M. Kulikowski: Rome's Gothic Wars

Cover
Titel
Rome's Gothic Wars. From the Third Century to Alaric


Autor(en)
Kulikowski, Michael
Reihe
Key Conflicts of Classical Antiquity
Erschienen
Anzahl Seiten
XII, 225 S.
Preis
£ 14,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eike Faber, Historisches Institut, Universität Potsdam

„Rome’s Gothic Wars“ von Michael Kulikowski ist ein überraschendes Buch. Die Publikation ist von Umfang, Gliederung, Stil des Textes oder auch Anzahl der Anmerkungen her klar eine Einführung und als solche wird das Buch auch beworben. Andererseits erteilt Kulikowski derart vielen etablierten Positionen eine Absage, dass sein Buch als programmatische Schrift verstanden werden muss, wider Jordanes, der sich nicht mehr wehren kann, und die moderne Historiographie, die von der Getica ausgehend eine gotische Geschichte vor dem 4. Jahrhundert annimmt und behandelt. Kulikowski schreibt gewinnend in einem (anglo-amerikanischen) Stil, der auch die letzten großen Beiträge zur Spätantike auszeichnet.1

Der einleitende Prolog (S. 1-13) bietet ein detailliertes Panorama der dritten und letzten Belagerung Roms durch Alarich, das den Leser in das Buch regelrecht hineinzieht. Auf den Prolog, der Alarich, den Eroberer und Plünderer Roms, zurecht als politisch gescheiterten Mann kennzeichnet, folgt in zwei Kapiteln eine Darstellung der Beziehungen Roms zu den Barbaren vor der Spätantike. Dabei wird einer gelungenen Analyse der Interaktion zwischen Imperium Romanum und den benachbarten barbarischen Gesellschaften (The Roman Empire and Barbarian Society, S. 34-42) die Darstellung der gotischen (?) Invasionen des 3. Jahrhunderts vorangestellt (The Goths before Constantine, S. 14-33). Das dritte Kapitel (The Search for Gothic Origins, S. 43-70) dient der Methodenreflexion und ist zentral für das gesamte Buch: „One of the most important differences between the present book and other recent studies of Gothic history is its evaluation of Jordanes on the same terms as any other Byzantine author of the sixth century.“ (S. 55) Diese Bewertung fällt dezidiert zu Ungunsten Jordanes’ aus, dessen Bericht lediglich dann glaubhaft sei, wenn er durch eine Parallelüberlieferung gestützt werde. Der Migrationsgeschichte der Goten von Skandinavien bis ans Schwarze Meer wird damit die Grundlage entzogen. Ohne Jordanes’ Bericht, so spitzt Kulikowski seine Argumentation weiter zu, gebe es auch keinen zwingenden Grund mehr zur Verknüpfung der (unzweifelhaft auch von Kulikowski als ‚gotisch‘ anerkannten) ans Römische Reich grenzenden Sîntana de Mureş/Černjachov-Kultur mit der Wielbark-Kultur des Weichselraumes.2

Durch den Vergleich der Goten mit Franken und Alamannen wird der strikten Ablehnung einer gotischen Vorgeschichte etwas von ihrer radikalen Anmutung genommen: Dass sich Franken und Alamannen unter römischem Einfluss zu Beginn des 4. Jahrhunderts im wesentlichen in situ als ethnisch-politische Gruppierungen konstituiert haben, ist weitgehend Konsens. Analog dazu setzt Kulikowski auch den Beginn der eigentlichen gotischen Geschichte in tetrarchisch-constantinischer Zeit an (Imperial Politics and the Rise of Gothic Power, S. 71-100). Ebenso wie am Rhein hätten auch an der Donau erst das Interesse und der Einfluss Roms zur Herausbildung einer neuen Großgruppe geführt, die im Kontakt zu Rom begann, sich als Goten zu begreifen. Diese Maximalposition ist ungewohnt, als Denkfigur und Analysekategorie jedoch interessant. Kulikowski verwirft dabei die umfangreiche Literatur zur gotischen Wanderung und Ethnogenese3, ohne allerdings neuere Veröffentlichungen zu Cassiodor/Jordanes rezipiert zu haben4, so dass sein Urteil zu pauschal ausfällt.

In den folgenden Kapiteln werden der Zeitraum vom constantinischen Gotenfoedus bis zum Donauübergang (Goths and Romans 332-376, S. 100-122) und anschließend ausführlich Valens’ epochale Niederlage des Jahres 378 dargestellt (The Battle of Adrianople, S. 123-143). Zwei weitere Kapitel thematisieren die Verbindung der theodosianischen Dynastie zu den Goten, zunächst mit dem römischen Kaiser als Handelndem (Theodosius and the Goths, S. 144-153), sodann mit Alarich und Stilicho als denjenigen, die das Heft des Handelns in Händen halten (Alarich and the Sack of Rome, S. 154-177). Hier schließt sich der Kreis in Kulikowskis Narrativ; das achte Kapitel setzt fort und vertieft, was im Prolog den Ausgangspunkt bildete – inwieweit nämlich die Eroberung und Plünderung der Stadt Rom eben keinen Erfolg in Alarichs Bemühungen darstellte, sondern den endgültigen Abbruch der Beziehungen zum weströmischen Kaiserhof zur Folge haben musste. Ein Epilog, Glossare (Quellen und biographische Skizzen) und ausführlich kommentierte Literaturempfehlungen beschließen das Buch.

Kulikowski meldet Zweifel an der Glaubwürdigkeit Jordanes’ an und denkt sie logisch und stringent zu Ende. Gerade weil er nicht in allem Zustimmung erfahren wird 5, hat Kulikowski ein verdienstvolles Buch vorgelegt, das bedenkenswerte Anstöße liefert. Die Mechanismen der friedlichen und kriegerischen Interaktion zwischen Rom und den Goten im 4. Jahrhundert sind kenntnisreich und mit Blick auf die Lehre anwendungsorientiert dargestellt und analysiert.

Anmerkungen:
1 Peter Heather, The fall of the Roman Empire. London u.a. 2006; Bryan Ward-Perkins, The fall of Rome and the end of civilization. Oxford u.a. 2006. Vgl. die Sammelrezension zu beiden genannten Titeln von Udo Hartmann in: H-Soz-u-Kult, 09.07.2007 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2007-3-022>.
2 Gegen Volker Bierbrauer, Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.-7. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 28 (1994), S. 51-171.
3 Die wichtigsten Titel sind fraglos Herwig Wolfram, Die Goten: Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, 4. Aufl., München 2001 und Peter Heather, The Goths, Oxford 1996.
4 Vor allem Arne Søby Christensen, Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth, Copenhagen 2002.
5 Diese Kritik am Detail sei dem Rezensenten gestattet: Aus der Inschrift des Augsburger Victoria-Altars (AE 1993, 1231) geht nicht hervor, dass Postumus die Iuthungen besiegt habe, wie Kulikowski S. 29 (mit S. 211, Anm. 16) schreibt – es liegt wohl ein falsches Verständnis der frühen deutschsprachigen Veröffentlichungen zum Neufund vor.

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