G. Hölbl: Altägypten im Römischen Reich III

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Titel
Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel. Bd. III: Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen


Autor(en)
Hölbl, Günther
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Anzahl Seiten
116 S.
Preis
€ 37,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

Nach den Bänden über Oberägypten und Nubien 1 schließt Hölbl mit diesem Werk nun seinen Überblick über den römerzeitlichen Tempelbau in der Provinz Aegyptus ab. Mit der Eroberung Ägyptens gab es weder in politischem noch in rechtlichem Sinn einen ägyptischen Pharao mehr - der offizielle Rechtsnachfolger des Pharaos war die res publica, nicht der Kaiser (S. 3, 5). Durch das faktische Fehlen eines Pharaos stellte sich für die ägyptischen Priester die Frage, wer statt dessen die Königsfunktion der Aufrechterhaltung der Maat ausüben könnte. Zum einen mussten zunehmend die Götter selbst diese Funktion übernehmen, zum anderen wurde der römische Pharao "konzipiert", der zwar den Namen des jeweils herrschenden Kaisers trug, jedoch rein kultischen Charakter hatte (S. 5f.); eine Entwicklung, die sich gerade auch an den Tempelbauten der westlichen Oasen belegen lässt.2

Das erste Kapitel (S. 9-34) stellt die in der östlichen Wüste gefundenen kultisch-religiösen Zeugnisse vor. Diese Wüste war sowohl wegen der Steinbrüche als auch wegen der Karawanenwege zu den Häfen des Roten Meeres von zentraler Bedeutung spätestens seit ptolemäischer Zeit. In römischer Kaiserzeit wurde die Region vom praefectus montis Berenicidis verwaltet, der direkt dem praefectus Aegypti unterstellt war. Die Griechen sahen in Pan den Gott der östlichen Wüste; dabei handelte es sich um die interpretatio Graeca des Fruchtbarkeitsgottes Min. Sowohl auf der Karawanenroute von Koptos nach Myos Hormos durch den Wadi Hammamat, als auch auf der Strecke von Koptos nach Berenike Trog(l)odytiké, aber auch auf Nebenrouten finden sich immer wieder "Paneia", von denen Hölbl vor allem das Felsheiligtum im Wadi Sikait (Senskis, beim Mons Smaragdus) genauer vorstellt, dessen Entstehung er (im Gegensatz zur üblichen Datierung in ptolemäische Zeit) in die Kaiserzeit datiert (S. 14-18). Die multiethnische Hafenstadt Berenike Trog(l)odytiké verfügte über zahlreiche Heiligtümer der verschiedenen Volksgruppen. Im Zentrum erhob sich ein Tempel im pharaonischen Stil für Isis, Osiris und Harpokrates, der seit Tiberius bis ins 2. Jahrhundert ausgeschmückt wurde (S. 19-22). Sarapis-Tempel finden sich in der Siedlung Klaudianon bei den wichtigen Bergbaugebieten am Mons Claudianus (S. 23-26) sowie nahe der Hauptsiedlung am Mons Porphyrites (S. 28-30).

Insgesamt ergibt sich für die östliche Wüste das folgende Bild: Während in ptolemäischer und frührömischer Zeit vor allem der alte Wüstengott Min-Pan verehrt wurde, rückten ab hadrianischer Zeit immer mehr die gräko-ägyptischen Kulte um Sarapis und Isis in den Vordergrund. Dies hängt auch mit der hier lebenden Bevölkerung zusammen: Die Bergbauarbeiter und die Angehörigen des Militärs kamen oft nicht aus Ägypten und hatten daher keinen Bezug zu den altägyptischen Gottheiten.

