Filmblatt 28 (2023), 81

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Filmblatt 28 (2023), 81
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Einmal um die Welt im Weimarer Kino / Exil und Migration

Published on
Extent
141
Price
10 €

 

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Organization name
Filmblatt
Country
Germany
Locality
Berlin
c/o
CineGraph Babelsberg e.V., c/o Postfach 12 09 20, D-10599 Berlin
By
Brigitte Braun, FB II - Medienwissenschaft/ Mediengeschichte, Universität Trier

Das Weimarer Kino war enorm reiselustig. Viele Filme entstanden allerdings nicht unterwegs, sondern im Berliner Umland. Noch während der Erste Weltkrieg tobte, inszenierte Richard Oswald im Herbst 1918 die Jules-Verne-Adaption Die Reise um die Erde in 80 Tagen". Als die Dreharbeiten begannen, war Deutschland noch eine Monarchie, zum Zeitpunkt der Premiere am 20. März 1919 eine Republik. Wie in der Vorlage folgt der Film seinem – hier von Conrad Veidt verkörperten – Helden Phileas Fogg einmal um den Erdball, von England über den Orient und Indien nach China und Japan bis nach Nordamerika und vom Wilden Westen wieder zurück nach London. Gedreht wurde alles in Berlin und Umgebung: Die Außenaufnahmen am Wannsee oder im Botanischen Garten, wie Anett Werner-Burgmann in ihrem Text zeigt, die Innenräume im Stil des „Wohnzimmerorientalismus“ im Studio.

Um Orientalismen geht es auch in Annette Dorgerlohs Aufsatz über die Märchenverfilmung Der falsche Prinz (1922). Die Kulissen dafür standen ebenso im Märkischen Sand wie die Drehorte für das zaristische Russland, in dem Die Leibeigenen (1928) angesiedelt ist. Michael Wedel ordnet Richard Eichbergs Film zwischen Melodrama, Operette und „Russenfilm“ ein. Zudem ist es der erste „richtige“ Heinrich-George-Film, in dem die monumentale Leinwandpräsenz des Schauspielers voll zur Wirkung kommt.

An den fiktiven Schnakensee reisen die Beamten im Schwank Weekend im Paradies (1931), den Ted Fendt vorstellt; gedreht wurde in Glienicke zwischen Berlin und Potsdam. Die weite Welt nach Dresden brachte wiederum die Ausstellung „Die Technische Stadt“ (1928), deren filmische Resonanz Jeanpaul Goergen aufzeigt. Aus Übersee auf dem Weg zurück in die Heimat ist der von Tenor Richard Tauber gespielte Sänger im kürzlich restaurierten Film Ich glaub’ nie mehr an eine Frau (1930). Die international ausgreifende Geschichte der Wiederauffindung und Rekonstruktion schildert Andréas-Benjamin Seyfert.

Aus Argentinien ins „Land ihrer Eltern“ zurückgekehrt ist auch die Filmemacherin Jeanine Meerapfel. Bettina Henzler untersucht in ihrem Aufsatz Meerapfels Dokumentarfilm Im Land meiner Eltern (1981), der nicht nur die erzwungene Emigration der Familie Meerapfel nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten thematisiert, sondern sich auch mit dem Jüdischsein in der Bundesrepublik auseinandersetzt. Studium, Exil und Migration waren die zentralen Themen der Reihe „Fiktionsbescheinigung“, die in den vergangen drei Jahren im Rahmen des Internationalen Forums des jungen Films der Berlinale lief und die Frederik Lang in seinem Review-Essay vorstellt.

Wir wünschen Ihnen angenehme Reiselektüre mit dem neuen Filmblatt.
In eigener Sache: Wir danken Oliver Hanley, der die Redaktion verlassen hat, sehr herzlich für seine jahrelange Mitarbeit!

