Dr. Burkhard Dietz

Die interdisziplinäre „Westforschung" der Weimarer Republik und NS-Zeit als Gegenstand der Wissenschafts- und Zeitgeschichte

Überlegungen zu Forschungsstand und Forschungsperspektiven(1)

Eine umfassende und gleichermaßen kritische Aufarbeitung der deutschen „Westforschung" (1918-1945) ist ein ausgesprochenes Desiderat nicht nur der neueren Geschichtswissenschaft, sondern auch aller historisch-politisch, sozialwissenschaftlich und volkskundlich, geographisch und philologisch arbeitenden Disziplinen(2), gerade jener akademischen Fächer also, die - wie schon Victor Klemperer unmittelbar nach der Befreiung erkannte - vor 1945 mehr als andere „durch die nazistische Doktrin um ihren wissenschaftlichen Charakter gebracht" worden waren(3). Vertreter dieser und einiger anderer angrenzender Disziplinen waren es, die sich schon früh dem nationalsozialistischen Wissenschaftsverständnis(4) annäherten und dieses weiter ausprägten, indem sie sich vor allem im Osten des Reiches, offenbar aber auch in seinem Westen, willfährig in den Dienst der deutschen Expansionsbestrebungen stellten und sich mit der Erforschung jener „völkisch-germanischen" Traditionen beschäftigten(5), die schon wenig später von seiten des NS-Staates, seiner Machthaber und ausführenden Organe bedenken- und skrupellos zur prospektiven oder nachträglichen Legitimierung von territorialen Annexionen benutzt werden konnten.

Neuere Publikationen zur interdisziplinären „Westforschung" (1918-1945)

Diese einleitende Kurzdefinition und alles weitere, was wir heute über den Themenbereich der „Westforschung" wissen, resultiert aus einer noch relativ kleinen Anzahl von Veröffentlichungen, die im wesentlichen aus den letzten zehn Jahren stammen(6). Auffallend ist also, daß die Epochenschwelle von 1989/90 auch hierbei - jenseits der ganz direkt sich auswirkenden Öffnung und besseren Zugangsmöglichkeiten der Archive seit der „Wende" - eine wichtige erkenntnisleitende bzw. erkenntnisanregende Rolle spielte, auch wenn der Blick der Forscher am Anfang noch fast ausschließlich auf den Themenbereich der „Ostforschung" gerichtet war und sich dann nach Bekanntwerden des „Falles" Theodor Schieder (1992)(7) sehr stark auf die öffentlichkeitswirksame „Enttarnung" weiterer „verstrickter" Historiker kapriziert hat(8). Zu nennen sind hier neben Theodor Schieder vor allem die Namen von Werner Conze, Otto Brunner(9), Karl Dietrich Erdmann(10) und in ihrem Gefolge auch der einflußreiche Förderer von Schieder und Conze auf dem Gebiet der „Ostforschung", der spätere Nestor der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte Hans Rothfels(11). Auf die Debatte „Historiker im Nationalsozialismus", bei der sich inzwischen einige etablierte Vertreter der neueren deutschen Sozial- bzw. Gesellschaftsgeschichte um Hans-Ulrich Wehler(12) einerseits und um die von der Presse letzthin als „Moralisten" titulierten jüngeren Historiker Götz Aly und Peter Schöttler (letztere seit dem Frankfurter Historikertag von 1998 mit öffentlicher Unterstützung von Hans Mommsen und Ulrich Herbert) andererseits recht unversöhnlich gegenüberstehen(13), möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich nicht eingehen, auch wenn ihre Kernprobleme, d.h. die im Zuge dieser Debatte genannten ethisch-moralischen Verantwortungskriterien, selbstverständlich für die kritische Beurteilung der „Westforscher" und der von ihnen vertretenen Auffassungen ebenfalls von grundlegender Bedeutung sind. Im Kern geht es hierbei letztlich um die Frage, ab wann 'wissenschaftliches' Arbeiten, das ideologisch vielleicht schon zuvor unter völkischen-nationalistischen Vorzeichen stand, tatsächlich als ein „Vordenken der Vernichtung" zu beurteilen ist(14), d.h. ab wann sich Wissenschaftler, zumal Geistes- und Kulturwissenschaftler, unverrückbar und bis zur letzten Konsequenz in den Dienst der nationalsozialistischen Politik stellten und sich somit der intellektuellen Vorbereitung der Verfolgungs-, Vertreibungs- und Vernichtungspolitik schuldig machten. Um diesen eminent wichtigen Aspekten einer abschließenden Wertung und Interpretation mit Blick auf die „Westforscher" jedoch nicht unberechtigterweise, nämlich aus Mangel an verfügbarem wissenschaftlichen Argumentationsmaterial, vorzugreifen, möchte ich mich hier zunächst ganz auf eine Darstellung der bisher bekannten Inhalte, Methoden und Ziele der interdisziplinären „Westforschung" konzentrieren, die es in der künftigen Forschung erst noch eingehender aufzuarbeiten gilt, bevor man sich dann zu einem späteren Zeitpunkt einer ausgewogenen Bilanzierung zuwenden sollte.

Am Anfang eines möglichst kurzgefaßten und systematischen Überblicks über Forschungsstand und Forschungsperspektiven des Themas „Westforschung" sind in jedem Fall zwei Arbeiten zu nennen, die auf unterschiedliche Weise, nämlich in inhaltlicher und methodischer Hinsicht, eine allgemeine forschungsstimulierende Wirkung zur Folge hatten. Sie rückten die nationalsozialistische „Grenzlandforschung" und ihre Methodik sowie die Volksgeschichte mit ihren rassekundlichen und nationalistischen Implikationen in ein grundsätzlich neues wissenschaftsgeschichtliches Licht. Gemeint ist zunächst die Untersuchung „Germany turns Eastwards - A Study of 'Ostforschung' in the Third Reich" des nordamerikanischen Historikers Michael Burleigh(15), mit der 1988 auf breiter Basis die Wissenschafts- und Geistesgeschichte der „Ostforschung" in ihren institutionellen, inhaltlichen und personellen Dimensionen aufgearbeitet und dabei erstmals das immense Ausmaß der sogenannten „Verstrickung" der akademischen Intelligenz in die Vorgänge der nationalsozialistischen Verfolgung, Vernichtung und Vertreibung exemplarisch aufgezeigt wurden. Zweitens ist zu nennen Winfried Schulzes „Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945" von 1989(16), mit der das Tor für eine kritische Aufarbeitung der völkischen Traditionen der sogenannten „modernen deutschen Sozialgeschichte" weit aufgestoßen und zugleich besonders unter jüngeren Historikern das Interesse an weiteren Details über die methodischen, institutionellen und personellen Hintergründe der scheinbar so makellosen neuen westdeutschen Sozialgeschichtsschreibung erheblich angeregt wurde(17).

Auf lebhaftes Interesse stießen Burleighs und Schulzes Arbeitsergebnisse indes in Münster und Bielefeld, wo die Diskussion über die Verbindungslinien der bundesrepublikanischen Sozialgeschichte zur NS-Volksgeschichte unterdessen in verschiedenen Richtungen eigenständig aufgenommen und unter zum Teil neuen Gesichtspunkten weitergeführt wurde. In Münster wurde zeitgleich zu Schulzes Publikation die im Winter 1988/89 in Bielefeld angenommene Habilitationsschrift von Karl Ditt zum Thema „Raum und Volkstum - Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923-1945" veröffentlicht(18), wobei es sich um die erste exemplarische Studie über die organisatorischen, ideologischen und inhaltlichen Verschränkungen von konservativ-neoromantischer Heimatschutzbewegung, Volkstumspflege, wissenschaftlicher Landesforschung sowie Museums- und Kunstbereich zwischen Weimar und „Drittem Reich" in einer preußischen Provinz handelte. Nicht nur den Landeshistorikern eröffnete sie viele wichtige Einsichten in ihre eigenen Traditionen, auch den übrigen „Kulturschaffenden", den Volkskundlern, Museologen usw. und - nicht zu vergessen - auch den Kulturpolitikern und Kulturfunktionären zeigte sie deutlich auf, auf welchen hell- bis dunkelbraunen Fundamenten ihre Arbeit im Dienste der „Landeskulturpflege" und ihre neuerdings so intensive Suche nach „regionaler Identität" tatsächlich manchmal basieren kann(19). Daß solche regionalen Identitäten vielfach nur überkommene Konstrukte aus ursprünglich völkischen Mythen sind, wie etwa die bis heute nicht nur unter nordrhein-westfälischen Landeshistorikern, sondern auch unter Politikern und in der breiteren Öffentlichkeit immer noch weit verbreiteten Thesen Wilhelm Brepohls zum „sozialen Schmelztiegel" des Ruhrgebiets und seines eigentümlich flexibel-dynamischen „Ruhrvolks", wurde von der scheinbar kritikbewußten Intelligenzija bisher geflissentlich übersehen, auch wenn Brepohls Sprache und die Erscheinungsdaten seiner Publikationen eigentlich hätten argwöhnisch machen müssen(20). Diese Konstrukte und Mythen aus völkischer Zeit zu identifizieren, ihr nationalistisches Gedankengut zu entlarven und die Hintergründe ihrer Überlieferung aufzuzeigen ist mithin eine wichtige Aufgaben gegenwärtiger und zukünftiger historischer Forschung(21).

Aber nicht nur für die Landesebene war Ditts Publikation ein bedeutender, innovativer Beitrag zu der hier skizzierten Diskussion, dem im Rheinland bis heute - soweit ich sehe - leider nichts gleichwertiges entgegenzusetzen ist, sieht man einmal von den Arbeiten von Franziska Wein zur Geschichte und Ideologie der deutsch-französischen Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg(22), von Bettina Bouresh über die weltanschaulichen Begleitumstände bei der „Neuordnung des Rheinischen Landesmuseums Bonn" im Nationalsozialismus(23) und von Karl Peter Wiemers Studie über die Organisation und Ideologie des „Rheinischen Vereins für Denkmalpflege"(24) ab. Weder einzeln noch zusammen können sie - trotz etlicher innovativer Forschungsergebnisse im Detail - eine integrierte und zugleich ideologiekritische Aufarbeitung der Kulturpolitik des alten Provinzialverbandes Rheinland im Maßstab von Karl Ditt bieten(25), zumal Ditt seine Monographie später noch mit einer ganzen Reihe von weiterführenden Aufsätzen(26), u.a. auch über die Rolle Franz Petris im Rahmen der „Westforschung", ergänzen konnte(27).

