Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 22 (2020)

Titel der Ausgabe 
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 22 (2020)
Weiterer Titel 

Erschienen
Stuttgart 2020: Franz Steiner Verlag
Erscheint 
Jährlich 1 Band
Anzahl Seiten
336 S.

 

Kontakt

Institution
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Wilbert Ubbens Mendestr. 25 D-28359 Bremen E-Mail: <ubbens@arcor.de> Redaktion Buchrezensionen: Jun.-Prof. Dr. Daniel Bellingradt Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Buchwissenschaft Katholischer Kirchenplatz 9 D – 91054 Erlangen E-Mail: <daniel.bellingradt@fau.de>
Von
Daniel Bellingradt

Die Kommunikationsgeschichte hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen: als Thema und als erkenntnisleitende Perspektive, für die Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen wie für die Geschichtsschreibung im Besonderen. Wir unterstellen, dass die Einsicht weiter wachsen wird, welche Bedeutung der Medien- und Kommunikationsgeschichte für unterschiedlichste Forschungsfelder zukommt. Kommunikationsgeschichte, wie wir sie verstehen, fragt nach der Bedeutung der Medien für Menschen und Gesellschaft, nach kommunikativen Wirkungen und nach Entstehung und Strukturwandel von Öffentlichkeit.

Der Kommunikationsgeschichte liegt ein breiter Medienbegriff zugrunde; er schließt die öffentliche Rede ebenso ein wie den Brief, das Denkmal, die Flugpublizistik und Buch, Zeitung und Zeitschriften, Kino und Rundfunk und – nicht zuletzt – die internet-basierten Medien. Kommunikationsgeschichte untersucht neben den Massenmedien auch andere Öffentlichkeiten: Als Beispiele seien Versammlungen und Demonstrationen, die kommunikative Praxis auf Straßen und Plätzen sowie die Rezeption von Anschlägen an Kirchentüren, Toren und Mauern genannt. Kommunikationsgeschichte analysiert historische Kommunikationssituationen, sie untersucht Medienverbünde und bezieht systematisch Kommunikatoren und ihr Publikum ein.

Daher versteht sich das Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte als interdisziplinäres Forum für die Geschichts-, Kultur-, Medien-, Kommunikations- und verwandte Wissenschaften. Es stellt kommunikationshistorische Forschungsergebnisse und Forschungsprojekte der breiteren wie der Fachöffentlichkeit vor. Es dient zugleich als ein Ort für Forschungsdebatten und die Diskussion historiografischer Perspektiven.

Das JbKG erscheint seit 1999. Sein konzeptioneller Aufbau folgt einem vierteiligen Gliederungsprinzip. Der erste Teil ist Aufsätzen vorbehalten. Bevorzugt werden dabei quellennahe, kommunikationshistorische Forschungen, die in ihren Fragestellungen sowohl an den Problemen der Vergangenheit als auch an den Interessen der Gegenwart orientiert sind. Die Miszellen, der zweite Teil, bieten aktuelle Forschungsberichte über die Erschließung, Einordnung und Bewertung wichtiger kommunikationshistorischer Quellenbestände. Eine möglichst breite Information über kommunikationshistorische Publikationen liefert das Jahrbuch in seinem dritten und vierten Teil: Der ausführliche Rezensionsteil enthält kurze prägnante Besprechungen wichtiger Monographien, Sammlungen und Editionen. Die von Wilbert Ubbens (Bremen) bearbeitete Bibliographie der Aufsatzliteratur wertet mehr als 800 internationale Zeitschriften und Jahrbücher aus zahlreichen relevanten Disziplinen aus und konkretisiert nahezu alle Nachweise durch kurze inhaltliche Annotationen. Ein Register erschließt die wichtigen Sachen und Personen, die im Textteil der Aufsätze und Miszellen Erwähnung finden.

Die eingereichten Artikel werden anonym von zwei Berichterstatterinnen bzw. Berichterstattern begutachtet. Die Herausgeber entscheiden abschließend über die Annahme der Artikel.

In recent years, communication history has experienced growing importance: It has become both a significant discipline and a central perspective for historical research. Thus, from our point of view, communication history is important for social sciences in general and historiography in particular: Communication history focuses on the relationship between the media, individuals and society, identifies the effects of communication, and scrutinizes the formation of and changes in public spheres, public life, and public spaces.

The discipline itself is based on a broad understanding of the term »media«, including but not limited to public speeches, letters, monuments, pamphlets and broadsides, books, newspapers, magazines, cinema, radio and - last but not least - online media. It is not confined to mass media but analyses a broad range of media manifestations, such as rituals, public gatherings and demonstrations, street corner orations and the reception of bills posted on church doors, gates and walls.

