K. Lembke: Ägyptens späte Blüte

Cover
Titel
Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil


Autor(en)
Lembke, Katja; Fluck, Cäcilia; Vittmann, Günter
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Anzahl Seiten
131 S.
Preis
€ 41,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Friederike Herklotz, Institut für Geschichte, Technische Universität Dresden

Als im Jahre 30 v.Chr. Octavian-Augustus Alexandria eroberte, war die über 300-jährige Herrschaft der Ptolemäer beendet. Bis zur Eroberung durch die Araber im Jahre 641 n.Chr. blieb Ägypten eine wichtige Provinz des römischen Reiches, denn das Land verfügte über hervorragende natürliche Bedingungen. Faszinierend ist es nunmehr zu verfolgen, welche Auswirkungen die Eingliederung Ägyptens in das Römische Reich für die ägyptische Kultur hatte und wie das Zusammenleben der Römer, Griechen und Ägypter erfolgte. Leider gehört das römische Ägypten immer noch zu den Randgebieten der Alten Geschichte bzw. der Ägyptologie, obwohl in den vergangenen Jahren deutlich mehr Publikationen zu diesem Themenbereich erschienen sind.

Ein Autorenteam unter der Leitung der klassischen Archäologin Katja Lembke möchte das Römische Ägypten einem breiteren Publikum näher bringen. Bereits im Jahre 2000 erschien im selben Verlag der erste Teil des Buches von Günter Hölbl 1 über das römische Ägypten. Der Wiener Ägyptologe beschränkte sich in seinem Werk auf den Tempelbau. Darüber hinaus bot er einen ausführlichen Überblick über die Ereignisgeschichte. Lembke will dagegen möglichst viele Lebensbereiche des römischen Ägypten in ihre Darstellung einbeziehen. Dieses Anliegen ist berechtigt, denn es trat eine Vermischung der römischen, griechischen und ägyptischen Kultur ein, so dass diese nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Aber auch Lembke muss eine Auswahl treffen. Als klassische Archäologin beschränkt sie sich vorwiegend auf solche Themenbereiche, die mit Hilfe archäologischer Quellen rekonstruiert und die durch Fotos und Abbildungen dem Leser dargeboten werden können. Ergänzt wird der Text von zwei weiteren Kapiteln, welche sich zum einen (Kapitel 7) mit der Schrift und der Verwaltung, zum anderen (Kapitel 8) mit der Spätantike und dem frühen Christentum beschäftigen. Verfasst wurden sie von dem Ägyptologen Günter Vittmann bzw. der Koptologin Cäcilia Fluck. Ein Papyrologe hätte das Autorenteam sicher gut ergänzt, denn gerade die Papyri geben einen guten Einblick in die Sozialgeschichte des eroberten Landes.

Der Text ist sehr übersichtlich gegliedert und beruht weitestgehend auf dem neuesten Forschungsstand. Am Ende jedes Kapitels befindet sich eine kurze Zusammenfassung. Zahlreiche qualitätsvolle Fotos und Abbildungen lockern die Darstellung auf. Der Anmerkungsapparat ist kurz gehalten und beschränkt sich auf die aktuelle Literatur, da das Werk an ein breiteres Publikum gerichtet ist. Es fehlt eine Synthese der Ergebnisse am Ende des Buches. Gerade weil die einzelnen Beiträge von unterschiedlichen Autoren geschrieben wurden, wäre diese sehr hilfreich gewesen.

Das erste Kapitel "Ägypten nach dem Tod Kleopatras - ein historischer Überblick" (S. 4-12) beschränkt sich auf die wichtigsten Punkte - der Tod der Kleopatra, Alexander und Augustus, Cornelius Gallus, die Nachfolger des Augustus, die Flavier, die Juden in Ägypten, Hadrians Ägyptenreise, Ägypten unter den Severern, die Soldatenkaiser, das Christentum sowie Wirtschaft und Verwaltung. Dieser Abriss ist etwas zu kurz geraten. Gerade dem Leser, der mit der Materie wenig vertraut ist, fällt es schwer, der Autorin zu folgen, da wichtige Sachverhalte stark verkürzt dargestellt werden. Bereits im ersten Kapitel hätte auch eine ausführlichere Darstellung der Verwaltung und Sozialstruktur des Landes erfolgen müssen. Möglicherweise hätte hier der Abriss von Vittmann über Schrift und Verwaltung eingearbeitet werden können.