Versetzen wir uns in die übergeordnete Perspektive unseres Themas, so zeigte Ditts Arbeit vor allem die Vielschichtigkeit der Ebenen auf, mit der die völkischen Traditionen der historischen Kulturarbeit in Deutschland - und hier speziell im Westen - fundamentiert waren und sind. Dem übergreifend arbeitenden Wissenschaftshistoriker wurden hier nachdrücklich die Bedeutung der landesspezifischen, regionalen und auch lokalen Ebenen vor Augen geführt, die bis dahin nur recht allgemein als besonders geeignete Experimentierfelder der deutschen Volksgeschichte identifiziert worden waren(28).

Die von Schulze eröffnete Diskussion um die nur begrifflich bereinigten, sonst aber ziemlich direkten methodischen Verbindungslinien zwischen nationalistisch belasteter Volksgeschichte bzw. „politischer Volksgeschichte" und „moderner deutscher Sozialgeschichte" wurde mit der 1993 erschienenen Bielefelder Dissertation Willi Oberkromes „Volksgeschichte - Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945" erneut aufgegriffen und auf ein wesentlich breiteres Fundament gestellt(29). Auf der Grundlage umfangreicher Literatur- und Quellenrecherchen bestätigte Oberkrome das von Schulze entworfene Bild im wesentlichen und widmete sich darüber hinaus im Detail dem uns besonders interessierenden Gebiet der „Volks- und Kulturbodenforschung", der „Deutschtumsforschung" über Deutsche im Ausland sowie der Organisation und Arbeit der „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften", unter denen er die „Westdeutsche Forschungsgemeinschaft" identifizierte und erstmals in einem größeren Kontext die methodischen Grundlagen ihrer Arbeit sowie die institutionellen und inhaltlichen Rahmenbedingungen ihrer neuartigen, interdisziplinären Forschungsansätze darstellte. Dabei skizzierte er die zunächst von der Leipziger „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" koordinierte „Westforschung", die in den 1920er Jahren als „Grenzkampf" zur Revision des „Versailler Friedensdiktats" und der Gebietsverluste des Ersten Weltkrieges begonnen wurde und in der - im Rahmen von Pilotprojekten - schon bald geographische, bevölkerungs-, wirtschafts-, sprach- und konfessionsgeschichtliche Methoden mit volks- und rassekundlichen Verfahren etwa zur Bestimmung von Ähnlichkeiten bei Schädelformationen bei ethnischen Gruppen miteinander kombiniert wurden, um so die damals aktuelle politische Grenzziehung in Zweifel ziehen und eigene revisionistische Gebietsansprüche auf eine neue Argumentationsgrundlage stellen zu können. In groben Zügen, doch zugleich im Detail streng analytisch, beschrieb Oberkrome, wie kartographische und statistische Methoden erprobt wurden, um das Konstrukt eines ethnisch einheitlichen germanischen „Kulturraums" auch jenseits der geltenden Grenzen verifizieren zu können.

Ferner zeigte Oberkrome auf, wie ein Großteil der Arbeit, die zunächst eher unter der Führung von Geographen stand, an die Historiker und Sprachgeschichtler des neugegründeten Bonner „Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande" überging. Und schließlich stellte Oberkrome fest, daß dort in den 1930er Jahren eine zweite, verschärfte Phase der volksgeschichtlichen Forschung eingeleitet wurde, als unter dem Einfluß der „deutschen Soziologie" Hans Freyers und Gunther Ipsens(30) Historiker wie „Steinbach und mehr noch Petri ... mit raum- und ethnohistorischen Untersuchungen" begannen, „den Weg zu einer erweiterten Volks- bzw. Volksbodenforschung im Westen des deutschen Reiches zu ebnen"(31) und sich daraus schließlich - auch aus Konkurrenz zu den Königsberger „Ostforschern" - vor allem unter Federführung Petris und durch die von ihm zunehmend praktizierte „Hinwendung zu rassentheoretischen Überlegungen" die „Westforschung" als „willfähriges Instrument" zur Legitimation von nationalsozialistischen Expansionsbestrebungen entwickelte(32).

Mit anderen Worten: Oberkrome kommt das Verdienst zu, mit seiner auch interdisziplinär stark rezipierten Arbeit, die er bis heute durch einige Aufsätze punktuell erweitern und vertiefen konnte(33), als erster das Problem der in der völkischen Geschichtsbetrachtung wurzelnden Traditionen der neuen deutschen Sozialgeschichte eingehend erforscht und dabei auch die interdisziplinären „Westforschung" als eigenständigen Bereich der Forschung (wieder)entdeckt und skizziert zu haben.

Allein die von Oberkrome ausgewerteten Quellen ließen sogleich die Vermutung aufkommen, daß noch wesentlich mehr über die Hintergründe und Ausmaße völkischer Geschichtsbetrachtung, gerade auch in den Regionen, zu Tage zu fördern sein müßte. Dies bestätigte sich wenig später, als 1994 die Osnabrücker Dissertation des historisch arbeitenden Geographen Michael Fahlbusch über den organisatorischen Aufbau, die politischen Hintergründe der Entstehung und die inhaltliche Arbeit der „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" in Leipzig 1920-1933 erschien(34). Sie basierte auf einer umfangreichen Auswertung von Archivbeständen, zumal Fahlbusch - durch seine integrierte Untersuchung über den Stellenwert der Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes(35) für die „Grenzlandforschung" - gewissermaßen zwangsläufig auch auf die Akten über die frühen Aktivitäten der „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" stieß, so daß er diese erstmals ansatzweise mit in den Blick nehmen konnte.

Gleichwohl blieb diese Studie im wesentlichen auf die organisations- und geographiespezifischen Gesichtspunkte allein der Leipziger Stiftung beschränkt. Über die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" hat Fahlbusch indes erst vor kurzem eine umfangreiche neue Untersuchung vorgelegt, die gezielt der Frage „Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?" nachgeht und inhaltlich die Aktivitäten aller „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" im Zeitraum 1931-1945 analysiert. Systematisch und auf der Grundlage intensiver, weit gefaßter Quellen- und Literaturstudien wird hier unter anderem auch ein erstes vollständiges Gesamtbild vom organisatorischen Aufbau der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft", von ihren Akteuren und Initiativen bis hin zum „Kriegseinsatz der Volkswissenschaft" entworfen(36). Die von Fahlbusch dabei im einzelnen zu Tage geförderten Strukturen und Detailinformationen über politische und akademische Netzwerke, über Inhalte und Argumentationslinien von zeitgenössischen „Weststudien" sowie über die daraus abgeleiteten Möglichkeiten zur Grenzrevision - die Fahlbusch mit den Kenntnissen eines Geographen präzise zu verifizieren weiß - sind insgesamt ausgesprochen verdienstvoll und setzen für die künftige zeit- und wissenschaftsgeschichtliche Forschung zweifellos neue Maßstäbe. Gleichwohl dürfte allein die - angesichts des Gesamtumfangs der Recherchen gewiß notgedrungene - Nichtberücksichtigung verschiedener wichtiger (vor allem rheinischer) Archive, Nachlässe, Literatur und Personen etliche weiterführende Bemühungen um eine Vervollständigung der bisher vorgelegten Forschungsergebnisse rechtfertigen.

Bis zur Veröffentlichung von Fahlbuschs anregender und außerordentlich materialreicher neuen Studie mußte in jedem Fall Peter Schöttlers Aufsatz „Die Historische 'Westforschung' zwischen 'Abwehrkampf' und territorialer Offensive" als erster programmatischer Entwurf für einen eigenständigen Forschungsbereich angesehen werden. Bereits auf dem Historikertag von 1994 in Leipzig gehalten und 1997 in dem Suhrkamp-Band „Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft" veröffentlicht(37), werden darin mit starken Rückgriffen auf Oberkrome und Fahlbusch die Grundzüge der inhaltlich relevanten Problembereiche der von Historikern betriebenen „Westforschung", nicht also ihre interdisziplinären Dimensionen, aufgezeigt. Innovativ war dabei jedoch weniger die Kreation des Themas (das m.E. durch die kaum ernsthaft noch bezweifelbare Legitimationsthese(38) sogar eher in den Hintergrund gedrängt wurde) als vielmehr die Auswertung einiger einschlägiger Akten über die „Westdeutsche Forschungsgemeinschaft" aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes und deren schöpferische Kombination mit Altbekanntem etwa über das Bonner Institut(39) und mit kurzen Analysen von Veröffentlichungen prominenter historischer „Westforscher" wie etwa Franz Steinbach, Ernst Anrich und Franz Petri. Dazu gehörte auch Schöttlers Nachweis über die unter der NS-Herrschaft entworfenen Pläne zu endgültigen gebietlichen Einverleibungen ins „Großdeutsche Reich" und zu umfassenden Umsiedlungsvorhaben im Raum Elsaß-Lothringen, die bereits seit Beginn der 1970er Jahre bekannt waren(40)., bisher aber vor allem in ihren politikgeschichtlichen und allenfalls regionalen Bezügen, kaum hingegen im wissenschafts- und geistesgeschichtlichen Kontext eines Themas „Westforschung" gesehen worden waren.

Nach Schöttler, dessen Beitrag wie gesagt den Erkenntnisstand von 1994 wiedergibt und auch nur auf einem vergleichsweise geringen Teil des gesamten einschlägigen Aktenmaterials im Auswärtigen Amt beruht, wurde das Thema „Westforschung" eigentlich nur noch indirekt tangiert, dabei aber um wichtige Teilaspekte bereichert, etwa durch die Beiträge zum Fall Schneider/Schwerte(41) und seinem Mitstreiter Walter von Stokar, einem in der interdisziplinären „Westforschung" besonders agilen Pharmakologen und NS-Vor- und Frühhistoriker aus Köln(42). Einen anderen sehr wichtigen Teilaspekt bearbeitete Gerhard Hirschfeld, der sich im Anschluß an seine große Studie über die Niederlande unter der NS-Herrschaft von 1984 kürzlich erneut mit den Plänen zur „Germanisierung" der Universitäten Leiden, Gent und Straßburg auseinandergesetzt hat(43).

