Die Weltöffentlichkeit horchte auf, als in den letzten Wochen und Monaten Nachrichten bekannt wurden, dass die Terroristen des so selbst genannten „Islamischen Staates“ systematisch antike Kulturstätten in ihrem Einflussbereich zerstören.Worum geht es den Kulturbarbaren des IS? Auf der einen Seite darum, durch den Verkauf von Raubgütern die Fortführung des Krieges zu finanzieren, auf der anderen Seite aber auch darum, durch die Zerstörung dessen, was nicht verkauft werden kann, die Erinnerung an die vielfältige altorientalische Vor- und Frühgeschichte mit ihren zahlreichen Gottheiten, die nicht in das Weltbild der Terroristen passen, gewaltsam auszulöschen und damit der Vergessenheit anheimzugeben. Neu sind solche gezielten Zerstörungen indes nicht, die Vergangenheit ist voll mit Beispielen von Fällen, in denen Erinnerungen an vorangegangene Kulturen zerstört wurden. Unter dem Terminus damnatio memoriae sind solche Versuche, die Erinnerung an den Gegner aus dem kollektiven Gedächtnis auszulöschen, bekannt, die Bücherverbrennungen im Mai 1933 wären ein Beispiel aus der deutschen Geschichte dafür. Aleida Assmann prägte die Bezeichnung des strafenden Vergessens dafür.
Die Beiträge dieser Ausgabe von geschichte für heute nehmen verschiedene Beispiele in den Blick, unter welchen Bedingungen Erinnerungen erhalten, überformt oder ausgelöscht werden, und dringen damit nicht nur zu einem zentralen Thema der Geschichte vor, sondern hinterfragen auch kritisch die Funktionen des Unterrichtsfaches Geschichte bei der Herausbildung und Tradierung von Mythen selbst. Das aktuelle Zerstörungswerk des „IS“ mag ein – wenn auch trauriger – Anlass sein, diese Frage wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken.
INHALTSVERZEICHNIS
Erinnern und Gedenken
Harald Schmid: Erinnerungskulturen in Europa. Der 27. Januar als „Holocaust-Gedenktag“
Herfried Münkler: Die politischen Mythen der Deutschen
Knut Görich: Konjunkturen eines Geschichtsbildes – das Beispiel Friedrich Barbarossa
Roland Bernhard: Galileo Galilei, der Wandel des Weltbildes und die Meistererzählung von der „wissenschaftliche Revolution“ in Bildungsmedien und Wissenschaft
Peter Lautzas: Weiterleben nach dem Völkermord. Die Versöhnungspolitik in Ruanda nach dem Genozid von 1994
Geschichte vor Ort – außerschulische Lernorte und Projekte
Lernort Stasi-Zentrale in Berlin
Berichte aus dem Bundesverband und den Landesverbänden
Zahlreiche Buchbesprechungen aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik
Leitrezension:Norbert Gertz: Bilanzen eines respektierten Ungeliebten – Bücher zum Jubiläums-Augustus