Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis. Příspěvky k dějinám Univerzity Karlovy [Beiträge zur Geschichte der Karlsuniversität in Prag] 52 (2012), 1

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Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis. Příspěvky k dějinám Univerzity Karlovy [Beiträge zur Geschichte der Karlsuniversität in Prag] 52 (2012), 1
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Erscheint 
halbjährlich
Anzahl Seiten
122 S.
Preis
150 CZK

 

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Institution
Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis. Příspěvky k dějinám Univerzity Karlovy [Beiträge zur Geschichte der Karlsuniversität in Prag]
Land
Czech Republic
c/o
Karlsuniversität in Prag Institut für Geschichte der Karlsuniversität und Archiv der Karlsuniversität Ovocný trh 5 116 36 Prag 1
Von
Jares, Jakub

Inhaltsverzeichnis

OBSAH / INHALT

STUDIE / STUDIEN

Jakub Jareš
Dějiny vysokého školství v Československu po roce 1945. Otázky a podněty
[Geschichte des Hochschulwesens in der Tschechoslowakei nach 1945. Fragen und Anregungen]. S. 13–23.

Der Beitrag macht auf die deutliche Lücke aufmerksam, die in der tschechischen Forschung zur Geschichte des Hochschulwesens nach 1945 besteht, deren Zugang isoliert von der gesamteuropäischen Entwicklung erfolgt und die ausländische Literatur zum Thema nur wenig reflektiert. Verf. dokumentiert anhand von Schlüsselgebieten der Nachkriegsentwicklung (Vermassung, Regionalisierung, Technisierung, Professionalisierung der Leitung und Internationalisierung der Hochschulen), dass die Entwicklungstendenzen in der Tschechoslowakei nahezu identisch waren mit der Entwicklung in den westlichen Ländern, obgleich es in der Tschechoslowakei einerseits zu zeitlichen, andererseits – und zwar vor allem – zu ideologischen Verschiebungen kam. Die größten Ähnlichkeiten gab es in der quantitativen Ausweitung des Hochschulwesens (Anzahl der Studenten und Hochschulen) sowie in einem technokratischen Optimismus, der in beiden Lagern mindestens bis zum Beginn der 1970er Jahre anhielt. Die größten Unterschiede hingegen finden wir im Bereich der Internationalisierung des Hochschulwesens, die in der Tschechoslowakei und in ganz Osteuropa hinter der westlichen Entwicklung zurückblieb. Zu jedem der hier behandelten Bereiche stellt dieser Beitrag Fragen, die nach Ansicht des Verf. eine mögliche Perspektive für die weitere Forschung bieten. Der gesamte Text ist somit vor allem eine Anregung zur Eingliederung komparativer und übernationaler Zugangsweisen in die tschechische Historiografie über die zeitgenössische Universitätsgeschichte.

Pavel Urbášek
Věda a vysokoškolský vzdělávací systém ve vztahu k proměnám hospodářského mechanismu v Československu (České republice) od roku 1945 do současnosti
[Die Wissenschaft und das System der Hochschulbildung im Verhältnis zu den Veränderungen des Wirtschaftsmechanismus in der Tschechoslowakei 1945–1989]. S. 25–38.

