Der Kalte Krieg war in jeder Hinsicht eine Sonderzeit. Vor allem die 1950er und 1960er Jahre, die Kernzeit der Systemauseinandersetzung, waren von einer bemerkenswerten Kombination aus Geschichtsoptimismus und Katastrophenbewusstsein geprägt. Die technischen Errungenschaften der Zeit, Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen und erweiterte Konsummöglichkeiten sorgten für eine enorme lebensweltliche Beschleunigung, die jedoch durch das atomare Bedrohungspotenzial der Supermächte herausgefordert wurde. Das Nebeneinander von Beschleunigung und nuklearer »Apokalypse« führte zu dem Empfinden, in einer stillgestellten Zeit zu leben. Der weltanschauliche Gegensatz von Freiheit und Gleichheit und die mit ihm verbundene soziale Semantik des Kalten Krieges konnte zudem nur vordergründig die Konfliktlinien neutralisieren, die das 19. Jahrhundert und, zumal in Ost-, Mittel- und Südosteuropa, vor allem die Zwischenkriegszeit dominiert hatten. Hinter der Dichotomie des Ost-West-Konflikts lassen sich verdeckte Spuren des Vergangenen entdecken. Vormalige nationale und ethnische Konflikte verschafften sich, oft kodiert durch die Sprache der sozialen Semantik, ebenso Geltung wie Erinnerungen an den Holocaust.
Im Rahmen der Abschlusstagung des Projekts »Verborgene Präsenzen« wird einerseits danach gefragt, wie die drohende Apokalypse der Menschheit durch das Atomwaffenpotenzial der Supermächte einen Schleier über die Vergangenheit legte. Andererseits soll herausgestellt werden, wie die Traditionsbestände der Arbeiterbewegung, vor allem die Rhetorik des Sozialen, mit der die weltpolitischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges aufgeladen waren, den Blick auf das Zentralereignis des Zweiten Weltkriegs, den Holocaust, verstellten. Im Fokus der Konferenz steht die Frage, warum sich das linke Gedächtnis an den Nationalsozialismus bis in die Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung hinein verlängerte: der Holocaust als das Ereignis, das den Kern der linken Geschichtsphilosophie, den Glauben an einen Konnex von Arbeit, Rationalität, Fortschritt und Glück, wie kein anderes infrage stellt, blieb ausgespart.
Im Rahmen der Tagung sollen nicht nur die Ergebnisse des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekts »Verborgene Präsenzen – Geltung und Wirkung des Holocaust am Beispiel der Arbeiterbewegung und Intellektuellenkultur der Nachkriegszeit« vorgestellt werden, sondern die Diskussionen über eine Historisierung der 1950er und 1960er Jahre geöffnet werden. Mit dieser Veranstaltung schließt Forschungsprojekt »Verborgene Präsenzen – Geltung und Wirkung des Holocaust am Beispiel der Arbeiterbewegung und Intellektuellenkultur der Nachkriegszeit« ab.