Schließlich möchte ich nicht versäumen, auch kurz auf eine brandneue, innovative Studie hinzuweisen, nämlich auf die im Februar 1999 an der RWTH Aachen im Fachbereich Politische Wissenschaft von Thomas Müller eingereichte Magisterarbeit zum Thema „Zwischen Maas und Rhein - Ein nationalsozialistisches Medienprojekt im deutsch-belgisch-niederländischen Grenzgebiet"(44). In ihr wird ein bisher völlig unbekanntes Netzwerk zur Koordinierung von politischen, propagandistischen und wissenschaftlichen Zwecken in regionalen Grenzabschnittsbezirken, hier im sogenannten „Abschnitt Nordwest" mit Aachen als Mittelpunkt, untersucht. Offensichtlich war dies die Mikro-Ebene unterhalb der „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften", in der die regionalen und lokalen Funktionsträger aus dem politischen und administrativen Bereich mit den „Westforschern" einer ihnen nahen Hochschule bzw. mit den regionalen Mitgliedern der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung" zusammenarbeiteten und aufgrund ihrer intimen Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten Pläne für die „Germanisierung" der angrenzenden Gebiete in Belgien und den Niederlanden ausarbeiteten.

Inhaltliche Aspekte des aktuellen Forschungsstandes

Aus all diesen Publikationen, bei denen etwa die exemplarischen Arbeiten zur Kölner Universitätsgeschichte im Nationalsozialismus(45) und auch einige wenige Aufsätze zu einzelnen in der westlichen „Grenzlandforschung" besonders engagierten Historikern wie etwa Hermann Heimpel(46) nicht zu vergessen sind, ergibt sich zur Zeit faktisch folgendes Bild von der Entstehung und Entwicklung der interdisziplinären „Westforschung": Zunächst - wie im Falle Hermann Aubins und anderer Landeshistoriker - noch mehr oder weniger aus freien Stücken sowie nationalem Impetus betrieben, wurde die eigentliche „Westforschung" in ihrer interdisziplinären, dem politischen „Grenzkampf" wie der „Volkstumsforschung" gleichermaßen verpflichteten zweckorientierten Form 1924 auf zwei Tagungen 'erfunden', die unter der Leitung von Karl Christian von Loesch, dem Präsidenten des Berliner „Schutzbundes zur Pflege des Grenz- und Auslandsdeutschtums", und organisiert von der Leipziger „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" in Witzenhausen und Heppenheim zum Schwerpunktthema des „Westdeutschen Volksbodens" veranstaltet wurden(47). Mittelbar finanziert durch das Auswärtige Amt, das Reichsinnen-, das Reichsfinanz- und verschiedene preußische Ministerien(48) wurde damit der 1920 von Gustav Stresemann erhobenen Forderung Rechnung getragen, die Revision des Friedens von Versailles in den Mittelpunkt der Regierungspropaganda zu stellen(49). Die Ergebnisse dieser Tagungen, die wenig später publiziert wurden(50), stießen auf politischer Ebene gewissermaßen unmittelbar, wahrscheinlich schon 1925/26 im Rahmen der Verhandlungen um die „Westgrenzfonds"(51), auf größeres Interesse und so auch bald auf weitere organisatorische, finanzielle und ideelle Unterstützung von halbstaatlichen Instituten, Vereinen und Verbänden sowie provinziellen Gebietskörperschaften.

Spätestens seit 1931 kam es zur unmittelbaren Unterstützung durch einzelne Ministerien, allen voran durch das Auswärtige Amt und seine kulturpolitische Abteilung, sodann auch vom Reichsinnen- und Reichslandwirtschaftsministerium sowie nach 1933 zur intensiven Koordinierung bzw. Lenkung und Überwachung durch die einschlägigen weltanschaulich ausgerichteten Schalt- und Überwachungszentralen der NSDAP. Vor allem im „Ahnenerbe" der SS und seiner kulturpolitischen Abteilung, wo sich ja u.a. Hans Ernst Schneider um germanische Brauchtumsfragen kümmerte(52), und in den kultur- und auslandswissenschaftlichen Abteilungen des Reichssicherheitshauptamtes wurden die nur scheinbar harmlosen Forschungsergebnisse der West- und Ostforscher in vielfacher Hinsicht ausgewertet, und zwar nicht nur im Hinblick auf das völkisch-germanische Brauchtum und seine Verwendbarkeit für die „Germanisierungspolitik", sondern auch - absolut zweckorientiert (!) - im Hinblick auf die Ermittlung und Verfolgung politischer und rassenbiologischer Gegner(53). Gerade diese funktionalistische Auswertung von Informationsquellen der politisierten Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie ihre Kombination mit anderen ideologischen Zielen des Nationalsozialismus, z.B. mit der „Lebensraum-" und der „Judenpolitik", war bekanntlich eines der Arbeitsgebiete des Reichssicherheitshauptamtes(54).

Dies ist eine Einsicht, die in der neueren Forschung erst kürzlich noch einmal besonders herausgestellt worden ist. Unter der 'kreativen' und administrativen Ägide von Franz Alfred Six, über dessen bisher unterschätzten Einfluß Lutz Hachmeister 1998 eine bemerkenswerte Studie vorgelegt hat, wurden hier auch die Ergebnisse der West- und Ostforschung in bestimmten Abteilungen nun auch „lebensgebietsmäßig" ausgewertet und dann der exekutiven Gegnerarbeit zugeführt(55). Hierzu gehörte selbstverständlich auch die Benachrichtigung der Referate „Auswanderung und Räumung" sowie „Judenangelegenheiten", in denen u.a. Adolf Eichmann seit 1939 tätig war. In der weltanschaulich und kulturhistorisch fundierten „Gegnerforschung" wurden so „auf rein wissenschaftlicher Basis", wie Eichmann beteuerte(56), nicht nur 'Datenbanken' über Personen, Schriften und Institutionen für Verfolgungs-, Terror- und geheimdienstliche Requirierungsmaßnahmen angelegt, aus ihnen wurden auch „Lebensraumpläne" konstruiert und ganz konkrete Befehle für umfassend legitimierte Vorauskommandos von „Aktionen" der SD-Einsatzgruppen etwa in Holland, Österreich und der Sowjetunion abgeleitet. Die aktive Beteiligung der im Reichssicherheitshauptamt tätigen „Geistesarbeiter" an diesen Aktionen war für jeden von ihnen irgendwann nicht mehr zu vermeiden, ja sie wurde nicht nur als Mutprobe, sondern als letzter Beweis der nazistischen Solidarität und Mitverantwortlichkeit auch von Mitarbeitern in leitenden Funktionen und gerade auch von nebenberuflichen Hochschullehrern wie Six verlangt. Spätestens hier sind also die oft in Zweifel gezogenen oder gar in Abrede gestellten unmittelbaren Berührungspunkte von scheinbar harmloser bzw. zweckfreier „Grenzland- und Gegnerforschung" mit den Entscheidungszentren der nationalsozialistischen Verfolgungs-, Vertreibungs- und Vernichtungspolitik eindeutig identifiziert.

Organisatorische Rahmenbedingungen

Wichtige Zentren der interdisziplinären „Westforschung" waren in chronologischer Reihenfolge:

(1.) die „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" in Leipzig, die als 'Geburtsstätte' der gesamten „Grenzlandforschung" anzusehen ist;

(2.) das unter Berücksichtigung des Leipziger Konzepts 1920 von Hermann Aubin und Theodor Frings eröffnete „Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande";

(3.) die wiederum nach dem Muster des Bonner Pioniers gegründeten übrigen landesgeschichtlichen Institute im Westen, als da im einzelnen wären: das „Alemannische Institut" und das „Oberrheinische Institut für geschichtliche Landeskunde" in Freiburg, das „Wissenschaftliche Institut der Elsaß-Lothringer" in Frankfurt, das „Saarpfälzische Institut" in Kaiserslautern, das „Institut für fränkisch-pfälzische Geschichte und Landeskunde" in Heidelberg und schließlich das „Provinzialinstitut für westfälische Landes- und Volksforschung" in Münster(57);

(4.) die zur regionalen und nationalen Vernetzung der Forschungsaktivitäten 1931 vom Auswärtigen Amt und vom Reichsinnenministerium ins Leben gerufenen und zu gleichen Teilen finanzierten „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften", deren westlicher Ableger die „Rheinische ..." oder „Westdeutsche Forschungsgemeinschaft" wurde;

(5.) die auf der Ebene unterhalb der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft" gebildeten Grenzabschnittsgruppen, in denen die „Westforscher" der jeweils nahegelegenen Universität mit den politischen und administrativen Akteuren ihrer Region vernetzt wurden. Im Anschluß an die Forschungsergebnisse von Thomas Müller ist hier zu vermuten, daß es neben dem Abschnittsbezirk Nordwest mit den „Westforschern" der RWTH Aachen selbstverständlich auch die Abschnitte Mitte-West und Süd-West gab, denen die „Westforscher", z.B. der Universitäten Köln und Bonn bzw. Heidelberg, Straßburg und Freiburg zugeordnet waren;