Verf. schildert in generellen Umrissen die Beziehung des Hochschulbildungssystems und der sogenannten wissenschaftlichen Grundlagenforschung zu dem in der Tschechoslowakei der Jahre 1945–1989 bestehenden Wirtschaftsmechanismus (und seinen Veränderungen); abschließend werden Betrachtungen zu dieser Beziehung nach 1989 angestellt.
Die Entstehung neuer Hochschulinstitutionen in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre übte einen Druck auf die intellektuellen und politischen Eliten in den Regionen aus. Die dezisive Entscheidungsebene nahm diese Initiative mit Befangenheit auf und war eher bestrebt, den ungewöhnlichen Zustrom der Hochschulstudenten zu regulieren.
Im Laufe der 1950er Jahre kam es zu einer gewaltigen Industrialisierung der Tschechoslowakei, wobei der Nachdruck auf den Aufbau der Schwerindustrie gelegt wurde. Das sogenannte zentral-dirigistische Modell sowie das bestehende ideologische Paradigma schlossen ein innovatives Einwirken der Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung auf das Wirtschaftsmodell aus. In Übereinstimmung mit den jeweils vorherrschenden wirtschaftlichen Bedürfnissen nahm die Zahl technischer Hochschulen zu, und zwar auf Kosten einer Entfaltung des universitären Hochschulwesens. Grundlagenforschung wurde jetzt eine Angelegenheit der neu entstandenen Tschechoslowakischen bzw. Slowakischen Akademie der Wissenschaften, und allmählich entstanden Plattformen der wissenschaftlichen Grundlagenforschung, die durch die Dominanz der angewandten Forschung charakterisiert waren.
Als Reaktion auf die wirtschaftlichen Probleme Anfang der 1960er Jahre kam es zur Formulierung einer Reform der tschechoslowakischen Wirtschaft, die nach einer Einführung begrenzter Marktmechanismen strebte. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre begann man mit der Reform des tertiären Bildungssystems, die auf dem Gebiet von Schule und Wissenschaft an die Wirtschaftsreform anknüpfte. Gleichzeitig damit ließ das Machtzentrum den Einfluss von Wissenschaft und Forschung auf die Wirtschaft zu; marxistische Theoretiker stellten damals eine tschechoslowakische Theorie über das Wirken der wissenschaftlich-technischen Revolution auf.
Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings erneuerte die Tschechoslowakei den zentral-dirigistischen Wirtschaftsmechanismus. Die Implementierung dieses Systems in der ersten Hälfte der 1970er Jahre zeitigte relative wirtschaftliche Erfolge, die es dem Machtzentrum ermöglichte, eine Reihe sozialer Maßnahmen zu treffen, welche zur Hebung des Lebensstandards führten. Der bestehende Wirtschaftsmechanismus, der von der sog. schweren Struktur ausging, erforderte jedoch einen Zuwachs an Arbeitskräften, der sich angesichts der vorausgegangenen rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in der Tschechoslowakei nicht einstellte. Deshalb setzte sich das normalisierte Machtzentrum – und zwar ab Mitte der 1970er Jahre – die sekundäre Bildung zum Ziel des tschechoslowakischen Bildungssystems, die zur Vorbereitung qualifizierter Arbeiter diente und breite Unterstützung fand. Infolge der Erneuerung des zentral-dirigistischen Wirtschaftssystems ging die innovative Funktion von Wissenschaft und Forschung erneut verloren, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die wissenschaftliche Forschungsplattform (vor allem die Organisation der angewandten Forschung) in der Tschechoslowakei mächtig angewachsen war.
Nach 1989 stieg die Zahl der Hochschüler jäh an, ebenso die Zahl der Hochschulinstitutionen, welche versuchten, das in den starken Bevölkerungsjahrgängen der 1970er und 1980er Jahre bestehende Interesse an einem Hochschulstudium zu absorbieren. Das quantitative Ausmaß des tschechischen Hochschulwesens (mit einem Übermaß an gesellschaftswissenschaftlichen Fächern) stellt derzeit eines der Hauptprobleme des tertiären Bildungssystems dar. Gleichzeitig ist aber das tschechische tertiäre Schulwesen langfristig unterfinanziert, was Reformen unmöglich macht, die um qualitative Änderungen und eine Differenzierung des tschechischen Hochschulwesens bemüht wären.

Jindra Biolková – Petr Kašing
Vývoj Vysoké školy báňské v podmínkách ostravského regionu v letech 1945–1969
[Die Entwicklung der Hochschule für Bergbau unter den Bedingungen der Region Ostrava (Ostrau) in den Jahren 1945–1969]. S. 39–60.

