Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik 12 (2005), 24

Titel der Ausgabe 
Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik 12 (2005), 24
Weiterer Titel 
Romanisten im Exil

Erschienen
Erscheint 
2 mal jährlich
ISBN
0944-8594
Anzahl Seiten
134 S.
Preis
Einzelheft 8,-- Euro, Jahresabonnement 15,-- Euro

 

Kontakt

Institution
Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik
Land
Deutschland
c/o
Dr. Thomas Höpel Redaktion GRENZGÄNGE c/o Geistes- und Sozialwissenschaftliches Zentrum im Zentrum für Höhere Studien und Literaturen Emil Fuchs-Straße 11 D - 04105 Leipzig Tel. (0341) 9730286 Fax: (0341) 9605261 e-mail: hoepel@rz.uni-leipzig.de Nathalie Noel c/o Institut für romanische Sprachen Universität Leipzig Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Grüneburgplatz 1 D - 60629 Frankfurt am Main Tel. (069) 79822198 Fax (069) 79828937
Von
Höpel, Thomas

GRENZGÄNGE
12. JAHRGANG 2005
HEFT 24

Romanisten im Exil

Galten die fachgeschichtlichen Abläufe in den sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 auch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch als weitgehend unerschlossen, so dringt nun zunehmend Licht durch die Verdunkelungen jener Zeit. In zahlreichen Publikationen neueren Datums haben FachkollegInnen – allen voran zu nennen der Romanist und Literaturwissenschaftler Frank-Rutger Hausmann (Freiburg) und der Germanist und Sprachwissenschaftler Utz Maas (Osnabrück) – personen-, ideen- und institutionsgeschichtliche Dimensionen der Fachgeschichte der Philologien rekonstruiert, darunter auch die der Romanistik. Auf diese Weise klärt sich zunehmend das Spektrum von nicht selten widersprüchlichen Formen des Handelns zwischen Indienststellung der Philologien und der Philologen in das Herrschaftssystem auf der einen Seite und den Repressionen gegenüber all jenen auf, die Widerstand leisteten oder Opfer der Rassenpolitik wurden. Die Forschungen zur Rekonstruktion des Wissenschaftsbetriebs zielen darauf ab, zu verstehen, wie das System als System funktionierte, wie der individuelle Handlungsspielraum von WissenschaftlerInnen aussah und was der Nationalsozialismus, was die Verfolgung, die Vertreibung, das Exil aus ihnen und ihren wissenschaftlichen Karrieren gemacht hat. Oder besser, was haben die WissenschaftlerInnen aus den nicht selten dramatischen Umständen von Vertreibung und Exil für ihr Lebensprojekt gemacht? Und nicht zuletzt bedeutet die fachgeschichtliche Untersuchung dieser Zeit, den Opfern und ihren Angehörigen gegenüber unseren Respekt und unsere Anerkennung auszudrücken.
Mit dem Schwerpunkt „Romanisten im Exil“ schließt „Grenzgänge“ an thematisch verwandte Beiträge in früheren Heften (vgl. Bd. 1/1994, 4/1995, 6/1996, 16/2001, 19/2003) zur Fachgeschichte der Romanistik im Nationalsozialismus an. Die Problematik des Exils wird im vorliegenden Band exemplarisch anhand des Schicksals des Romanisten Wilhelm Friedmann erörtert, der seit Sommer 1933 im Exil in Frankreich lebte und der bei seiner Flucht nach Spanien und weiter in die USA am 11. Dezember 1942 in den Pyrenäen von deutschen Truppen aufgegriffen wurde und sich das Leben nahm, unweit des Ortes übrigens, an dem auch Walter Benjamin zwei Jahre zuvor unter ähnlichen Umständen aus dem Leben schied. Wenn bereits mit dem 1999 erschienenen Buch von Claudine Delphis über Wilhelm Friedmann umfangreiches Material zu dessen Leben und Werk zusammengetragen wurde, so liegt der besondere Akzent der hier versammelten Studien über Friedmann auf der Rekonstruktion der intellektuellen und institutionellen Netzwerke, die sich in Frankreich, Großbritannien und in den USA formierten, um rassisch verfolgten Wissenschaftlern die Flucht zu ermöglichen. Die Beiträge von Alain Ruiz (Bordeaux), Stephen Steele (Vancouver) und Claudine Delphis (Berlin) dokumentieren und analysieren anhand von erstmals veröffentlichten Archivmaterialien und Briefen, wie sich namhafte Schriftsteller und Wissenschaftler – Thomas Mann, Stefan Zweig, Friderike Zweig, Gustave Cohen u.a. – in Briefen und Petitionen bemühen, Friedmann die Flucht aus dem besetzten Frankreich ins amerikanische Exil zu ermöglichen. Dabei wird zugleich sichtbar, wie sich die Lebensverhältnisse von Wilhelm Friedmann und seiner Familie in den Jahren des Exils in Frankreich im Spannungsfeld von versuchter Auswanderung und romanistischer Forschung vor Ort im Béarn gestalteten. So dokumentiert die Studie von A. Ruiz im Anhang auch die Ergebnisse von Friedmanns dialektologischen und phonologischen Betrachtungen zum Bearnesischen im Vallée d’Aspe, wo er und seine Familie in den Jahren 1940 bis 1942 Unterschlupf fand.
Abgeschlossen wird dieser Teil des Heftes mit einem Beitrag von Anke Dörner, die – ausgehend von ihren Untersuchungen zum Exil des Heidelberger Romanistik-Professors Leonardo Olschki – die Problematik der Integration deutscher Romanisten in den Wissenschaftsbetrieb der USA darstellt und ihre Bemühungen um Rehabilitierung in den späten 1950er und 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und um Remigration nach Deutschland schildert.
In der Rubrik „Romanistik und Gesellschaft“ befasst sich Elke Laur (Montréal) mit der identitären Schlüsselfrage in der quebecer (Migrations-) Gesellschaft nach dem „Wer bin ich?“. Entlang dreier Korpora, die den Zeitraum von 1986 bis 2004 umspannen, analysiert sie die als emblematisch geführten Selbstbezeichnungen Canadien français, Français, Québécois, Francophone, Allophone, Anglophone, Canadian etc., um auf diese Weise die kulturellen und identitären Wandelprozesse im Spannungsfeld von sprachpolitisch intendierter sozialer Kategorisierung und multiplen Identitäten der Sprecher in der frankophonen Provinz Québec auszuloten.

Jürgen Erfurt

Inhaltsverzeichnis

Jürgen Erfurt: Editorial

Alain Ruiz: Wilhelm Friedmann (1884-1942), émigré du IIIe Reich, et sa fin tragique dans les Pyrénées
Annexes:
1. Wilhelm Friedmann « Maintien ou rétablissement des consonnes sourdes dans les parlers de la vallée d’Aspe »
2. Correspondance

Stephen Steele: Espoirs d’exil: Wilhelm Friedmann dans les archives américaines et les papiers de Gustave Cohen

Claudine Delphis: A propos de l’hommage à Wilhelm Friedmann publié en 1943 dans le journal Aufbau

Anke Dörner: „Dieses auferzwungene Schicksal“– Emigration und Remigration deutscher Romanisten nach 1933

Romanistik und Gesellschaft

Elke Laur: « Je me nomme, donc je suis » : quelques repères sur les identités linguistiques et culturelles à Montréal

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