(6.) die zahlreichen einschlägigen Lehrstühle und Forschungsinstitute an den Universitäten des Westens, von denen neben Straßburg, der „Grenzlanduniversität"(58), vor allem Köln insofern eine besonders aktive Rolle gespielt zu haben scheint, als hier eines der wichtigen regionalen Zentren der Berliner „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung" im Westen des Reiches etabliert wurde, die seit ihrer Gründung durch den Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1936 bis weit über den Krieg hinaus(59) von dem bekannten Kölner Wirtschaftshistoriker Bruno Kuske geleitet wurde(60). In der NS-Zeit hatte diese regionale Raumforschungsgemeinschaft, der neben Franz Petri und Gerhard Kallen auch einige auswärtige Mitglieder wie der Direktor des Essener Instituts für Wirtschaftsforschung Walther Däbritz angehörten, die Aufgabe, „über die Grenzen der Fakultäten hinweg den Einsatz aller wissenschaftlichen Kräfte" zu bündeln, die sich mit Problemen der Raumforschung und Raumordnung befaßten, um so eine „genaueste Vorarbeit für alle Fragen der Neuordnung des deutschen Lebensraumes zu leisten" und gemäß dem dezidierten Wunsche Hitlers „eine zweckvolle Gestaltung deutschen Raumes zu sichern"(61). Kuske, der sich seit 1940 auch selbst im Auftrag der deutschen Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich sowie den Niederlanden intensiv mit Fragen der Formierung eines „Westlandes" in ökonomischer Perspektive beschäftigte(62), war damit auf regionaler Ebene ein wichtiger wissenschaftlicher Koordinator und Organisator der nationalsozialistischen „Westforschung", der es offenbar gut verstand, nicht nur den stets politisch ambitionierten Martin Spahn und sein renommiertes „Institut für Raumpolitik" an der gemeinsamen Sache zu beteiligen(63), sondern auch die Forschungsaktivitäten von über einem Dutzend Lehrstuhlinhabern zu integrieren, vom Vertreter für Erbbiologie und Rassenhygiene Ferdinand Claussen, der zur Begründung einer niederländischen Rassenkunde 15.000 niederländische Arbeitsdienstverpflichtete untersuchte, bis hin zu dem Verkehrsexperten Ernst Esch, der ein Projekt über „Das holländisch-belgische Kanalsystem als Teil der nordwesteuropäischen Gesamtwirtschaft" betreute(64). Bemerkenswert viele Mitwirkende der von Kuske geleiteten Forschergruppe bearbeiteten Sonderaufträge der Militärbefehlshaber in den okkupierten Nachbarstaaten, doch auch sie fügten sich nahtlos ein in den Gesamtauftrag, nämlich das wissenschaftliche Fundament für die endgültige Annexion der Niederlande, Belgiens und der flämischen Teile Nordfrankreichs zu liefern(65). Diese Zielsetzung verfolgte bekanntlich auch die „Westdeutsche Forschungsgemeinschaft", mit der ein reger Informationsaustausch betrieben wurde und an deren „Aufgaben", wie Kuske 1943 „mit besten Grüßen" und „Heil Hitler" nach Berlin meldete, sich „seit langem verschiedene Mitglieder unserer Gemeinschaft mit zahlreichen Arbeiten" beteiligten(66). So fiel ihnen schließlich auch die Teilnahme an der „Aktion Ritterbusch", dem sogenannten „Kriegseinsatz der Deutschen Geisteswissenschaften", nicht schwer, deren Leiter den Kölner Sozial-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaftlern einen umfangreichen Aufgabenkatalog zustellte(67). Neben den hier bereits genannten wissenschaftlichen Fachbereichen, die in der Kölner Gruppe der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung" vertreten waren, sollten insbesondere die Archäologie, die Mediävistik, die Niederlandistik, die Geographie, die Soziologie, natürlich die Bevölkerungswissenschaft, die Germanistik mit der Sprachgeschichte und die Philosophie, aber auch die Zeitungs- und Auslands- bzw. Staatswissenschaften eingehend untersucht werden, die sich gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda als besonders empfänglich erwiesen und sich mancherorts zu den maßgeblichen Zentralen der nationalsozialistischen „Gegnerforschung" entwickelten.

(7.) Sie wurden ergänzt durch eigene wissenschaftliche und publizistische Aktivitäten, die im „Ahnenerbe" der SS etwa von Hans Ernst Schneider oder im Reichssicherheitshauptamt und später dann auch im Auswärtigen Amt etwa von Multifunktionären wie Franz Alfred Six unternommen bzw. in Projektform angeregt wurden;

(8.) Schließlich sind die privatrechtlich konstruierten Vereine und Ableger etwa des zentralen „Vereins für das Deutschtum im Ausland" zu nennen, der seine Geschäftsstelle in Stuttgart hatte während der gesamten NS-Zeit ein wichtiges Koordinationsinstrument zwischen Staat, Wissenschaft und Ausland darstellte. Gemeinsam mit anderen NS-Organisationen wie etwa der „Volksdeutschen Mittelstelle" oder auch dem Nationalsozialistischen Deutschen Studenten- bzw. dem Dozentenbund(68) versuchte sie, die im westlichen Ausland lebenden Deutschen propagandistisch im Sinne der NS-Ideologie zu indoktrinieren. Auch hier war selbstverständlich eine ordentliche wissenschaftliche Unterfütterung gefragt, wie die Beispiele des nachmaligen Kieler Historikers Karl Dietrich Erdmann und des Bochumer Mediävisten und Technikhistorikers Albrecht Timm(69) im Rahmen ihrer NS-Propaganda-Arbeit in Paris deutlich gemacht haben. In Vorträgen und Publikationen widmeten auch sie sich genuinen Themen der „Westforschung", nämlich der Betonung des humanistischen Erbes der Germanen auf einstmals westfränkischem Boden, das nun vom Nationalsozialismus in zeitgemäßer Form tradiert und verkörpert werde, und in Lehrbüchern der germanischen Umdeutung der europäischen, speziell der französischen Geschichte.

(9.) Sind zu nennen die Freundesgesellschaften der westlichen Anrainerstaaten und die entsprechenden Hochschul-Institute, also etwa die „Deutsch-Niederländische Gesellschaft" und die „Holland-Institute" in Frankfurt a.M., Köln oder Münster, über deren Aktivitäten im Rahmen der interdisziplinären „Westforschung" umfangreiche Aktenbestände Auskunft geben können. Helmut Gabel vom Zentrum für Niederlande-Studien hat das kürzlich in einer Pilotstudie über die Niederlande-Forschung in der Zeit der Weimarer Republik sehr schön aufgezeigt(70).

(10.) Und schließlich sind die deutschen Propaganda- und Kultur-Abteilungen in den besetzten Gebieten Westeuropas zu nennen, die ihrerseits an der „Westforschung" aktiv als Initiatoren eigener Publikationen und Forschungsprojekte oder auch nur passiv partizipierten, indem sie „Westforschern" aus dem Reich beispielsweise ein geeignetes Forum für die Präsentation ihrer Elaborate boten.

Ziele der interdisziplinären „Westforschung"

Soweit wir heute wissen, ging es bei der „Westforschung" - durchaus ähnlich wie im Osten - neben den individuellen Forschungsinteressen der einzelnen Wissenschaftler im Endeffekt um die rein zweckorientierte Bereitstellung von stark historisch ausgerichtetem Wissen für die aggressiven Ziele der deutschen Außenpolitik, die letztlich auch mit den Mitteln der „Westforschung" zur Konzeptionierung und Legitimierung einer nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik" im Westen führen sollte. Ihre theoretische bzw. völkerrechtliche Begründung als „deutsche Monroe-Doktrin" durch Carl Schmitt und ihre konzeptionelle Ausprägung hat Lothar Gruchmann bereits 1962 in seiner Monographie über die „nationalsozialistische Großraumordnung" ohne Berücksichtigung der „Westforschung" allein auf der Grundlage außenpolitischer Verlautbarungen Hitlers sowie geheimer Planungen dargestellt(71). Danach propagierte Hitler seit Anfang 1934 unter dem Diktum, den „Erbfeind" Frankreich seiner Großmachtstellung berauben und von den „raumfremden Mächten" England und den USA isolieren zu wollen, eine Ausdehnung des deutschen Reiches weit über die Grenzen von 1914 hinaus, und zwar auch nach Westen hin(72). In der Mitte Europas sollte der „stählerne Kern" eines „zu unverbrüchlicher Einheit geschmiedeten Deutschland" stehen, dem die „Hilfsvölker" Hollands, Flanderns und Nordfrankreichs in einem sogenannten „Westbund", doch „ohne Heer, ohne eigene Politik, ohne eigene Wirtschaft" angegliedert werden sollten(73). Mit Blick auf die Neutralität der drei Benelux-Staaten fügte Hitler hinzu: „Die Zeit der kleinen Staaten ist vorbei ... Es wird keine Neutralität mehr geben. Die Neutralen werden in die Kraftfelder der Großen geraten. Sie werden aufgesaugt werden. Alles dies wird nicht auf einmal geschehen. Ich werde Schritt für Schritt vorgehen, aber mit eiserner Konsequenz."(74)

Über die Faktizität der militärischen Okkupation der Benelux-Staaten und Vichy-Frankreichs hinaus, sollten die aus der „Westforschung" resultierenden Konzepte die theoretischen Grundlagen für eine umfassende und dauerhafte „Germanisierungspolitik" darstellen. Nicht nur mit Hilfe von anscheinend harmlosen mediävistischen und volkskundlichen Argumenten, nein auch und gerade mit Unterstützung von Raumplanern, Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzexperten etc. wurden zwischen 1924 und 1945 die vermeintlichen „germanisch-arischen" Wurzeln eines immensen Gebietsdreiecks festgeschrieben, das in Teilen sogar über die Vichy-Zone hinausgriff und von der Somme-Mündung im Norden über die Ardennen bis zur Franche-Comté reichte und dabei das Elsaß, Lothringen, das ehemalige Burgund (H. Heimpel), Luxemburg, die Niederlande und Belgien mit Wallonien (F. Petri) und Französisch-Flandern umfaßte. Die magische Grenze bildete hier der konkrete Verlauf der „Nord-Ost-" oder sogenannten „Führer-Linie", die in auffallender Weise den Vorgaben der historisch arbeitenden „Westforscher" und den von ihnen propagierten legitimen „Reichsgrenzen" zu Zeiten des Westfälischen Friedens (1648) oder des Fränkischen Teilungsvertrages von Verdun (843) entsprach(75).

Autor dieser Raumordnungspläne war also keineswegs nur Hitler, der sich bei Besprechungen zur politischen Planung 1940 und 1942 dezidiert auf die Lektüre von Franz Petris Habilitationsschrift „Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich" von 1937 berief, und auch nicht nur Hitlers Staatssekretär Wilhelm Stuckart, der die Annexionspläne detailliert auszuarbeiten hatte(76): Es waren vielmehr die „Grenzlandforscher" selbst, aus deren Untersuchungen hervorging, daß etwa Burgund ein „uralter deutscher Boden" und die Einverleibung der genannten Gebiete „aus historischen, politischen, ethnographischen, geographischen und sonstigen Gründen" zu rechtfertigen sei.

Eine ansatzweise Vergleichbarkeit mit der „Lebensraumpolitik" im Osten ist trotz aller relativistischen Verharmlosung der NS-Herrschaft über das kontinentale Nordwesteuropa schon allein dadurch gegeben, daß die sogenannte „nicht assimilierbare" Bevölkerung Lothringens tatsächlich nach Südwestfrankreich oder Polen abgeschoben und die französische Bevölkerung aus den von den „Westforschern" zur Integration ins Reich vorgesehenen Gebieten tatsächlich evakuiert bzw. systematisch verdrängt wurde(77). Federführend war dabei die bereits erwähnte „Volksdeutsche Mittelstelle", die sich zuvor nur um die Koordinierung ausländischer Propagandavorhaben gekümmert hatte, die aber mit Kriegsbeginn und der Ernennung Himmlers zum „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" de facto zum ausführenden Organ von Himmlers Umsiedlungspolitik wurde(78). Im betreffenden Fall wurde sie von den Gauleitungen Westmark, Baden und Koblenz-Trier tatkräftig unterstützt.