Since its establishment in 1999, the Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte (Yearbook for Communication History) is an interdisciplinary forum for scholars interested in the history of culture, media, communication and many related fields. With its presentation of new results and recent findings of historical research on the public sphere and on the history of communication the yearbook aims at both the broader public and the scientific community. Furthermore, the yearbook serves as a forum for all kinds of methodological, theoretical and empirical discussions on the historiography of communication.

The yearbook offers four main sections. The first section, Essays, publishes recent research on the history of communication; the research concentrates on primary sources and focuses on both the problems of the past and the interests of the present. The second, Miscellania, reports on the latest research on the publication, classification and evaluation of important archival sources. The yearbook provides a broad overview of publications in communication history in its third and fourth sections. In the third section, Reviews, important monographs, compilations and editions are comprehensively and incisively discussed by distinguished experts. The fourth section, Bibliography, is edited by Wilbert Ubbens (Bremen); he lists references in the literature from more than 800 international journals and yearbooks in numerous relevant disciplines and catalogs; the references are provided with short annotations. An index to subjects and an index to persons offer cross-references to the corresponding passages in the sections Essays and Miscellania.

Submitted articles are anonymously assessed by two reviewers. The final decision on the acceptance of articles is reached by the editors.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

FORUM KOMMUNIKATIONSGESCHICHTE
Das ›Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte‹ widmet sich seit nunmehr 20 Jahren der Vielfalt an möglichen Zugängen und interdisziplinären Perspektiven zu historischer Kommunikation. Die anhaltenden Fragen zu Konturen, Werkzeugen und Denkmustern kommunikationshistorischer Erkenntnisinteressen geben uns Anlass, ein Beitrags-Forum zu begründen, dessen Grundfrage »Was ist Kommunikationsgeschichte« in den nächsten Jahren aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen und aus dem Blick auf verschiedene Epochen erörtert werden soll. Die bewusst kurz gehaltenen und mit wenigen Anmerkungen versehenen Beiträge dieses Forums sollen fragende, einordnende und anregende Impulse geben, um »Kommunikationsgeschichte« innerhalb historisch arbeitender Disziplinen konzeptionell zu schärfen. In diesem Sinne werden die einzelnen Beitragenden das eigene (fachliche) Verständnis von Kommunikationsgeschichte vorstellen, begründen sowie Potentiale und Grenzen der eigenen Ansätze erörtern.

Jürgen Wilke (Mainz)
Die Zukunft der Kommunikationsgeschichte:
Veränderte Randbedingungen und künftige Perspektiven
OPEN ACCESS: http://www.steiner-verlag.de/uploads/tx_crondavtitel/datei-datei/9783515128667_p.pdf

Christina von Hodenberg (London)
Ein zeithistorischer Blick auf die Medien- und
Kommunikationsgeschichte des langen 20. Jahrhunderts

Patrick Merziger (Leipzig)
Ist die Kommunikationsgeschichte längst Geschichte?
Eine Historiographie der Medienwirkungen als Herausforderung und Zukunftsperspektive

AUFSÄTZE
_Stefan Beckert / Alexander Kästner / Gerd Schwerhoff / Jan Siegemund /
Wiebke Voigt (Dresden)_
Invektive Kommunikation und Öffentlichkeit: Konstellationsanalysen im 16. Jahrhundert
Die historische Erforschung der Öffentlichkeit ist bislang von einer normativen Deformation gekennzeichnet: Implizit oder explizit bildet der Kommunikationsmodus der Infor- mations- und Wissensvermittlung, der »vernünftigen« Deliberation, den gültigen Maßstab. An- dererseits werden Meinungsstreit und persönliche Herabsetzung tendenziell aus der Sphäre der Öffentlichkeit herausdefiniert. Unser Beitrag möchte demgegenüber die Potenziale und Perspektiven einer historischen Öffentlichkeitsforschung aufzeigen, die diese Modalität der Kommunikation zur Leitlinie ihrer Analysen macht. Er benutzt dazu das neue Konzept der »Invektivität« und erprobt es exemplarisch an drei Fällen: Mit den Konflikten um das Wirken des Predigers Johann Drach im fränkischen Miltenberg 1523/4 steht ein Ereignis der Frühreformation im Mittelpunkt; die druckmedialen Polemiken gegen den Landgrafen Philipp von Hessen im Jahr 1540/1 als Bigamisten führen auf die Ebene der Reichspolitik; die Analyse einer Dresdner Affäre um öffentlich angeschlagene Schmähschriften 1569 leitet zurück zur städtischen Anwesenheitskommunikation.
Hitherto, historical research into the public sphere has suffered from a normative distortion: Still, »reasonable« deliberation, i.e. the sober transfer of information and knowledge, is implicitly or explicitly regarded as the valid standard mode of communication. Thus, forms of controversy and personal disparagement tend to be excluded and alienated from the public sphere. In contrast, our aim is to show the potentials of a non-normative research perspective which focusses on an invective mode of communication instead. For this purpose, we refer to the new concept of »invectivity« and test its analytical perspective on three exemplary cases: With the early reformation period as a starting point, the conflict-laden events surrounding the Franconian city of Miltenberg and their preacher Johann Drach in 1523/4 are at centre of attention. The pamphlet war against the notorious bigamist Landgrave Philipp of Hesse in 1540/1 then leads to the level of imperial policy. Finally, an affair of honour, involving publically posted libels in Dresden 1569, takes us back to the mode of face-to-face communication within the urban public sphere.