Das zweite Kapitel (S. 13-25) beschäftigt sich mit "Ägypten aus römischer Sicht - zwischen Faszination und Ablehnung". Die ägyptische Kultur hat auf die Römer eine große Ausstrahlungskraft ausgeübt, wobei sich die Akzeptanzbewegung in drei Hauptphasen unterteilen lässt - die Ägyptomanie in Italien nach der Eroberung durch Ägypten, die politische Legitimation der Flavier durch die ägyptischen Kulte nach 69 n.Chr. und schließlich die weitgreifende Ausbreitung der ägyptischen Religion im 2. und 3. Jahrhundert n.Chr. Nicht unbeachtet bleiben aber auch die negativen Strömungen, welche die Einnahme Ägyptens nach sich zog. So geht Lembke auf das schlechte Bild der Ptolemäer am Beginn der römischen Herrschaft ein, auf das Unverständnis gegenüber den ägyptischen Tierkulten, die Diffamierung der ägyptischen Tempel als Orte des Lasters und schließlich die Ablehnung des fremden Elementes, also der ägyptischen Bevölkerung.

Das dritte Kapitel "Städtebau und Alltagsleben - Traditionen und Innovationen" (S. 26-36) beleuchtet die soziale Struktur des Landes. Zunächst werden die griechischen poleis Alexandria, Naukratis, Ptolemais und Antinopolis vorgestellt. Kurz wird anschließend eine der vierzig metropoleis - Hermopolis - beschrieben. Die Wurzel dieser Stadt geht in die pharaonische Zeit zurück. Altägyptische Traditionen wurden gepflegt, gleichzeitig adaptierte man die griechische Kultur. Im Städtebau orientierte man sich hier am Beispiel Alexandrias. Der ländliche Bereich in Ägypten stellt sich dagegen anders dar, denn hier bildeten Tempel ägyptischer Götter die beherrschenden öffentlichen Gebäude. Sehr anschaulich wird das Leben in den Villen, die Verkehrsverbindungen in Ägypten sowie die Landwirtschaft und Wasserversorgung beschrieben. Als wichtigstes Ergebnis ist festzuhalten, dass die Hellenisierung des Niltals offenbar nicht von der Entfernung von Alexandria, sondern von der jeweiligen administrativen Bedeutung der jeweiligen Ortschaft abhing.2

Das vierte Kapitel (S. 37-50) ist unter der Überschrift "Tempel und Kult - alte und neue Götter" dem Götterglauben gewidmet. Zunächst geht Lembke auf die griechischen und ägyptischen Aspekte des Kaiserkultes ein und stellt anschließend Kultanlagen des Kaisers im ägyptischen und griechischen Stil vor. Allgemeine Kultanlagen existierten nicht nur in den griechischen poleis, sondern gehörten zu den üblichen öffentlichen Gebäuden in den Gauhauptstädten. Darüber hinaus wurden Kultbauten für einzelne Kaiser errichtet.3 Verbunden wurde der Kaiserkult mit dem Kult der einheimischen Götter.4 Im Folgenden legt Lembke dar, wie griechische Götter in das ägyptische Pantheon integriert wurden; einerseits diffundierte das griechische Gedankengut und assimilierte sich mit altägyptischen Vorstellungen. Andererseits sind lokale Unterschiede in der Integration zu bemerken. Besonderes Augenmerk lenkt Lembke auf den Gott Sarapis, dessen Kult eine Verbindung zwischen ägyptischer und griechischer Tradition bildet. Ein wenig kurz kommen der ägyptische Tempelbau und die Veränderungen in der ägyptischen Theologie. Lembke spricht von einer Zentralisierung und Simplifizierung, die sich auch im Tempelbau äußerte: Bauornamentik und Gebäudetypen wurden vereinfacht, der Tempelgrundriss standardisiert. Dies ist richtig, andererseits wurde gerade unter den Kaisern im 1. und 2. Jahrhundert ein enormes Bauprogramm durchgeführt. Tempelkomplexe wie Dendara, Philae, Kom Ombo, Esna und Kalabsha wurden in römischer Zeit ausgebaut. Darüber hinaus gab es auch Tempelneugründungen, wie z.B. in El-Qal'a, Schenhur und Dendur. Die ägyptische Theologie wurde an die neuen politischen Bedingungen angepasst, wobei es durchaus zu Neuschöpfungen kam.