Nicht von ungefähr, nämlich aufgrund der erwähnten Vorgaben für die „Lebensraumpolitik" im Westen und der hierfür besonders nutzbringenden Vorarbeiten der „Westforscher", befand sich also eines der ersten Aktionsfelder von Himmlers „Germanisierungspolitik" im heutigen „Saar-Lor-Lux"- Raum, eine Tatsache, von der allerdings selbst neuere grenzübergreifende Forschungsvorhaben nur höchst ungern Notiz zu nehmen scheinen. Im Gegenteil: Die Begründung der betreffenden Euregio für die Durchführung eines solchen Projekts veranlaßte luxemburgische, belgische, französische, niederländische und deutsche Wissenschaftler seit 1980 gleich mehrfach und zuletzt sogar auf deutscher Seite im Rahmen des großangelegten Trierer Sonderforschungsbereichs 235 „Zwischen Maas und Rhein"(79) ähnlich wie schon fünf Jahrzehnte zuvor über die Gemeinsamkeiten „im Bereich des ehemaligen lotharingischen Zwischenreiches zu diskutieren"(80). - Was sollte also heute, angesichts unserer aktuellen Kenntnisse über das Ausmaß der „Verstrickung" von Wissenschaftlern nahezu aller Disziplinen in die nationalsozialistische Umsiedlungs-, Verfolgungs- und Vernichtungspolitik, anders gemacht werden?


Perspektiven für die kritische Aufarbeitung der interdisziplinären „Westforschung" (1918-1945)

Als Perspektive für eine kritische Aufarbeitung der „Westforschung" in den Jahren 1918-1945 ergibt sich aus der gegenwärtigen Erkenntnissituation zunächst vor allem zweierlei: (1.) Daß wir zwar auf den ersten Blick vor einer immensen, vielleicht sogar etwas verwirrenden methodischen, inhaltlichen und disziplinären Vielfalt stehen, eben letztlich vor dem Phänomen eines NS-Großforschungsprojekts, das es mit unseren modernen Mitteln zu erforschen gilt. (2.) Daß wir aber in der Entschlüsselung und Analyse dieses Systems gerade die besondere Herausforderung für eine innovative historische Forschung erblicken sollten, zumal es selbstverständlich sein müßte, daß es eine moderne Landes- und Regionalgeschichte - insbesondere dann, wenn sie die Zeitgeschichte auf ihre Fahnen geschrieben hat - als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben erachtet, die eigenen völkischen Wurzeln und das Ausmaß ihrer sogenannten „Verstrickung" in die NS-Wissenschafts- und -Herrschaftspraxis selbst zu erforschen.

Im Detail und immer auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dafür entsprechende Quellen verfügbar sind, ergeben sich aus meiner Sicht zumindest zehn konkrete Forschungsperspektiven, für deren Realisierung gewiß sehr unterschiedliche zeitliche Maßstäbe angesetzt werden müssen. In jedem Fall würden sich aus ihr hinlängliche Chancen ergeben, dem Thema „Westforschung" zu einem eigenständigen Profil in der zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschung um das verhängnisvolle 'Dreiecksverhältnis' von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts und in den aktuell laufenden Debatten zu geben. - Und damit meine ich nicht nur die öffentlichkeitswirksame Debatte um die „Historiker im Nationalsozialismus", sondern auch etwa die jüngste fachintern begonnene Diskussion um einen „Nationalismus vor dem Nationalismus" oder um die mentalitätsgeschichtlichen Wurzeln von ethnischen Säuberungen.

Im einzelnen vorschlagen möchte ich:

1. einzelne Akteure der „Westforschung", ihre jeweilige Laufbahn als Intellektuelle, ihre einschlägigen Veröffentlichungen und deren geistesgeschichtliche Verortung sowie die Einbindung der Forscher in die sozialen und wissenschaftlichen Netzwerke der NS-Forschung in kleineren Detailstudien in den Blick zu nehmen. Zu nennen wären hier beispielsweise neben Franz Petri die Namen von Georg Schreiber, Hermann Aubin, Franz Steinbach, Kurt Tackenberg, Rudolf Kötzschke, Erich Kayser, Hektor Ammann, Ernst Anrich, Gerhard Kallen, Bruno Kuske, Walter von Stokar, August Helbok und Gerhard Metz.

2. Dies gilt auch für die unsiversitäts- und institutsgeschichtliche Perspektive, d.h. etwa für die Frage der konkreten Einbindung der Universitäten Aachen, Köln, Bonn, Straßburg, Heidelberg und Freiburg in das System der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft" und die Fragen des besonderen Engagements einzelner Institute, zu denen selbstverständlich nicht nur die landesgeschichtlichen Institute zu zählen sind. Besonders wichtig erscheinen - wie bereits erwähnt - die Institute für Bevölkerungswissenschaft und rassekundliche Fragen, für Raum- und Stadtplanung, für Soziologie, Volkskunde, Archäologie, Zeitungs- und Auslandswissenschaft sowie alle bilateralen Auslandsinstitute mit ihren angeschlossenen Freundesgesellschaften.

3. Im Anschluß an die grundlegenden organisationsgeschichtlichen Studien Fahlbuschs sollte man sich nun vor allem mit den Inhalten und geistes- bzw. wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründen der „Westforschung" sowie ihrer intendierten Nutzanwendung auseinandersetzen, d.h. etwa mit den 30 mehrtägigen Zusammenkünften der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft", die für den Zeitraum 1924-1938 bekannt sind und z.T. in Form von Sammelbänden veröffentlicht wurden. Die meisten ihrer Programme und Protokolle sind im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, in den Archivbeständen des westfälischen Provinzialverbandes und -instituts (Münster) oder im Nachlaß Franz Petris (Zentrum für Niederlande-Studien) zugänglich.

4. Sollten im Anschluß an die Arbeit von Thomas Müller über die „Westforschung" im Grenzabschnitt Nordwest um Aachen auch die übrigen Abschnitte der westlichen Reichsgrenze unter die Lupe genommen werden, womit man die vermutlich unterste Ebene des Netzwerks aus Vertretern von Wissenschaft, Politik und Verwaltung aufdecken und weiterführend analysieren könnte.

5. Ist es ein ausgesprochenes Desiderat der rheinischen Geschichte, bisher noch kein Äquivalent zur Arbeit von Karl Ditt über die Kulturpolitik des Provinzialverbandes vorweisen zu können. Wünschenswert wäre es also, eine solche Studie mit einer besonderen Akzentuierung im Bereich der interdisziplinären „Westforschung" baldmöglichst anzuregen, um so die noch offene Frage nach der Rolle und Funktion des Provinzialverbandes im System der „Westforschung" beantworten zu können.

6. Wäre es wünschenswert, wenn im Rahmen verschiedener Untersuchungen das Problem der Verzahnung und politischen Auswertung der „Westforschung" mit den Schaltzentralen der NS-Politik, d.h. mit dem Reichssicherheitshauptamt, dem „Ahnenerbe" der SS, den Kulturabteilungen der einschlägigen Ministerien, der militärischen Ebene und dem Führerhauptquartier konkret geklärt werden könnte.

7. Sollten die Kultur- und Propaganda-Abteilungen der deutschen Besatzungsadministrationen sowie deren Vernetzung mit den verschiedenen hierarchischen Ebenen der „Westforschung" in den Blick genommen werden.

8. Sollte ein systematischer Vergleich mit den Ergebnissen der „Ostforschung" angestrebt werden(81).

9. Wäre es besonders wünschenswert, unter dem Stichwort „Vergangenheitspolitik" auch das Nach- und Fortwirken der „Westforschung" und der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft" in der „Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen" nach 1945 zu untersuchen, die - wie übrigens auch die „Ostforschung" Theodor Schieders(82) - bis weit in die 1960er Jahre hinein alte Projekte unter scheinbar veränderten Vorzeichen fortsetzte, die weiterhin institutionalisiert war und überdies von seiten der Landesregierung finanziell unterstützt wurde, bis sie schließlich in anderen Organisationen aufgingen.

10. Sollten die vielfältigen Aktivitäten der NS-Westforscher auch konsequent aus der Perspektive des Auslandes, d.h. nicht nur unbedingt aus der Blickrichtung der definitiv gegebenen (intellektuellen) Kollaboration, sondern auch aus der je nationalstaatlich motivierten, aber wissenschaftlich-methodisch und politisch durchaus verwandten Perspektive etwa der französischen, luxemburgischen, niederländischen und belgischen 'Ostforschung' betrachtet werden. Für das in Aussicht genommene Tagungs- und Publikationsprojekt zur „Westforschung" wird gerade auch aus diesem Grund eine intensive Kooperation mit Kollegen aus dem westlichen Ausland angestrebt.


Erstveröffentlichung des Artikels in "Geschichte im Westen. Zeitschrift für Landes- und Zeitgeschichte" 14.Jg., Heft 2.(1999)

Anmerkungen:

1 Bei dem vorliegenden Beitrag, der im Frühjahr 1999 als allgemeiner Problemaufriß für ein Tagungs- und Publikationsvorhaben zur „Westforschung" konzipiert wurde, handelt es sich um die etwas erweiterte Fassung eines Vortrags, den ich auf der Jahrestagung des „Brauweiler Kreises für Landes- und Zeitgeschichte Nordrhein-Westfalens" am 12. März 1999 in Bad Waldliesborn gehalten habe. Überarbeitet und eingefügt wurden neben den Fußnoten insbesondere alle Passagen zu den erst nach dem Vortrag erschienenen Publikationen, insbesondere zu der seit Mai 1999 verfügbaren Monographie von Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" von 1931-1945, Baden-Baden 1999. Die Vortragsform wurde im wesentlichen beibehalten. Bei dem projektierten Tagungs- und Publikationsvorhaben, das organisatorisch vom Zentrum für Niederlande-Studien (Universität Münster) und vom Institut für Europäische Regionalforschungen (Universität-Gesamthochschule Siegen) getragen wird, arbeite ich federführend mit den Kollegen Dr. Helmut Gabel (Essen) und Georg Mölich (Köln) zusammen. Ihnen, den Geschäftsführenden Direktoren der beteiligten Institute, Prof. Dr. Horst Lademacher und Prof. Dr. Gerhard Brunn, sowie dem Vorstand und den Mitgliedern des Brauweiler Kreises danke ich für ihre Unterstützung sowie für Anregungen und konstruktive Kritik.

