Machen Medien Menschen und andere? So ließe sich die Kernfrage eines Mediendenkens fassen, das auf den formierenden Charakter medientechnischer Apparaturen abhebt. In Donna Haraways »Cyborg Manifesto« von 1985 kam diese Frage zu ihrem Bild: Cyborgs tauchen, so Haraway, immer dann auf, wenn die Grenze zwischen Maschine und Mensch oder Tier und Mensch porös zu werden droht. Seitdem haben sich sowohl auf dem Gebiet der Technik als auch auf dem der Theorie die Grenzen weiter verschoben: Nicht-menschliche Wesen wurden von den Science Studies als Akteure (wieder)entdeckt, Computerprogramme werden nach lebendigen Prozessen modelliert, und VertreterInnen der Animals Studies fordern Menschenrechte für Tiere. Der Antihumanismus des 20. Jahrhunderts war von einem kritischen Impetus gegenüber der Machtblindheit des abendländischen Humanismus geprägt und befragte Differenzsetzungen (Natur/Kultur, Frau/Mann, Tier/Mensch) hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Ein- und Ausschlusseffekte. Aktuelle anti-speziezistische Philosophien hingegen analysieren nicht länger die (mediale) Produktion von Differenzen, sondern feiern die Grenzüberschreitung hin zum Tier und zur Maschine als neue ontologische Stufe. Der Schwerpunktteil der ZfM 4 setzt sich mit möglichen Konsequenzen dieser Negation von Differenz für die Konzeption des Menschen als Spezies unter anderen und als homo faber, der mit (Medien)Techniken operiert und manipuliert, auseinander.
Schwerpunktredaktion: Marie-Luise Angerer/Karin Harrasser
Schwerpunkt
Marie-Luise Angerer / Karin Harrasser Menschen & Andere Einleitung in den Schwerpunkt
David Wills Automatisches Leben, also Leben
Kathrin Friedrich / Gabriele Gramelsberger Techniken der Überschreitung Fertigungsmechanismen ‹verlässlich lebensfähiger› biologischer Entitäten
Florian Kappeler / Sophia Könemann Jenseits von Mensch und Tier Science, Fiction und Gender in Dietmar Daths Roman Die Abschaffung der Arten
Sabine Nessel Das Andere denken Zoologie, Kinematografie und Gender
Jan Müggenburg / Sebastian Vehlken Rechnende Tiere Zootechnologien aus dem Ozean
Eva Johach Andere Kanäle Insektengesellschaften und die Suche nach den Medien des Sozialen
Astrid Deuber-Mankowsky Diffraktion statt Reflexion Zu Donna Haraways Konzept des situierten Wisssens
Vinciane Despret / Donna Haraway im Gespräch mit Karin Harrasser und Katrin Solhdju Stay where the trouble is Bildstrecke
Peggy Buth Das Blaue vom Himmel Vorgestellt von Susanne Holschbach Laborgespräch
Jens-Martin Loebel Aus dem Tagebuch eines Selbstaufzeichners im Gespräch mit Ute Holl und Claus Pias Extra
Benjamin Beil / Jens Schröter Die Parallelperspektive im digitalen Bild Sergej M. Eisensteins „Allgemeine Geschichte des Kinos“ Aufzeichnungen aus dem Nachlass Eingeleitet von Antonio Somaini und Naum Klejman Debatte
Geert Lovink Medienwissenschaften Diagnose einer gescheiterten Fusion
Besprechungen
Ralf Adelmann “Oh, Oh, Oh, let's count some more.” Hochschulrankings als mediale Form
Sven Grampp Hundert Jahre McLuhan
Johan Frederik Hartle Das Elend des Ästhezisismus (und einige seiner Stärken)
Kathrin Peters Spezifik allerorten. Zur medienwissenschaftlichen Stadtforschung
Henriette Gunkel Re/Positioning African Media Studies. Die Herausforderung, Postkolonialität und Medialität zusammenzudenken
Vgl.: http://www.zfmedienwissenschaft.de/index.php?HeftID=4