Cover
Titel
The Good Fight. Battle of Britain Wartime Propaganda and The Few


Autor(en)
Campion, Garry
Erschienen
Basingstoke 2008: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
XVII, 357 S.
Preis
$ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Malte Thießen, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Seit einiger Zeit kann man in Großbritannien nicht nur „Spitfire Ale“ genießen, sondern auch dessen Werbung bestaunen. Mit Slogans wie „Downed all over Kent, just like the Luftwaffe“ preist eine britische Brauerei ihr Bier an, das sich auf der Insel mittlerweile zu einem „Kultgetränk“ gemausert hat.1 Diese Mutation der „Battle“ zur „Bottle of Britain“2 ist nur eines von zahllosen Beispielen, die von den Nachwirkungen dieser Luftschlacht bis heute zeugen: Als „Spitfire Summer“ oder „Their finest Hour“ ist die „Battle of Britain“ auch nach über 70 Jahren fest im kollektiven Gedächtnis der Briten verankert.

Dieses Erbe ist nicht zuletzt Folge der zeitgenössischen Propaganda, dank der „The Few“, wie die britischen Jagdpiloten im Sommer 1940 gemeinhin genannt wurden, zu Helden einer ganzen Nation avancierten. Und diese Propaganda, so möchte Garry Campion zeigen, hatte Anteil an der britischen Kriegsmoral und nicht zuletzt am scheinbar nimmermüden Kampfgeist in den Cockpits. Campion geht es in seinem Band insofern um Wechselbeziehungen zwischen Kriegsverlauf und Propaganda. Aus seiner Ausgangsthese, „that the propaganda and the actual ‚strategic‘ results have become entangled“ (S. 1), leitet er drei Ziele ab. Sein Buch soll erstens eine Analyse der „key agencies involved in its wartime propagation“ (S. 8) leisten, zweitens eine Vermessung des Verhältnisses von Moral und Propaganda sowie drittens eine Erweiterung und Vertiefung der Quellengrundlage, mit der das Bild von der britischen Propaganda im Sommer 1940 neue Facetten erhält.

Diese dritte Aufgabe erfüllt Campion meiner Meinung nach am besten. Seine Darstellung der Propaganda um „The Few“ und „Battle of Britain“ gibt den Blick frei auf ein breites und buntes Quellenspektrum. Darstellungen der Jagdflieger in der Presse, in Magazinen, Büchern und Broschüren, Beiträge in Kurz- oder Spielfilmen, in Wochenschauen oder Radiosendern, „war poetry“, Kurzgeschichten, Memoiren, aber auch Fotos, Gemälde, Karikaturen sowie Werbeanzeigen nimmt sich Campion vor. Die immerhin 24 Abbildungen des Bandes illustrieren diese Vielfalt eindrücklich. Illustrativ ist indes auch das Vorgehen in einigen Abschnitten. Campion zitiert oft und reichhaltig aus seinen Quellen, vor allem aus Presseartikeln sowie aus Berichten des Air Ministry und Ministry of Information oder aus Manuskripten der BBC und anderer Film- und Radioproduzenten. Diese Quellendichte gibt zwar einen direkten Eindruck vom Bild, das die Propaganda von den britischen Jagdfliegern zeichnete. Sie geht jedoch gelegentlich zulasten einer weiteren Kontextualisierung der Einzelergebnisse oder einer Einordnung der jeweiligen Quellen in das gesamte Ensemble der Propaganda.

Dieses Problem ist zum Teil in der Gliederung des Bandes angelegt, trennt diese die verschiedenen Quellengattungen doch sehr säuberlich. Presseerzeugnisse, Radiobeiträge, Kurzfilme und Wochenschauen, Fotografien oder Spielfilme werden jeweils mit einem eigenen Kapitel bedacht. Diese methodisch sauber erscheinende Differenzierung birgt bei genauerem Hinsehen zwei grundsätzliche Probleme: Erstens schleichen sich im Text gewisse Redundanzen ein, wird die Entstehung und Entwicklung des propagandistischen „leitmotifs“ von „The Few“ in den Kapiteln stets aufs Neue nachgezeichnet. Entscheidender noch aber ist, zweitens, dass aufgrund der Trennung verschiedener Quellengattungen jene medialen Verschränkungen aus dem Blick geraten, wie sie für moderne Mediengesellschaften und vor allem für eine Wirkungsanalyse der Propaganda von Bedeutung sind. So lässt sich die Popularität und ikonografische Überhöhung einzelner Fotomotive (Kapitel 8) ohne ihre Verbreitung in der Massenpresse und in Magazinen (Kapitel 6) schwerlich erklären, wie Campion selbst hervorhebt: „the press carried photographs“ (S. 192). Das gilt ebenso für die weite Verbreitung von Büchern oder Berichten über die „Battle of Britain“, die oft mit Vorabdrucken in der Presse beworben oder in Zeitungsserien unters Volk gebracht wurden.

Verwunderlich ist dieser Aufbau des Bandes auch, weil Campion den Stellenwert von Netzwerken zwischen verschiedenen Akteuren, zwischen Ministerialbeamten, Militärs und Medienvertretern in mehreren Abschnitten zum Thema macht. Überzeugend und spannend sind diesbezüglich seine Beobachtungen, dass das Air Ministry – hier vor allem das Directorate of Public Relations – und das Ministry of Information eng mit den Medien, beispielsweise mit der BBC, zusammenarbeiteten, um dem Bild vom „Good Fight“ die gewünschten Konturen zu geben. Wie weit diese ministerielle Rahmung der Kriegserfahrung gehen konnte, hat bereits Richard Overy zeigen können, als er nachwies, dass das Material aus den Ministerien die zeitgenössischen Wahrnehmungen der „Battle of Britain“ entscheidend prägte.3 „We knew it was a battle“, zitiert Campion hierzu treffend einen Zeitzeugen, „but we did not know it was the [kursiv im Original] Battle of Britain“ (S. 53).