2 Noch allgemeiner formuliert konstatierte Winfried Schulze letzthin: „Die Erforschung des Wissenschaftssystems des Dritten Reiches ... ist trotz einer Fülle von ausgezeichneten Detailstudien noch nicht als zufriedenstellend zu bezeichnen" (Winfried Schulze, Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1920-1995, Berlin 1995, S. 25).

3 Victor Klemperer, Und so ist alles schwankend. Tagebücher Juni bis Dezember 1945, 4. Aufl. Berlin 1997, S. 144 (24.09.1945).

4 Geoffrey J. Giles, Students and National Socialism in Germany, Princeton 1985. - Michael H. Kater: Studentenschaft und Rechtsradikalismus in Deutschland 1918-1933. Eine sozialgeschichtliche Studie zur Bildungskrise in der Weimarer Republik, Hamburg 1975. - Christian Jansen: Professoren und Politik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914-1935, Göttingen 1992.

5 Zum allgemeinen geistes- und ideengeschichtlichen Hintergrund vgl. Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, München 1962 (zuletzt 4. Aufl. der Taschenbuchausgabe, München 1994). - George L. Mosse, The crisis of German ideology. Intellectual origins of the Third Reich, New York 1964 (dt. zuletzt unter dem Titel „Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus", Frankfurt a.M. 1991). - Jost Hermand, Der alte Traum vom neuen Reich. Völkische Utopien und Nationalsozialismus, 2. Aufl. Frankfurt a.M. 1995. - Handbuch zur „Völkischen Bewegung" 1871-1918, hg. v. Uwe Puschner u.a., 2. Aufl. München 1999.

6 Älter ist lediglich die für das breite Themenspektrum der „Westforschung", speziell ihre südwestliche Zielrichtung und die kritische Beurteilung Ernst Anrichs besonders wichtige Pilotstudie von Lothar Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsaß, Stuttgart 1973.

7 Angelika Ebbinghaus/Karl Heinz Roth, Vorläufer des „Generalplans Ost". Eine Dokumentation über Theodor Schieders Polendenkschrift vom 7. September 1939, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, H. 1/1992, S. 62-94.

8 Peter Schöttler, Schuld der Historiker, in: Die Zeit, 28.03.1997. - Ders., Deutsche Historiker im Nationalsozialismus - 10 Thesen, in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de - Vgl. dort auch etliche weitere Dokumente unter der Rubrik „Historiker in der NS-Zeit - Hitlers willige Helfer?". - Sven Felix Kellerhoff, Pionieren der Sozialgeschichte droht Denkmalsturz, in: Die Welt, 27.07.1998. - Gerhard Besier, Auch Wissenschaftler können irren. Über die Weiterverwendung von Historikern, die Hitler oder der Staatssicherheit dienten, in: Die Welt 10.09.1998.

9 Götz Aly, Rückwärtsgewandte Propheten. Willige Historiker - Bemerkungen in eigener Sache, in: ders., Macht - Geist - Wahn. Kontinuitäten deutschen Denkens, Berlin 1997, S. 153-183. Ders., „Daß uns Blut zu Gold werde". Theodor Schieder, Propagandist des Dritten Reichs, in: Menora 1998, S. 13-27. - Gadi Algazi, Otto Brunner - „Konkrete Ordnung" und Sprache der Zeit, in: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945, hg. v. Peter Schöttler, Frankfurt a.M. 1997, S. 166-203. - Gernot Heiß, Wiener Schule der Geschichtswissenschaft, in: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938-1945, hg. v. Gernot Heiß u.a., Wien 1989, S. 52 f. - Reinhard Johler, „Tradition und Gemeinschaft": Der Innsbrucker Weg, in: Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wien 1994, S. 589-601. - Zu dem in diesem Zusammenhang besonders wichtigen Gunther Ipsen vgl. neben Willi Oberkrome (s. Anm., passim) Otthein Rammstedt, Theorie und Empirie des Volksfeindes. Zur Entwicklung einer „deutschen Soziologie", in: Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Peter Lundgreen, Frankfurt a.M., S. 253-313 sowie Carsten Klingemann, Soziologie im Dritten Reich, Baden-Baden 1996 und auch Johannes Weyer, Westdeutsche Soziologie 1945-1960, Berlin 1984. - Eine wichtige institutionelle Basis für die Neuformierung völkischer Wissenschaftler nach 1945 bildete die von Weyer untersuchte, von der kritischen Historiographiegeschichte bisher noch zu wenig beachtete Sozialforschungsstelle Dortmund, an der unter dem maßgeblichen Einfluß von Ipsen u.a. die für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Westdeutschlands bis in die 1970er Jahre hinein wichtigen Historiker, Soziologen und Volkskundler Wilhelm Brepohl, Carl Jantke, Helmuth Croon und Wolfgang Köllmann arbeiteten. Vgl. hierzu Burkhard Dietz/Jürgen Reulecke, Wolfgang Köllmann (1925-1997), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 97 (1995/96), S. I-XIV. - Der auch nach 1945 noch erhebliche Einfluß der „Leipziger Schule" der „deutschen Soziologie" und Kulturwissenschaften ist seit den 1980er Jahren mehrfach auf Deutschen Soziologentagen behandelt worden: Reinhart Blomert, Lehre im Kränzchen. Die Tradition der Leipziger Schule und ein neues Institut, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.1994.

10 Martin Kröger/Roland Thimme, Die Geschichtsbilder des Historikers Karl Dietrich Erdmann. Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik, München 1996. - Martin Kröger, Der Historiker als Mitläufer: Karl Dietrich Erdmann im Dritten Reich, in: Geschichte in Köln 41, 1997, S. 97-110.

11 Winfried Schulze, Hans Rothfels und die deutsche Geschichtswissenschaft, in: Von der Aufgabe der Freiheit. Politische Verantwortung und bürgerliche Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Hans Mommsen zum 5. November 1995, hg. v. Christian Jansen u.a., Berlin 1995, S. 83-98.

12 Hans-Ulrich Wehler, In den Fußstapfen der kämpfenden Wissenschaft. Braune Erde an den Schuhen: Haben Historiker wie Theodor Schieder sich nach dem Krieg von ihrer Geschichte ganz verabschiedet, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.01.1999. - Vgl. hierzu auch das Interview Hans-Ulrich Wehler/Hermann Rudolph, Streit bei den deutschen Historikern. Wie nahe standen die Leuchten des Fachs als junge Leute dem braunen Denken?. in: Der Tagesspiegel, 08.12.1998. - Jürgen Kocka, Kommentar in der Sektion „Historiker im Nationalsozialismus" (42. Deutscher Historikertag, Frankfurt a.M., 10.09.1998), in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de. - Vgl. dort jetzt auch das von Konrad Jarausch und Rüdiger Hohls eingeleitete Projekt einer Interview-Reihe mit ausgewählten Historikern: „Fragen, die nicht gestellt wurden!" oder „Gab es ein Schweigegelübde der zweiten Generation?" Ein Interviewprojekt mit Historikern der Nachkriegsära zu den Bedingungen der beruflichen/wissenschaftlichen Sozialisation und den Chancen zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Historikern, in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/intervie/

13 Jürgen Kaube, In der Beraterfalle. Viel Volk, wenig Begriff: Was deutschen Historikern lag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.03.1999. - Ralph Bollmann, Verstrickt im Gewirr akademischer Eitelkeiten. Historiker werfen Heinrich-Böll-Stiftung „Überanpassung" an die SPD-Linie vor, in: Die Tageszeitung, 05.03.1999. - Gustav Seibt, Kritisches Goldrähmchen. Hans-Ulrich Wehlers erstaunlich sanfte Worte über Theodor Schieders Karriere im Dritten Reich, in: Berliner Zeitung, 12.12.1998. - Winfried Schulze, Vergangenheit und Gegenwart der Historiker, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), H. 2, S. 67-73. - Michael Fahlbusch, Die Tragödie der Sozial- und Zeitgeschichte: Wer in die braunen Fußstapfen seiner Vorgänger tritt, hinterläßt keine eigenen Spuren, in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/essays/fami0499.htm. - Aus der Fülle von Berichten über und Kommentaren zur Auseinandersetzung um das Thema „Historiker im Nationalsozialismus" seien hier lediglich die besonders pointierten aufgeführt: Sven Felix Kellerhoff, Pionieren der Sozialgeschichte droht Denkmalsturz. Werner Conze, Karl Dietrich Erdmann und Theodor Schieder unterstützten Hitlers Lebensraum-Ideologie, in: Die Welt, 27.07.1998. - Franziska Augstein, Schlangen in der Grube. Im Disput vereint: Der 42. Deutsche Historikertag, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.09.1998. - Sven Felix Kellerhoff, Aufklärung oder Diskreditierung. „Man kannte sich ja": Auf dem Historikertag in Frankfurt streitet die Zunft über ihre Wurzeln im Nationalsozialismus, in: Die Welt, 11.09.1998. - Ralph Bollmann, Vordenker der Vernichtung, in: Die Tageszeitung, 14.09.1998. - Wolfgang Behringer, Schuldige Väter, milde Söhne, strenge Enkel, in: Berliner Zeitung, 14.09.1998. - Paul Burgard, Die unfrohe Wissenschaft, in: Süddeutsche Zeitung, 14.09.1998. - Nils Minkmar, Der braune Unterleib der Sozialgeschichte, in: Frankfurter Rundschau 15.09.1998. - Volker Ullrich, Späte Reue der Zunft, in: Die Zeit, 17.09.1998.

14 Götz Aly/Susanne Heim, Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Hamburg 1991 (2. Aufl. der Taschenbuchausgabe, Frankfurt a.M. 1994). - Susanne Heim, Sozialwissenschaftler als Vordenker der Vernichtung?, in: Vertuschte Vergangenheit. Der Fall Schwerte und die NS-Vergangenheit der deutschen Hochschulen, hg. v. Helmut König u.a., München 1997, S. 118-132.

15 Michael Burleigh, Germany turns Eastwards. A Study in „Ostforschung" in the Third Reich, Cambridge 1988. - Vgl. dazu auch Christoph Kleßmann, Osteuropaforschung und Lebensraumpolitik im Dritten Reich, in: Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Peter Lundgreen, Frankfurt a.M. 1985, S. 350-383.

16 Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989.