Ziel dieser Studie ist es, eine Charakteristik der Entwicklung der Bergbauhochschule (VŠB) in Ostrava (Ostrau) in dem Zeitraum von 1945–1969 zu geben, und zwar vor allem im politischen Kontext der damaligen gesellschaftlichen Entwicklung. Wir haben uns darauf beschränkt, lediglich einige Aspekte der Tätigkeit dieser Hochschule zu verfolgen. Heuristische Grundlage ist ursprüngliches amtliches Schriftmaterial. Ergänzt wurden die Archivquellen durch Erinnerungen von Zeitzeugen, die seit 1999 von Archivmitarbeitern aufgezeichnet wurden, insbesondere im Rahmen des Projektes oraler Geschichte, das vom Archiv der Bergbauhochschule - Technische Universität Ostrava (Ostrau) unter Mitwirkung ihrer Audiovisuellen Dienste seit 2010 realisiert wird.
Ein wesentliches, sich aus der Spezifik der Region Ostrava ergebendes Merkmal war die Verknüpfung der VŠB mit der technischen und industriellen Praxis, was sich unstrittig positiv bei der beruflichen Betätigung der Absolventen und bei der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung der Industriebetriebe und der VŠB widerspiegelte. Der Aufbau der Schwerindustrie in der Tschechoslowakei wurde in beträchtlichem Maße auf der Grundlage der sich an der VŠB entfaltenden wissenschaftlichen Disziplinen ermöglicht. Dies hatte zur Folge, dass die Parteiorgane der Lehre außerordentliche Aufmerksamkeit schenkten, was zugleich eine beträchtliche politische Beeinflussung bedeutete. Die in Übereinstimmung mit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erfolgenden politischen Repressionen waren am stärksten im Laufe der ersten Hälfte der 1950er Jahre. In dieser Zeit waren drei Generationen von Pädagogen an der VŠB tätig, die eine Anknüpfung an die Příbramer VŠB garantierten. Zugleich stellte die dritte Pädagogengeneration Fachleute, die unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen nach 1945 studiert hatten. Die VŠB entwickelte einige Fachrichtungen mit gesamtstaatlichem Wirkungsbereich, und es lässt sich nachweisen, dass sie in anderen Disziplinen Pionierarbeit leistete. Außer Zweifel steht, dass sie ihre Absolventen für eine Tätigkeit in der industriellen und technischen Praxis, für die Forschung vor allem in Instituten des Ressorts sowie für die Hochschultätigkeit vorbereitete.

Petr Cajthaml
Proměny role univerzit v systému vysokých škol v 50. letech 20. století
[Veränderungen der Rolle der Universitäten im Hochschulsystem der 1950er Jahre]. S. 61–69.

Die Universitäten bildeten traditionellerweise den Kern im tertiären Bildungssystem in den böhmischen Ländern. Nach dem zweiten Weltkrieg unterlag ihre Bedeutung im Hochschulsystem jedoch zahlreichen Veränderungen. Unmittelbar nach Kriegsende machten die tschechischen Universitäten eine stürmische Entwicklung durch. Die Karlsuniversität Prag war eine Zeitlang eine ausgesprochene Massenschule mit nahezu zwanzigtausend Hörern, eine dritte Universität entstand in Olomouc (Olmütz), und über die Einrichtung weiterer Universitäten wurde diskutiert. Die traditionellen technischen Lehranstalten in Prag und Brünn, die bereits vor dem Krieg alle Merkmale einer technischen Universität trugen, näherten sich nach 1945 auch in ihrer inneren Struktur der Gestalt traditioneller Universitäten. Die radikalen Veränderungen im Hochschulsystem nach dem Februar 1948 betrafen die Stellung der Universitäten. Vorliegender Beitrag befasst sich mit der Schwächung der dominanten Rolle der tschechischen Universitäten im tschechischen Hochschulsystem. Er thematisiert die Suche nach einer neuen Rolle der Universitäten, die Veränderungen ihrer Stellung im Rahmen des Hochschulbildungssystems, die aus dem Universitätsmilieu hervorgegangenen Tendenzen sowie die Veränderungen der gesellschaftlichen (politischen) „Aufträge“.
Bereits nach 1945 entstanden zahlreiche spezialisierte Hochschulen, die außerhalb des traditionellen Universitätsverbandes standen, nach 1948 erfolgte eine weitere Gründungswelle, zahlreiche neue Schulen entstanden durch Ausgliederung aus den traditionellen und technischen Universitäten. Ihr Anteil am Gesamtausmaß des Hochschulsystems sank. Durch die Schaffung außeruniversitärer Forschungsinstitute und dann der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften wurden die Universitäten um ihre dominante Rolle auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Grundlagenforschung gebracht. Die Universitäten waren keine Institution mehr, die den Hauptanteil bei der Vorbereitung von Fachleuten mit Hochschulbildung hatten, denn immer mehr Hörer studierten an spezialisierten eigenständigen Hochschulen, die mehr oder weniger mit der Praxis verbunden waren. Spürbar sank die Zahl der Studenten, die sich auf einen Beruf vorbereiteten, welcher eine traditionelle Universitätsausbildung erforderte; so wurde beispielsweise aus der juristischen Fakultät der Karlsuniversität, deren Hörer in der Zwischenkriegszeit mehr als die Hälfte aller Universitätsstudenten ausmachten, eine relativ kleine Lehreinrichtung mit nur wenig hundert Hörern. Ganz ähnlich erging es der reorganisierten philosophischen und naturwissenschaftlichen Fakultät, die für eine bestimmte Zeit der Aufgabe enthoben waren, Mittelschullehrer auszubilden. Die Mehrheit der Universitätshörer machten erneut Studenten der medizinischen Fakultäten aus, wobei man Vorschläge ihrer Ausgliederung in selbstständige Ärzteakademien diskutierte. Ende der 1950er Jahre kam es zu einer teilweisen Rehabilitierung des Universitätskonzepts im System des Hochschulwesens, die Hörerzahl stieg und abermals begann man, Fachleute mit Hochschulbildung in Fächern heranzuziehen, aus deren Rahmen sie in der ersten Hälfte der 1950er Jahre ausgegliedert worden waren.