Das Kapitel 5 (S. 51-65), überschrieben mit "Gräber und Mumien - Römer im Leben, Ägypter im Tod", behandelt den Totenkult in römischer Zeit. Lembke stellt zunächst die Grabstätten in Alexandria vor, wobei es sich hier um römische Bestattungen in einer griechischen polis handelt. Im anschließenden Abschnitt beschäftigt sie sich mit Bestattungssitten, mit Mumienporträts, Mumienmasken und Leichentüchern, die vorwiegend aus Gräbern der Oase Fayum und Mittelägyptens überliefert sind. Sehr ausführlich werden anschließend der Grabkomplex in Tuna el-Gebel, der Nekropole von Hermopolis, und der Friedhof in Theben analysiert und miteinander verglichen. Hier geht es Lembke nicht nur um die Architektur, sondern sie beschreibt auch die Dekoration der einzelnen Gräber, was durch sehr gute Abbildungen und Fotos unterstrichen wird. Es zeigt sich, dass alle Inhalte der altägyptischen Religion noch präsent waren, wenn auch teilweise in gewandelter Form. Wiederum wird deutlich, dass die ethnische Zusammensetzung der Gesellschaft und die Bedeutung und Lage der Siedlungen eine wichtige Rolle bei der Hellenisierung spielten.

Im 6. Kapitel "Oasen, Ostwüste und oberer Nil - Kulturbegegnungen im Grenzbereich" (S. 66-84) wirft die Autorin einen Blick auf die Randgebiete des Niltales, auf die Oasen in der Westwüste, den südlichen Grenzbereich in Unternubien und die Bergbaugebiete in der Ostwüste. Zunächst werden das urbane Leben und die Landwirtschaft, der Totenkult und der Tempelbau in den Oasen der Westwüste beschrieben. Lembke bespricht ausführlich die unterschiedlichen Nekropolen in den Oasen Siwa, Dachla und Bahariya und kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Kultur der Oasen in römischer Zeit kaum von den Hinterlassenschaften aus dem Niltal unterscheidet. Leider kommt wiederum der Tempelbau in den Oasen etwas zu kurz. Auch ein Blick auf die Theologie der einzelnen Tempel wäre interessant gewesen, denn hier existierten durchaus eigenständige Entwicklungen.5 Sehr eindrucksvoll wird die Situation in der Ostwüste geschildert. Hier wurden zahlreiche wichtige Rohstoffe, wie Gold, Porphyr und Granodiorit, gefördert. Zudem befanden sich am Ufer des Roten Meeres Hafenstädte, von denen sich Verbindungen bis nach Indien und Sri Lanka nachweisen lassen. Ein weiteres wichtiges Grenzgebiet, das sozusagen einen Korridor zu Afrika und eine Pufferzone zwischen Rom und Meroe darstellt, war das Zwölfscheunenland. Es florierte besonders in der frühen Kaiserzeit und wurde wohl auch finanziell vom römischen Kaiserhaus gefördert. Schade, dass Lembke diesem wichtigen Gebiet so wenig Raum gibt. Im Zusammenhang mit den Randgebieten kommt Lembke auch auf die Grenzsicherung durch das römische Militär zu sprechen.

Mit der Schrift und Verwaltung des Landes beschäftigt sich das 7. Kapitel (S. 85-98). Vorgestellt werden zunächst die verschiedenen Schriftarten - Hieroglyphenschrift, Hieratisch, Demotisch und Koptisch. Latein spielte nur eine untergeordnete Rolle. Zahlreiche demotische Literaturwerke sind auf Handschriften der Römerzeit überliefert, wobei die Entstehungszeit dieser Texte schon länger zurückliegen könnte. Hieroglyphisch und Hieratisch waren auf sakrale Kontexte beschränkt. Demotisch wurde im öffentlichen Leben allmählich vom Griechischen verdrängt, was allerdings auch damit zusammenhängen kann, dass diese Sprache einfacher zu handhaben war. Es folgt ein Überblick über die Verwaltung des römischen Ägypten vom Präfekten bis zur Ebene des Dorfes. Anschließend werden Steuer- und Liturgiewesen geschildert. Die Auflockerung des an sich trockenen Stoffes durch Zitate aus den verschiedenen Papyri macht den Text sehr lesenswert. Am Ende des Kapitels erfolgt eine Darstellung der Diokletianischen Reformen. Dieser Absatz hätte besser in das Kapitel 8 über Spätantike und frühes Christentum in Ägypten verlagert werden sollen.