17 Zweifellos war die monographische Studie von Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980 bereits ein - später von Faulenbach durch zahlreiche kleinere Arbeiten ergänzter - 'Meilenstein' hinsichtlich der Aufdeckung von völkischen Inhalten, Funktionen und Kontinuitäten in der deutschen Geschichtswissenschaft bis 1945. Die vergleichsweise größere Wirkung von Winfried Schulzes Buch mag insofern erstens auf die betont zeitgeschichtliche Perspektive der Phase nach 1945, zweitens auf seine zugespitzten Thesen zur Kontinuitätsfrage zwischen „politischer Volksgeschichte" und „moderner deutscher Sozialgeschichte" und drittens auf die zufällige zeitliche Nähe zum Bekanntwerden des „Falles" Theodor Schieder, zur Goldhagen-Debatte und zu der seit 1997 geführten Diskussion um die Rolle der „Historiker im Nationalsozialismus" zurückzuführen sein. - Aus der Fülle der seitdem publizierten Forschungsliteratur zur allgemeinen Historiographiegeschichte seien in diesem Kontext genannt: Karen Schönwalder, Historiker und Politik. Geschichtswissenschaft und Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1992. - Ursula Wolf, Litteris et patriae. Das Janusgesicht der Historie, Stuttgart 1996 (darin vor allem die systematischen Kapitel zur Rolle der Mediävistik und Landesgeschichte sowie die personellen Fallbeispiele der Historiker Heimpel, Aubin und Petri, S. 237-314). - Ursula Wiggershaus-Müller, Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft. Die Geschichte der Historischen Zeitschrift und des Historischen Jahrbuchs 1933-1945, Hamburg 1998. - Notker Hammerstein, Die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Wissenschaftspolitik in Republik und Diktatur, München 1999. - Eine „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus" wird derzeit im Rahmen eines großangelegten Projekts am Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte erarbeitet.

18 Karl Ditt, Raum und Volkstum. Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923-1949, Münster 1988.

19 Auf der Suche nach regionaler Identität. Geschichtskultur im Rheinland zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Red.: Stephan Lennarz, Bergisch Gladbach 1997.

20 Vgl. hierzu den anregenden, leider an etwas entlegener Stelle veröffentlichten Beitrag von Wolfgang Braunschädel, Mythos „Ruhrvolk" - Kritische Anmerkungen zu Wilhelm Brepohls Volkstumsforschung und Heimatkunde, in: Eine Reise ins Unbekannte. Ein Lesebuch zur Migrationsgeschichte in Herne und Wanne-Eickel, hg. v. Ralf Piorr, Essen 1998, S. 126-132.

21 Michael Fahlbusch, Entzauberung der Welt der Wissenschaft. Die zukünftige historiographische Forschung muß die Konstruktion eigener Traditionen überprüfen, in: Frankfurter Rundschau, 12.06.1999.

22 Franziska Wein, Deutschlands Strom - Frankreichs Grenze. Geschichte und Propaganda am Rhein 1919-1930, Essen 1992.

23 Bettina Bouresh, Die Neuordnung des Rheinischen Landesmuseums Bonn 1930-1939. Zur nationalsozialistischen Kulturpolitik der Rheinprovinz, Köln 1996.

24 Karl Peter Wiemer, Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz 1906-1970. Zur Geschichte der bürgerlichen Denkmalpflege im Rheinland, phil. Diss. (masch.) Wuppertal 1994.

25 Auf dieses Forschungsdesiderat konnte ich bereits einmal kurz in dem Vortrag „Die Westforschung und die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Rheinland" anläßlich der Verleihung des Albert-Steeger-Stipendiums am 30. Oktober 1996 in Krefeld vor zahlreichen Kulturpolitikern des Landschaftsverbandes Rheinland hinweisen.

26 Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem Karl Ditt, Vom Heimatverein zur Heimatbewegung, in: Westfälische Forschungen 39 (1989), S. 232-255 sowie ders., „Mit Westfalengruß und Heil Hitler". Die westfälische Heimatbewegung 1918-1945, in: Antimodernismus und Reform. Zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, hg. v. Edeltraud Klueting, Darmstadt 1991, S. 191-215.

27 Karl Ditt, Die Kulturraumforschung zwischen Wissenschaft und Politik. Das Beispiel Franz Petri (1903-1993), in: Westfälische Forschungen 46 (1996), S. 73-176.

28 Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft (s. Anm. 15), S. 281-301, inbes. S. 293. - Vgl. in diesem Kontext auch Willi Oberkrome, Probleme deutscher Landesgeschichtsschreibung im 20. Jahrhundert. Regionale Historiographie im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft, in: Westfälische Forschungen 46 (1996), S. 1-32.

29 Willi Oberkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945, Göttingen 1993.

30 Zur „Leipziger Schule" der „deutschen Soziologie" vgl. Klingemann, Soziologie Reich (s. Anm. 8), passim) sowie die Beiträge der Sektion „Soziologie in Leipzig - Geschichte und Gegenwart" in der Kongreßdokumentation „Soziologen-Tag Leipzig 1991. Soziologie in Deutschland und die Transformation großer gesellschaftlicher Systeme", hg. v. Hansgünter Meyer, Berlin 1992, S. 453 ff.

31 Oberkrome, Volksgeschichte (s. Anm. 28), S. 154.

32 Ebd., S. 217 f.

33 Willi Oberkrome, Reformansätze in der deutschen Geschichtswissenschaft der Zwischenkriegszeit, in: Nationalsozialismus und Modernisierung, hg. v. Michael Prinz u. Rainer Zitelmann, Darmstadt 1991, S. 216-238. - Ders., Geschichte, Volk und Theorie. Das 'Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums, in: Peter Schöttler (Hg.), Geschichtsschreibung (s. Anm. 8), S. 104-127. - Ders., Historiker im „Dritten Reich", in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), H. 2, S. 74-98. - Wichtige Ergänzungen zur Frage der bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Vorgeschichte der Volksgeschichte bietet Stephan Haas, Historische Kulturforschung in Deutschland 1880-1930. Geschichtswissenschaft zwischen Synthese und Pluralität, Köln 1994.

34 Michael Fahlbusch: „Wo der deutsche ... ist, ist Deutschland". Die Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig 1920-1933, Bochum 1994.

35 Zu diesem thematischen Kontext vgl. Kurt Düwell, Deutschlands auswärtige Kulturpolitik 1918-1932. Grundlinien und Dokumente, Köln 1976. - Deutsche auswärtige Kulturpolitik seit 1871. Geschichte und Struktur, hg. v. Kurt Düwell, Köln 1981. - Hans-Jürgen Döscher, Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung", Berlin 1987.

36 Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften" von 1931-1945, Baden-Baden 1999, hier insbes. S. 350-440 sowie S. 691-727. - Vgl. hierzu auch die zusammenfassenden Thesen, die Fahlbusch im September 1998 auf dem 42. Deutschen Historikertag in Frankfurt a.M. im Rahmen der Sektion „Deutsche Historiker im Nationalsozialismus" sowie einen Monat später auf dem Deutschen Soziologentag vorgetragen hat: Michael Fahlbusch, Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften": Ein Bain-Trust der NS-Volkstumspolitik?, in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de

37 Peter Schöttler, Die historische „Westforschung" zwischen „Abwehrkampf" und territorialer Offensive, in: ders. (Hg:), Geschichtsschreibung (s. Anm. 8), S. 204-261.

38 Zum generellen Problem der Instrumentalisierung der Geschichte, d.h. auch zur Erfüllung legalisierender Funktionen, vgl. etwa schon die Beiträge des Sammelbandes „Objektivität und Parteilichkeit", hg. v. Reinhart Koselleck u.a., München 1977.

39 Neuerdings systematisch zusammengefaßt und gut greifbar bei Marlene Nikolay-Panter, Geschichte, Methode, Politik. Das Institut für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande 1920-1945, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 60 (1996), S. 233-262 sowie in kritischer Distanz zu der bis zum Beginn der 1960er Jahre von völkischen Wissenschaftstraditionen beeinflußten Forschung des Bonner Instituts: Wilhelm Janssen, Das Institut für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn nach der Ära Seitbach (seit 1961), in: Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme, Analyse, Perspektiven, hg. v. Werner Buchholz, Paderborn 1998, S. 315-323.

40 Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik (s. Anm. 5), S. 45-56, 131 ff, 249-267.

41 Bernd-A. Rusinek (Bearb.), Zwischenbilanz der Historischen Kommission zur Untersuchung des Falles Schneider/Schwerte und seiner zeitgeschichtlichen Umstände, Düsseldorf 1996. - Wilfried Loth, Bernd-A. Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt a.M. 1998. - Helmut König (Hg.), Der Fall Schwerte im Kontext, Opladen 1998.

42 Universitätsarchiv (UA) Köln, 317/1814, Personalakte Walter von Stokar (eigentlich korrekt: Walter Stokar Freiherr von Neuforn, geb. 05.06.1901, gest. 01.06.1959). - Vgl. auch ebd., 317/1814, 44/416, 44/418, 44/421, 44/422. - Horst Althaus, Kölner Professorenlexikon (unveröffentlichtes Manuskript, UA Köln). - Zur Zusammenarbeit v. Stokars mit Schneider/Schwerte vgl. Rusinek, Zwischenbilanz (s. Anm. 40), S. 86-97 sowie Gerhard Hirschfeld, Die nationalsozialistische Neuordnung Europas und die „Germanisierung" der westeuropäischen Universitäten, in: Vertuschte Vergangenheit. Der Fall Schwerte und die NS-Vergangenheit der deutschen Hochschulen, hg. v. Helmut König, Wolfgang Kuhlmann u. Klaus Schwabe, München 1997, S. 90 ff.

43 Gerhard Hirschfeld, Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung, Stuttgart 1984. - Ders., NS-Planspiele für eine „Germanische Reichsuniversität" in Leiden, in: Heimat, Region und Ferne, hg. v. Walter Först, Köln 1978, S. 63-78. - Ders., Die Universität Leiden unter dem Nationalsozialismus, in: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 560-591. - Ders., Die nationalsozialistische Neuordnung Europas (s. Anm. 42), S. 79-102.