In diesem Sinne ließe sich der Gesamteindruck des Bandes auf den Punkt bringen. Garry Campion entwirft ein gewaltiges Panorama der britischen Propaganda und kommt dabei zu wichtigen Einzelbeobachtungen. Eine Synthese dieser Ergebnisse zu einem Gesamtbild findet sich dagegen selten. Darüber hinaus vermisst man eine Einordnung der Propagandamotive in langfristige Rezeptionsprozesse. Zwar betont Campion mehrfach, dass bereits im Herbst 1940 eine neue Form der Propaganda in den Vordergrund drängte. „The Few“ wurden nun vom „Blitz“-Motiv verdrängt, „images of young children wounded by Nazi bombs was more powerful and emotive propaganda“ (S. 151). Doch gerade deswegen bleibt die Persistenz der Propaganda, die emotionale Beharrungskraft des „Battle of Britain“-Motivs erklärungsbedürftig. Diese Tradierung bis heute dürfte nicht allein auf die Macht der Propaganda zum Zeitpunkt der Battle of Britain zurückzuführen sein, wie Campion vermutet, sondern sehr viel stärker auf erinnerungskulturelle Prozesse der Nachkriegszeit. Auf diese geht Campion allerdings nicht einmal ein, wenn er Quellen aus späteren Jahrzehnten heranzieht.

Eine Analyse des „entanglement“ nicht nur von Propaganda und Kriegsverlauf, sondern auch von Propaganda und Erinnerungskultur wäre aus zwei Gründen sinnvoll: Sie hätte erstens die Studie auf aktuelle Forschungsdebatten bezogen, die den Nachwirkungen der Propagandamotive in den Nachkriegsmedien nachspüren.4 Und zweitens fördert der Blick auf die Erinnerungskultur eine Selbstreflexion des eigenen „Sehepunktes“. Zumindest bleibt nach Lektüre dieses Buches der Eindruck zurück, dass die Erinnerungskultur auch am Autoren nicht spurlos vorbeigegangen ist. Das zeigt sich beispielsweise in den knappen Zwischenresümees oder im Fazit. In Letzterem mahnt Campion eine „military heritage“ an, für die „The Few“ als „a powerful example of courage and selfless duty“ (S. 314) eine Art Aktivposten darstellten. Aber auch an weiteren Stellen des Bandes fällt ein recht affirmativer Umgang mit dem Untersuchungsgegenstand ins Auge. Beispielhaft ist hierfür eines jener „war poems“ „from a Sergeant Pilot“, das dem Inhaltsverzeichnis vorangestellt ist: „God, give us grace that we, / Flying our fighters to eternity, / May meteor-like before we fall / Leave fiery trails of light, that all / Truth’s sons may clutch, and clutching rise / To blast Hell’s spawn from Heaven’s skies.“ (S. VI) Dürften derartige militärische Glorifizierungen unter deutschen Lesern Vorbehalte wecken, bereiten sie in den USA oder Großbritannien offenbar weniger Probleme. Diese interkulturellen Differenzen wiederum ließen sich wohl am einfachsten mit dem Thema des rezensierten Werks erklären. Denn die „Battle of Britain“ war ja tatsächlich ein „Good Fight“ – ob mit oder ohne Propaganda.

Anmerkungen:
1 Mark Connelly / Stefan Goebel, Zwischen Erinnerungspolitik und Erinnerungskonsum. Der Luftkrieg in Großbritannien, in: Jörg Arnold / Dietmar Süß / Malte Thießen (Hrsg.), Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa, Göttingen 2009, S. 50-65, hier S. 54; vgl. Georg Wagner-Kyora: Rezension zu: Arnold, Jörg; Süß, Dietmar; Thiessen, Malte (Hrsg.): Luftkrieg. Erinnerungen in Deutschland und Europa. Göttingen 2009, in: H-Soz-u-Kult, 23.02.2010, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-1-136> (02.12.2011).
2 Stefan Goebel, The Bottle of Britain. Krieg, Konsum und kulturelles Gedächtnis, in: Gerhard Schneider (Hrsg.), Meine Quelle. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Schwalbach 2008, S. 229-241.
3 Richard Owery, The Battle, London 2000.
4 Vgl. aus den zahlreichen Forschungen zur Propaganda und Erinnerung an die „Battle of Britain“ die einschlägigen Studien von Anthony Aldgate / Jeffrey Richards, Britain Can Take It. The British Cinema in the Second World War, Edinburgh 1994; Mark Connelly, We Can Take It! Britain and the Memory of the Second World War, Harlow 2004; Adrian Gregory, The Commemoration of the Battle of Britain, in: Paul Addison / Jeremy A. Crang (Hrsg.), The Burning Blue. A New History of the Battle of Britain, London 2000, S. 217-228; S. P. MacKenzie, British War Films 1939-1945. The Cinema and the Services, London 2001; Ders., The Battle of Britain on Screen. ‚The Few‘ in British Film and Television Drama, Edinburgh 2007; Malcolm Smith, Britain and 1940. History, Myth and Popular Memory, London 2000.

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