Das Kapitel 8 zur Spätantike (S. 99-120) gibt zunächst einen Überblick über die politische Situation, um dann auf die Anfänge des Christentums, auf die besondere Rolle der ägyptischen Kirche im Verhältnis zu Rom und Konstantinopel und die Entstehung des Mönchtums einzugehen. Fluck stellt die Kellia vor, einen gewaltigen Komplex von Einsiedlerzellen in der westlichen Wüste, und spricht über das Klosterleben in Oberägypten am Beispiel der Klostergründer Pachom und Schenute. Zudem stellt sie Abu Minas als spätantikes Pilgerzentrum vor. Bedauerlicherweise orientiert sich auch Fluck wiederum vorwiegend an den archäologischen Quellen. Zitate aus den verschiedenen Erzählungen über die Kirchenväter hätten die Darstellung abgerundet. Im letzten Teil des Kapitels stehen Gesellschaft, Volksglaube, Alltagsleben und Totenkult im Mittelpunkt, bevor am Ende ein Ausblick auf die Geschichte Ägyptens nach den Römern gegeben wird.

Der Anhang (S. 121-131) enthält eine Zeittafel (im vorderen Teil des Buches auch eine Karte), ein Glossar und eine kurze Auswahlbibliografie.6 Wünschenswert wäre ein Index gewesen. Dies ist allerdings nicht den Autoren anzulasten, sondern liegt an der allgemeinen Konzeption der Reihe.

Insgesamt vermittelt das Buch ein lebendiges Bild des Römischen Ägypten, vorwiegend aus dem archäologischen Blickwinkel. Wer sich über Architektur und Dekoration von Gräbern sowie über Aufbau und Bevölkerungsstruktur von Siedlungen informieren will, findet hier eine sehr anschauliche Einführung mit qualitätvollen Abbildungen. Zu wenig werden jedoch die Ereignisgeschichte, der ägyptische Tempelbau und die theologischen Inhalte der ägyptischen Religion behandelt. Leider spielen auch die Papyri nur eine untergeordnete Rolle.

Anmerkungen:
1 Hölbl, Günther, Altägypten im Römischen Reich. Der römische Pharao und seine Tempel, Mainz 2000.
2 Leider unterlaufen der Autorin einige Fehler: Das Caesareum in Hermopolis (S. 31) ist durch Papyri aus dem 2. Jh. und nicht erst aus dem 3. Jh. belegt, vgl. P. Ryl. 2, 77 (II, Z. 42) und P. Hamb. 73 (Z. 19-20). Der Bericht über Restaurationsarbeiten an der Antinoestraße (S. 31) ist in P. Vindob. gr. 12565 aus dem 3. Jh. n.Chr. belegt. Hier wäre eine Bezeichnung hilfreich gewesen, die sich an der Checklist of Greek Papyri orientiert, damit der Papyrus leicht zu finden ist (es handelt sich um SB 10, 10299). Auf S. 33 verwechselt Lembke offenbar das Memphisdekret mit dem Kanoposdekret, als sie davon spricht, dass Privatpersonen aufgefordert wurden, Skulpturen der Ptolemäer in ihren Häusern aufzustellen.
3 An dieser Stelle hätte Lembke allerdings ausführlicher auf das Sebasteion in Alexandria eingehen können, von dem eine Beschreibung des Philo von Alexandria vorliegt, Phil. leg. 149-151, vgl. dazu Hänlein-Schäfer, Heidi, Veneratio Augusti. Eine Studie zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers, Roma 1985.
4 Dies lässt sich bereits in der Regierungszeit des Augustus und nicht erst im 3. Jh. n.Chr. nachweisen, vgl. die Papyri CPR 7, 1; BGU 4, 1200; P. Oxy. 8, 1143; SB 20, 14099.
5 Vgl. z.B. die Dissertation von Kaper, Olaf, Temples and Gods in Roman Dakhleh. Studies in the indigenous cults of an Egyptian Oasis, Groningen 1997, oder den Sammelband Kaper, Olaf (Hg.), Life on the fringe, Living in the Southern Egyptian Deserts during the Roman and early Byzantine periods, Leiden 1998.
6 Hinzuweisen wäre auf das kürzlich erschienene Buch Alston, Richard, The City in Roman and Byzantine Egypt, London 2001.

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