44 Thomas Müller, „Zwischen Maas und Rhein". Ein nationalsozialistisches Medienprojekt im deutsch-belgisch-niederländischen Grenzgebiet, MA-Arbeit masch. Aachen 1999. - Zu den deutsch-belgischen Beziehungen in der NS-Zeit vgl. neben Peter Klefisch, Das Dritte Reich und Belgien 1933-1939, Frankfurt a.M. 1988 jetzt auch Ernst Leonardy/Hubert Roland (Hg.), Deutsch-belgische Beziehungen im kulturellen und literarischen Bereich 1890-1940, Frankfurt a.M. 1999.

45 Michael Wortmann, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund an der Universität Köln 1927-1933, in: Geschichte in Köln. H. 8, 1980, S. 101-118. - Frank Golczewski, Die 'Gleichschaltung' der Universität Köln im Frühjahr 1933, in: Aspekte der nationalsozialistischen Herrschaft in Köln und im Rheinland, hg. v. Leo Haupts u. Georg Mölich, Köln 1983, S. 49-72. - Ders., Jüdische Hochschullehrer an der neuen Universität Köln vor dem Zweiten Weltkrieg, in: Köln und das rheinische Judentum. Festschrift Germania Judaica 1959-1984, Köln 1984, S. 363-396. - Ders., Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus, Köln 1988.

46 Zu Heimpel vgl. neuerdings Ernst Schulin, Hermann Heimpel und die deutsche Nationalgeschichtsschreibung (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. 9), Heidelberg 1998. - Klaus Sommer, Arnold Berney und Hermann Heimpel - zwei Freunde und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus, in: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/buecher/1999/sokl0299.htm - H. E. Troje, Hermann Heimpel (1901-1988), in: www.rz.uni-frankfurt.de/FB/fb01/Troje/Heimpel.html.

47 Erste Tagungen zur Westforschung wurden am 1.-3.3.1924 in Witzenhausen (Thema Westdeutscher Volksboden, Schweiz, Luxemburg, Separatismus, Friedensschuld- und Kolonialfrage), am 5.-7.10.1924 in Heppenheim (Westdeutscher Volksboden, Rheingebiet, Elsaß, Separatismus, Walonen und Vlamen, sozioökonomische Untersuchungen zum Rheinland) etc. unter Leitung der Leipziger „Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung" durchgeführt (Fahlbusch, „Wo der deutsche ... ist", s. Anm. 33, S. 112, 272 f).

48 Ebd., S. 71-98.

49 Hans Mommsen, Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918-1933, Berlin 1989, S. 215 f, 223 f.

50 Der westdeutsche Volksboden. Aufsätze zu den Fragen des Westens, hg. v. Wilhelm Volz, Breslau 1925. - Vgl. hierzu auch den unter Mitwirkung Carl Schmitts und etlicher Westforscher speziell für Geschichtslehrer publizierten Sammelband „Probleme des deutschen Westens", hg. v. Friedrich Metz, Berlin 1929.

51 Fritz Blaich: Grenzlandpolitik im Westen 1926-1936. Die „Westhilfe" zwischen Reichspolitik und Länderinteressen, Stuttgart 1978.

52 Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe" der SS 1935-1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, 2. Aufl. München 1997, S. 47-57, 72 ff, 95 ff, 170-226.

53 Aly/Heim, Vordenker der Vernichtung (s. Anm. 13), passim. - Heim, Sozialwissenschaftler (s. Anm. 14), S. 125-129. - Zum Gesamtzusammenhang vgl. Ulrich Herbert (Hg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939-1945. Neue Forschungen und Kontroversen, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 1998.

54 Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem „Prinz-Albrecht-Gelände". Eine Dokumentation, hg. v. Reinhard Rürup, 2. Aufl. Berlin 1987. - Johannes Tuchel/Reinhold Schattenfroh, Zentrale des Terrors, Prinz-Albrecht-Str. 8, das Hauptquartier der Gestapo, Berlin 1987.

55 Lutz Hachmeister, Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998, zu den nachfolgend angesprochenen Aspekten vgl. im einzelnen S. 175-198, 200 f, 210-213, 217-235 (mit dezidierten Ausführungen zum Stellenwert der „Westforschung", zu einem SD-Einsatz in den Niederlanden, Vorauskommando Moskau etc.) - Zu Six vgl. auch Gerhard Szczesny, Als die Vergangenheit Gegenwart war. Lebenslauf eines Ostpreußen, Berlin 1990, S. 106 f.

56 Ebd., S. 177.

57 Über die Geschichte dieser Institute informieren unter Angabe weiterführender Literatur die Beiträge des Sammelbandes „Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme - Analysen - Perspektiven", hg. v. Werner Buchholz, Paderborn 1998.

58 Kettenacker, Nationalsozialistische Volkstumspolitik (s. Anm. 6), S.184-195.

59 Dann freilich unter dem Namen „Landesarbeitsgemeinschaft für Raumforschung". Kuske wurde laut Schreiben vom 27.12.1946 vom Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen persönlich mit der Leitung dieses lediglich umbenannten Gremiums betraut (UA Köln 44/191).

60 UA Köln, 44/191, 28/758, 28/759.

61 UA Köln, 44/191, Zit. aus dem ersten Sitzungsbericht der Berliner Zentrale der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung vom 27.01.1936.

62 Kuskes Jahresbericht der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung zu Köln für 1943, UA Köln, 44/191, S. 5.

63 UA Köln, 228/33.

64 Vgl. Kuskes Jahresbericht der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung zu Köln für 1943, UA Köln, 44/191, S. 3 f.

65 Vgl. hierzu insbesondere die von Kuske angelegte Akte UA Köln, 44/220 mit geheimen Erlassen und Berichten aus der Zeit 1938-1944 mit detaillierten problemorientierten Zielvorgaben für Holland, Belgien-Nordfrankreich, Norwegen und Dänemark.

66 Ebd., S. 2. - Zu Kuskes Tätigkeit im Rahmen der „Westdeutschen Forschungsgemeinschaft" vgl. auch Fahlbusch, Wissenschaft im Dienste nationalsozialistischer Politik? (s. Anm. 36), S. 397, 407, 4414, 420, 701, 707.

67 Ebd., 25.04.1944. - Vgl. hierzu Frank-Rutger Hausmann, „Deutsche Geisteswissenschaft" im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch (1940-1945), Dresden 1998. - Ders., Die Aktion Ritterbusch. Auf dem Weg zum Politischen: Carl Schmitt und der Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaft, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.1999. - Wolfgang Dierker, „Nicht einmal ein Held volksdeutscher Art. Der „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften" im Sommer 1942 - aus bisher unbekannten Akten des SS-Sicherheitsdienstes, in: Die Welt, 12.12.1998.

68 Michael Grüttner, Wissenschaft, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. v. Wolfgang Benz u.a., 2. Aufl. München 1998, S. 135-153. - Ders., Studenten im Dritten Reich, Paderborn 1995. - Anselm Faust, Der Nationalsozialistische Studentenbund, Düsseldorf 1973. - Kater, Studentenschaft und Rechtsradikalismus (s. Anm. 5).

69 Hinweis bei Schöttler, Die historische 'Westforschung' (s. Anm. 36), S. 253, Fußnote 123. - Albrecht Timm, der erste Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Technikgeschichte an der 1965 eröffneten nordrhein-westfälischen Reformuniversität in Bochum, verfaßte in der NS-Zeit offenbar für Propagandazwecke in Frankreich eine kurze „Deutsche Geschichte", die 1943 unter dem französischen Titel „Précis de l'histoire d'Allemagne" veröffentlicht werden sollte. - Vgl. außerdem: Albrecht Timm, „Der deutsche Abwehrkampf gegen die Französische Revolution", in: Vergangenheit und Gegenwart 31 (1941), S. 28-33.

70 Helmut Gabel, Zwischen Mythos und Logos: Niederlande-Forschung in Deutschland in der Zeit der Weimarer Republik (demnächst im Textband zum 4. Symposium der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft e.V., Berlin 1999).

71 Lothar Gruchmann, Nationalsozialistische Großraumordnung. Die Konstruktion einer „deutschen Monroe-Doktrin", Stuttgart 1962.

72 Hitler, Mein Kampf, München 1934, S. 704, 728 ff, 742, 757, 766 f.

73 Hermann Rauschning, Gespräche mit Hitler, Zürich 1940, S. 118.

74 Ebd.

75 Schöttler, Die historische 'Westforschung' (s. Anm. 36), S. 214 f.

76 Franz Petri, Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich. Die fränkische Landnahme in Frankreich und in den Niederlanden und die Bildung der westlichen Sprachgrenze, 2 Halbbände, Bonn 1937. -Gruchmann, Nationalsozialistische Großraumordnung (s. Anm. 70), S. 77.

77 Kettenacker (s. Anm. 6), S. 45-56, 131 ff, 249-267. - Hans Mommsen, Die Umvolkungspläne des Nationalsozialismus und der Holocaust, in: Die Normalität des Verbrechens. Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Festschrift Scheffler, hg. v. Klaus Bästlein u.a., Berlin 1994, S. 68-84.

78 Vgl. Peter Widmann: Art. „Volksdeutsche Mittelstelle", in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. v. Wolfgang Benz u.a., 2. Aufl. Stuttgart 1998, S. 785.

79 Der vollständige Titel des Sonderforschungsbereichs 235 lautete „Zwischen Maas und Rhein: Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert" und schloß damit den virulenten Bereich der NS- und Zeitgeschichte trotz der Beteiligung von einschlägig arbeitenden Neuzeithistorikern wie Wolfgang Schieder, Kurt Düwell und Christoph Dipper gezielt aus (vgl. Finanzierungsantrag für die zweite Forschungsphase, 1. Juli 1990- 30. Juni 1993, Trier 1989).

80 Vgl. hierzu den aus landeshistorischer Sicht verfaßten Forschungsüberblick von Hans-Walter Herrmann: Kooperierende landesgeschichtliche Forschung im internationalen Schnittpunkt: Saarland - Lothringen - Luxemburg, in: Werner Buchholz (Hg.), Landesgeschichte in Deutschland (s. Anm. 56), S. 383-397.

81 Vgl. dazu neben der in Anm.15 aufgeführten Literatur jetzt auch Ingo Haar, Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus. Die deutschen Historiker und der „Volkstumskampf" im Osten, phil. Diss. Halle/Saale 1998.

82 UA Köln, 24/1-2, Schreiben Theodor Schieders, 15.12.1953. - Mathias Beer, Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte. Das Großforschungsprojekt „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa", in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, H. 46/3, 1998, S. 345-389. - Ders., Die Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Hintergründe - Entstehung - Ergebnis - Wirkung, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 50 (1999), S. 99-117.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

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