Der größte Teil der Arbeit befasst sich mit den Oasen der westlichen Wüste (S. 35-101). Charga und Dachla bildeten in römischer Zeit einen eigenen Gau mit einem Strategen an der Spitze und waren Teil der Epistrategie Thebais; Bahrija, ebenfalls ein eigener Gau, war der Heptanomia unterstellt. Ihre Bedeutung lag vor allem im wirtschaftlichen Bereich, hier fanden sich Karawanenwege, Anbaugebiete und reiche Rohstoffvorkommen, so an Alaunstein. Religiöses Zentrum der Oase Charga (S. 36-66) war der Amuntempel im Hauptort Hibis (S. 37-39), in dessen gewaltige Tore die Präfektenedikte gemeißelt wurden. Auch im Umland von Hibis finden sich zahlreiche Tempel, zumeist aus Lehmziegeln errichtet. In religiöser Hinsicht besonders aufschlussreich ist das Felsheiligtum des Piyris ("der Große", ein vergöttlichter Toter) in 'Ain el-Labacha (S. 41f.): Hier fehlen Hinweise auf einen Pharao völlig, die Götter wurden unmittelbar von Priestern und Besuchern geehrt. An Steintempeln aus römischer Zeit sind in der Umgebung von Hibis zu nennen die Naduratempel (S. 46f.) sowie der Tempelbezirk von Qasr Sajjan (Qasr 'Ain ez-Zaijân, das antike Tchonemyris) für Amun von Hibis und die thebanische Trias Amun, Mut und Chons (S. 47f.). Das Zentrum im Süden Chargas war Qasr Dusch (S. 54-66), wo sich ein großes Heiligtum erhalten hat, in dem bereits im frühen 5. Jahrhundert v.Chr. Isis von Kysis und Osiris verehrt wurden; der Steintempel entstand in domitianischer Zeit. Während im Tor noch Opferszenen mit Domitian (mit Horus identifiziert) dargestellt sind, erscheinen auf der Rückseite des Tempels (aus hadrianischer Zeit) Isis und Osiris als Garanten der Fruchtbarkeit und übernehmen damit die Funktion des ägyptischen Pharao. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass Sarapis im Verlauf der Kaiserzeit zunehmend an Bedeutung gewinnt, wie auch die Funde des Goldschatzes von Qasr Dusch zeigen.

Westlich von Charga liegt die Oase Dachla mit den Zentren Amheida (das antike Timithis) und Mut el-Charab (Mothis). Die wirtschaftliche Bedeutung der Oase stieg in römischer Zeit durch die Einführung der Wasserschöpfkonstruktion saqijah, die zum Teil bis heute in Gebrauch ist. Mittlerweile sind ungefähr 20 römerzeitliche Tempel in der Oase bekannt, wobei Hölbl sich auf die Surveys des kanadischen "Dakhleh Oasis Project" stützt und auch neueste Funde wie das Relief des Steintempels von 'Ain Birbija einbezieht (S. 81). Dieser dem Amun-Nacht und der Hathor geweihte Tempel zeigt den römischen Pharao in der Rolle des bloßen Ritualisten, während Amun-Nacht die königliche Funktion des Schutzes der Welt vor dem Chaos übernommen hat. Auch im Tempel der Trias Amun-Re, Mut und Chons in Deir el-Hagar (S. 81-88) wird die Königsfunktion zum Teil auf die Götter übertragen. In Ismant el-Charab (dem antiken Kellis, ebenfalls vom "Dakhleh Oasis Project" ausgegraben, S. 88-95) schließlich befindet sich das einzige bekannte Heiligtum des Gottes Tutu (griechisch Totoes oder Tithoes), das auch seiner Mutter Neith und seiner Gattin Tapschai (griechisch Tapsais) geweiht war. Letztere ist nur aus Kellis bekannt und scheint eine sehr späte theologische Schöpfung gewesen zu sein. Tutu und Tapschai erscheinen als König und Königin der beiden Ägypten. Im Schrein I haben dann Priester und Götter ganz die Königsfunktion übernommen. Kellis ist auch insofern von Interesse, als hier 1995 der erste hieroglyphische Beleg für Kaiser Pertinax gefunden wurde (S. 93). Schließlich lässt sich auch in Kellis die Ausbreitung der Kulte der Isis und des Sarapis beobachten.