MATERIÁLY / QUELLENEDITIONEN

Ivana Čornejová
Esej Sira Hectora Hetheringtona o univerzitní autonomii
[Der Essay von Sir Hector Hetherington über die Universitätsautonomie]. S. 73–96.

In den Jahren 1965–1966 gab es Diskussionen zum neuen Hochschulgesetz. Die Regierungsvorlage wurde nicht nur von den Organen der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und dazu beauftragten Beamten geprüft, sondern es wurde auch von der akademischen Gemeinde dazu Stellung bezogen. Im Rahmen dieser an der Karlsuniversität stattfindenden Diskussionen wurde auch ein fundierter Essay von Sir Hector Hetherington vorgelegt, einer führenden Persönlichkeit vor allem der Universität Glasgow. In seiner umfangreichen und gründlichen Studie aus dem Jahre 1965 legt Hetherington die Vor- und Nachteile der Universitätsautonomie dar, wobei er seine persönlichen Erfahrungen aus der akademischen Praxis und aus jahrelanger Forschung zugrundelegt.
Hetherington geht zwar vor allem von der Lage an den britischen Hochschulen aus, doch haben seine Schlussfolgerungen allgemeine Gültigkeit. Er verfolgt die akademische Autonomie in ihrer historischen Entwicklung, interessiert sich jedoch auch lebhaft für den aktuellen Stand Mitte des 20. Jahrhunderts, der sich selbstverständlich deutlich vom Autonomiebegriff vergangener Zeiten unterscheidet. Er betont, dass die akademische Autonomie eines der Hauptprinzipien der Existenz von Universitäten und anderer ähnlicher Hochschulen ist, doch zugleich ist auch die Rolle des Staates nicht unbeträchtlich, und zwar besonders dann, wenn er für den Betrieb der Hochschulen finanzielle Mittel bereitstellt. Den Hauptgedanken des Essays von H. Hetherington kann man in folgendem Zitat erfassen: „Die erste Bedingung der Universitätsautonomie ist ein tiefer Sinn aller Mitglieder für ihre persönliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, denn dieser Sinn … ist die Bedingung für die Freiheit der Gesellschaft, welcher die Universität dient.“

KRONIKA / BERICHTE

Blanka Zilynská
Xth Symposium on the Bohemian Reformation and Religious Praktice. S. 99–102.

Jakub Jareš
Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit nach 1945. S. 102–104.

Jakub Jareš
Uniseum – univerzitní muzeum ve Freiburgu. [Uniseum – Universitätsmuseum in Freiburg]. S. 105–106.

Petr Cajthaml – Jakub Jareš
Digitalizace archivních dokumentů o studentech pražských univerzit z období 1882–1939 [Digitalisierung der Archivdokumente über den Studenten der Prager Universitäten zwischen 1882 und 1939]. S. 106–109.

RECENZE / REZENSIONEN

Josef Nuhlíček, Veřejní notáři v českých městech, zvláště v městech pražských až do husitské revoluce. K vydání připravili a doplnili Ivan Hlaváček a Markéta Marková (Blanka Zilynská). S. 113–116

Marie Tošnerová, Kroniky českých měst z předbělohorského období. Úvod do studia městského kronikářství v Čechách v letech 1526–1620 (Marek Ďurčanský). S. 116–117.

Karel Hruza, Österreichische Historiker, Bd. 2: Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Böhlau Verlag, Wien – Köln – Weimar 2012. (Milada Sekyrková). S. 117–120

Pavel Urbášek – Jiří Pulec, Vysokoškolský vzdělávací systém v letech 1945–1969, Univerzita Palackého, Olomouc 2012 (Petr Cajthaml). S. 120–122.

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