Andreas Golob (Graz)
Gespitzte Korrespondentenohren und geduldige Eselsohren: Zeitungs- berichterstattung und Räsonnement in ihrem Verhältnis zu Oralität und akustischen Phänomenen in der ›Grazer Bauernzeitung‹ (1786–1796) und in den ›Politischen Gesprächen der Todten‹ (1786–1810)
Der Artikel thematisiert, wie deutschsprachige Zeitungen des späten 18. Jahrhun- derts Oralität und akustische Phänomene repräsentierten. Die Analyse konzentriert sich auf Zei- tungsinhalte und philologische Parameter wie Formulierung, Interpunktion und Typographie. Als Beispiele dienen zwei prominente Zeitungen der Habsburgermonarchie. Während die ›Grazer Bauernzeitung‹ (1786–1796) Stoff für die Repräsentation der politischen Rede und die Fallstudie eines aufmerksamen und investigativen Amateurkorrespondenten bietet, gewähren die ›Politi- schen Gespräche der Todten‹ (Neuwied, später Frankfurt/Main, 1786–1810) Einblicke in die populäre Kritik an der zeitgenössischen oralen Kommunikation und an Medien in Wort und Bild.
The article thematises how late eighteenth-century German-speaking newspapers repre- sented orality and acoustic phenomena. The analysis concentrates on newspaper content and philological parameter such as wording, punctuation and typography. Two prominent newspapers of the Habsburg Monarchy serve as examples. Whereas ›Grazer Bauernzeitung‹ (›Graz Peasant News‹) offers evidence for the representation of political speeches and the case study of an attentive and investigative amateur correspondent, the ›Politischen Gespräche der Todten‹ (›Political Conversations of the Dead‹) (Neuwied, later Frankfurt/Main, 1786–1810) provide insights into popular criticism against contemporary oral communication practices and against media in word and image.

Heiner Stahl (Siegen)
Werbung für (West-) Deutschland im postkolonialen Asien und Afrika: Die Auslandsberichterstatterin und Öffentlichkeitsarbeiterin Gisela Döhrn (1909–1996)
Der Aufsatz veranschaulicht die Praktiken staatlicher Öffentlichkeitsarbeit im Ausland an der Zusammenarbeit mit einer freien Publizistin. Gisela Döhrn war eine Autorin, Journalistin, Filmemacherin und Reiseschriftstellerin, die enge Kontakte zu verschiedenen Auslandsvertretungen und zum Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterhielt. In den 1960er Jahren unterstützte die Publizistin die auswärtige Kulturpolitik und die staatliche Öffentlichkeitsarbeit der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, indem sie für (medien-) öffentliche Auftritte in den jeweiligen Gastländern zur Verfügung stand. Sie war eine westdeutsche Medienpersönlichkeit, die vom Vortragsreisen-Programm des Auswärtigen Amtes profitierte. Die Inhalte ihrer Berichterstattungen spiegelten die außenpolitischen Erfordernisse und die diplo- matischen Narrative in den jeweiligen Ländern wider und kamen als Beiträge aus »fremden« Weltregionen zurück ins Erste Deutsche Fernsehen oder auf die Reportageseiten von Tages- und Wochenzeitungen.
The article exemplifies the modes of press relations in foreign countries and the forms of collaboration between embassies, the Federal Press and Information Office and the female author, writer and journalist, Gisela Döhrn. During the 1960s she became part of a public lecture programme, issued by the Ministry of Foreign Affairs and the Federal Press and Information Office, touring foreign countries like India, Indonesia, Iran or Egypt. While staying in these countries she conducted interviews with politicians, prepared documentary films and gave public statements to the press. Döhrn communicated the narratives of foreign policies and was able to sell her contents to public broadcasting stations and daily as well as weekly newspapers. The press policies designated to foreign countries mirrored back into the landscape of domestic media in West Germany.

BUCHBESPRECHUNGEN / REVIEWS:
Im Open-Access-Besprechungsteil werden 100 Neuerscheinungen zur Kommunikationsgeschichte rezensiert. The reviews section features 100 reviews.

BIBLIOGRAFIE (Wilbert Ubbens, Bremen)
Die Bibliographie verzeichnet mehr als 2000 kommunikationshistorische Aufsätze aus internationalen Zeitschriften. The bibliography on new literature comprises of about 2000 entries.

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Bestandsnachweise 1438-4485