In einem kurzen Überblick werden dann die römerzeitlichen Tempelbauten der Oasen Bahrija, Siwa und Fajjum behandelt (S. 95-101). Die Ausbreitung der griechischen und volkstümlichen Elemente im Kult lässt sich wieder in Bahrija feststellen - damit wurde auch hier der Pharao als Mittler zu den Göttern unnötig. Der Fajjum bildete mit dem Hauptort Krokodilopolis (Medinet el-Fajjum) seit den ptolemäischen Agrarreformen einen eigenen Gau, in dem sich aufgrund der heterogenen Bevölkerung griechische, ägyptische und synkretistische Kulte ausbreiteten. Im Zentrum stand der Kult des Krokodilsgottes Sobek.

Ein klar formuliertes, stringentes Fazit (S. 102-105) zum ägyptischen Königtum in den Sakralbauten der römischen Provinz Aegyptus schließt alle drei Bände ab. Dabei fasst Hölbl nochmals die zentralen Ergebnisse seiner Untersuchungen zusammen: Die altägyptische Königsfunktion musste neu definiert werden, weil der Herrscher nun dauerhaft außerhalb Ägyptens residierte. Daher wurde ein römischer Pharao geschaffen, der eigentlich keine politische Funktion mehr hatte, sondern als Ritualist auf den Tempelreliefs "virtuell" mit den Göttern verkehrte. Damit einher geht eine zunehmende Entindividualisierung des Pharao. In einem weiteren Schritt war es dann möglich, gänzlich auf den Pharao zu verzichten und die Königsfunktion in bildlichen Darstellungen auf die Götter selbst (Funktion des königlichen Schutzes vor dem Chaos) und die Priester (Funktion des königlichen Ritualvollzugs) zu übertragen. Parallel dazu dehnten sich die griechisch-römischen Kulte von Sarapis und Isis immer weiter aus (die im Übrigen auch keinen Pharao mehr benötigten). Die Arbeit enthält ein umfangreiches Glossar (S. 106-110), allerdings fehlen einige Begriffe, die häufig verwendet werden, einem Laien jedoch unbekannt sein dürften, so "Speos", "Hydreuma" oder "Columbarium".

Die enorme Sachkompetenz des Verfassers (sowohl in der Ägyptologie wie in der Alten Geschichte), die Einbeziehung der neuesten Forschungsergebnisse und die beeindruckende Fülle der untersuchten bildlichen und schriftlichen Zeugnisse machen aus den drei Bänden ein wegweisendes Standardwerk zur Entwicklung der altägyptischen Religion in der römischen Kaiserzeit und werden der Forschung zur Provinz Aegyptus wichtige Impulse geben.

Anmerkungen:
1 Hölbl, Günther, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel, Bd. I: Römische Politik und altägyptische Ideologie von Augustus bis Diocletian, Tempelbau in Oberägypten, Mainz am Rhein 2000; Ders., Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel, Bd. II: Die Tempel des römischen Nubien, Mainz am Rhein 2004 (vgl. Rez. von Friederike Herklotz, H-Soz-u-Kult, 10.01.2005 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2005-1-021>). Das derzeitige Interesse an der Entwicklung der ägyptischen Kultur in römischer Zeit zeigt sich auch in anderen Publikationen, vgl. z.B. Lembke, Katja; Fluck, Cäcilia; Vittmann, Günter, Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil (Zaberns Bildbände zur Archäologie), Mainz am Rhein 2004 (vgl. Rez. von Friederike Herklotz, H-Soz-u-Kult, 01.09.2004 <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-3-126>).
2 Einen Überblick über die Geschichte der westlichen Oasen seit altägyptischer Zeit bietet im Übrigen: Willeitner, Joachim, Die ägyptischen Oasen. Städte, Tempel und Gräber in der Libyschen Wüste (Zaberns Bildbände zur Archäologie), Mainz am Rhein 2003.

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