim gelegt für den sechsjährigen Krieg von 1141 bis 1147 mit dem Klostervogt, dem Grafen von Luxemburg. Dieser wehrte sich verbissen gegen die Übereignung St. Maximins an das Trierer Erzstift. Daraus folgte für die dritte Amtsphase Alberos, dass er nun alle seine Kräfte in diese Auseinandersetzung warf. Mit gutem Grund, wird man hinzufügen, denn in der Tat war diese Phase von Weichen stellender Bedeutung für die künftige Entfaltung der Trierer Herrschaft: Durch die Gemengelage von Klostergütern und gräflichen Besitzungen westlich von Trier und in der Eifel war der Graf von Luxemburg bereits im Begriff, eine geschlossene Herrschaft aufzubauen. Nur mit dem Erwerb St. Maximins schuf sich der Erzbischof die Voraussetzung dafür, dies zu verhindern. In diese Zusammenhänge einer Phase extrem scharf geführter Kriegshandlungen gehören die Ummauerung Triers und die frühen Ansätze kommunaler Entwicklungen, die ausführlich behandelt werden. Wichtig scheint mir hier zu sein, dass wir infolge dieser Ereignisse auf die synonyme Verwendung der Begriffe cives und ministeriales für bedeutende Funktionsträger der erzbischöflichen Dienstmannschaft stoßen: Unter der Führung des Erzbischofs und seiner Dienstmannen taten sich die Treviri im Zeichen äußerer Bedrohung zusammen und eröffneten einen neuen Abschnitt der städtischen Emanzipation.

Mit der Entscheidung des Speyerer Hoftags vom Januar 1147, der die Übereignung von St. Maximin an das Trierer episcopium bestätigte, gelangte Alberos Amtsführung wieder in ruhigeres Gewässer. Seine letzten Jahre, in denen man sein Alter nun in der Tat überall zu erkennen vermeint, waren bestimmt durch repräsentatives Auftreten und Bemühungen um Reputation, etwa beim Besuch Papst Eugens III. im Winter 1147/48 oder beim Frankfurter Hoftag vom März 1147, auf den sich Albero mit 40 Wohnschiffen und zahlreichen Wasserfahrzeugen begab. Aufschlussreich ist, dass er nur die Äbte Richard von Springiersbach und Bertulf II. von St. Eucharius an sein Sterbebett holen ließ. Damit leuchtete ein letztes Mal Alberos Grundanliegen der Förderung von Kirchen-, Kloster- und Klerusreform durch, das man trotz seiner modern anmutenden Bischofsherrschaft mehr als bisher zu beachten haben wird.

Dieses Buch stellt eine bemerkenswerte Leistung auf dem Gebiet der Landesgeschichte dar. Die Auswertung der Quellen erfolgt durchgehend mit großer Umsicht und Eindringlichkeit, die Ergebnisse halte ich allesamt für gut begründet und dauerhaft. Die Fragestellungen gehen allerdings nicht über den Horizont der Politik- und Verfassungsgeschichte hinaus, was man freilich schon angesichts des Umfangs der Studie nicht als Nachteil empfinden wird.

Anmerkung:
1 Schlick, Jutta, König, Fürsten und Reich 1056-1159. Herrschaftsverständnis im Wandel, Stuttgart 2001. Vgl. die Rezension dazu in: H-Soz-u-Kult, 18.03.2002, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/MA-2002-007>.

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