Die Redaktion im Frühjahr 2023

Table of contents

Editorial
[1]

Artikel

Anett Werner-Burgmann: Die Welt zu Gast in Berlin. Exotismen und Stereotype in Richard Oswalds Die Reise um die Erde in 80 Tagen (1919) [3]

Annette Dorgerloh: Ein morgenländisches Märchen im Märkischen Sand. Erwin Bárons Der falsche Prinz (1922) [19]

Michael Wedel: Elementarkraft mit Zartsinn. Die Leibeigenen (1928) zwischen Melodrama, Operette und „Russenfilm“ [29]

Jeanpaul Goergen: Geheimnisse des technischen Lebens. Die Ausstellung „Die Technische Stadt“ 1928 in Dresden und der Film [39]

Andréas-Benjamin Seyfert: Die Rückkehr eines Verschollenen. Die Auffindung und Restaurierung von Richard Taubers Tonfilmdebüt Ich
glaub’ nie mehr an eine Frau (1930) [55]

Ted Fendt: Ministeriale Sittenlosigkeit am Schnakensee. Robert Lands Bühnenschwank-Verfilmung Weekend im Paradies (1931) [63]

Bettina Henzler: Wahlverwandtschaften. Migration als ästhetische Position in Jeanine Meerapfels Im Land meiner Eltern (1981) [77]

Review

Frederik Lang: Studium, Exil, Migration. Die Reihe „Fiktionsbescheinigung“ im Forum der Berlinale [93]

Philipp Stiasny: Auf ins Land der Gespenster. Die Berliner Ausstellung zu F.W. Murnaus Nosferatu (1922) in der Sammlung Scharf-Gerstenberg [99]
Michael Wedel: Romantik, Okkultismus und Hygiene. Neue Literatur zum Weimarer Kino [105]

Rezensionen

Claudia Lenssen, Maike Mia Höhne: Kino, Festival, Archiv. Die Kunst für gute Filme zu kämpfen. Erika und Ulrich Gregor in Gesprächen und Zeitzeugnissen. Marburg: Schüren 2022 (Frederik Lang) [115]

Heike Klapdor: Mit anderen Augen. Exil und Film. München: edition text + kritik 2021 (Anjeana K. Hans) [116]

Marcus Plaul, Anna-Rosa Haumann, Kathleen Kröger (Hg.): Kino in der DDR. Perspektiven auf ein alltagsgeschichtliches Phänomen. Baden-Baden: Nomos 2022 / Patrick Rössler: Großes Kino. Monumentale DDR-Filmplakate der 1960er Jahre. Erfurt: Universität Erfurt 2021 (Philipp Stiasny) [118]

Stefanie Mathilde Frank, Ralf Schenk (Hg.): Publikumspiraten. Das Genrekino der DEFA und seine Regisseure (1946 – 1990). Berlin: DEFA-Stiftung 2022 (Elizabeth M. Ward) [122]

Steffi Ebert, Bettina Kümmerling-Meibauer (Hg.): Von Pionieren und Piraten. Der DEFA-Kinderfilm in seinen kulturhistorischen, filmästhetischen und ideolo- gischen Dimensionen. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2021 (Anett Werner-Burgmann) [125]

Christoph Menardi: Der Traum vom großen Kino. Die Unternehmensgeschichte der Bavaria Film GmbH von 1945 bis 1994. München: edition text + kritik 2022 (Kay Hoffmann) [127]

Nicholas G. Schlegel: German Popular Cinema and the Rialto Krimi Phenomenon. Dark Eyes of London. Lanham u.a.: Lexington Books 2022 (Philipp Stiasny) [129]

Katharina Sykora (Hg.): ZwischenWelten. Ulrike Ottingers Filme im Spiegel der transatlantischen Kritik. Konstanz: Konstanz University Press 2022 (Maja Roth) [131]

Cornelia Ruhe, Thomas Wortmann (Hg.): Die Filme Fatih Akıns. Paderborn: Brill Fink 2022 (Philipp Stiasny) [133]

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe
[136]

Impressum
[138]

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