Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert

Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert

Organisatoren
Horst Carl, Universität Gießen; Ute Planert, Universität Wuppertal; Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit
Ort
Gießen
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.09.2009 - 12.09.2009
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Von
Janine Rischke, Historisches Institut, Universität Potsdam

Wie entwickelten sich „Erinnerungskulturen“ des Militärischen in der Frühen Neuzeit, wie wurden diese institutionalisiert und in welcher Weise schrieben sie sich in das Gedächtnis frühneuzeitlicher Gesellschaften ein? Welche Rolle spielten Traditions- und Vergangenheitsbezüge für Selbstverständnis und Identität militärischer Gruppierungen? Diesen Fragen widmete sich die Tagung „Militärische Erinnerungskulturen vom 14. bis zum 19. Jahrhundert“ und verband dabei unter der Leitung von Horst Carl (Gießen) und Ute Planert (Wuppertal) Forschungsperspektiven des vormaligen SFB „Erinnerungskulturen“ der Universität Gießen mit Anliegen des „Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit“ (AMG). Dabei wurden zwei thematische Schwerpunkte gesetzt: Zum Einen das Schlachtengedenken, als typischer Kristallisationskern von Erinnerungskulturen, in denen Krieg und Militär inhaltliche Bezugspunkte sind. Zum Anderen die Genese militärischer Vergangenheitsbezüge und Traditionen im Militär selbst.

Die erste Sektion, moderiert von Jörg Rogge (Mainz), eröffnete MALTE PRIETZEL (Berlin) mit einem Vortrag zur adligen Erinnerung an Feldzüge und Schlachten im Spätmittelalter. Das Selbstverständnis des Adels wurde geprägt durch das ständische Bewusstsein vom Rang der Familie und folglich dienten Schlachtenmemorien in erster Linie der Mehrung von Glanz und Reputation dieser Adelsfamilien. Die eigentliche Erinnerungsarbeit aber wurde bei Chroniken, die Schlachten und die Beteiligung adeliger Repräsentanten zum Inhalt hatten, in erster Linie arbeitsteilig von Klerikern geleistet. Folglich existierte dort, wo eigenständig adelige Erinnerungen greifbar sind, häufig eine Diskrepanz zwischen adeliger und chronikalischer Überlieferung.

OLIVER LANDOLT (Schwyz) knüpfte mit seinem Referat zu den „Schlachtenjahrzeiten“ an die spätmittelalterlichen Bezüge in der Genese einer nationalen Erinnerungskultur der Schweizer Eidgenossenschaft an. Seit dem Spätmittelalter wurden Schlachtentage in sakralen Formen begangen, die Namenslisten der Beteiligten vorgetragen und Wallfahrten sowie Prozessionen als Gedenken an die Schlacht - die „Schlachtjahrzeiten“ - in lokalen oder regionalen Kontexten organisiert. Ab dem 19. Jahrhundert manifestierte sich die Erinnerung vor allem in Denkmälern und Bauten, die den Gedanken der „Nation“ als gemeinsamen Nenner der Erinnerungskultur etablierten.

Abgerundet wurde die Sektion durch den Beitrag von SASCHA MÖBIUS (Magdeburg) zur Schlacht von Bornhöved in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erinnerungskultur der freien Reichsstadt Lübeck. In seinen Untersuchungen der Lübecker Chroniken im Verlauf der Frühen Neuzeit konnte der Vortragende wesentliche Erinnerungsfiguren herausarbeiten: zum Einen die Bedeutung von Maria Magdalena als Prophetin vor der Schlacht, zum Anderen die Heroisierung des Lübecker Ratsherren Alexander von Salzwedel. Beide Erinnerungsfiguren unterlagen einem Bedeutungswandel, als sich mit der Reformation die Rahmenbedingungen änderten, wurden jedoch nicht obsolet.

Die anschließende Sektion unter Leitung von Horst Carl beschäftigte sich mit dem für die Erinnerungsforschung zentralen Aspekt der Intermedialität am Beispiel einzelner Schlachten bzw. Kriege. Den Anfang machte die Analyse von Ordnungsformationen in Darstellungen der Schlacht von Lepanto 1571 durch HARRIET RUDOLPH (Trier). Die Ordnung der Erinnerung wurde bestimmt durch die mediale Repräsentation der Seeschlacht in spezifischen Schlachtengemälden, welche das Ereignis als hochgradig organisiertes Geschehen darstellten. Die vor allem im Dienste der Gegenreformation verbreiteten Schlachtengemälde illustrierten auf diese Weise die Überlegenheit der Christenheit gegenüber den türkischen Heiden. Auf Einblattdrucken verbreitet, wurde damit zugleich ein Bildtypus geschaffen, der für die Darstellung von Seeschlachten stilbildend wurde.

Auf den differenzierten Umgang mit dem Schlachtengedenken in Deutschland und England wies sodann THOMAS WEISSBRICH (Berlin) anhand der Schlacht von Höchstädt/ Blenheim während des Spanischen Erbfolgekrieges hin. Die mediale Inszenierung des Sieges der englischen Truppen gegen die französische Armee führte zu vielfältigen Manifestationen einer speziellen Erinnerungskultur in Gestalt von Denkmälern, von Trophäen in Gestalt erbeuteter Artillerie, Fahnen und Uniformstücken sowie von Medaillen. Indem im britischen Kontext die beteiligten Regimenter eine eigene Erinnerung an diesen militärischen Erfolg hochhielten, wurden gerade sie zu Trägern einer militärischen Erinnerungskultur, die auch der Selbstvergewisserung einer militärischen Elite diente.

Schlachtengedenken als Suche nach authentischen Erinnerungen erläuterte MARIAN FÜSSEL (Göttingen) am Beispiel des Siebenjährigen Krieges. In diesem Zusammenhang gewannen die Berichte von Augenzeugen eine besondere Bedeutung für die Beglaubigung kollektiver Erinnerung. Die Befragung von Zeitgenossen mittels Fragebögen begann im 18. Jahrhundert und hatte das Ziel, die Vorkommnisse des Krieges detailliert zu beschreiben. Damit einher ging ein regelrechter „Schlachtentourismus“, welcher Adlige und Bürger sowie Historiker und Publizisten auf die ehemaligen Schlachtfelder führte und zu einem Memorablien-Kult gelegentlich makabrer Art führte.

Auch die dritte Sektion, geleitet von Holger Thomas Gräf (Marburg), konzentrierte sich auf die intermediale Ausgestaltung von dem Schlachtengedenken in der Frühen Neuzeit. KLAUS GRAF (Aachen) ging in seinem Vortrag zu nicht-schriftlichen Medien des Schlachtengedenkens von Objekten als Erinnerungsträgern aus. Die Gegenstände bedürfen nicht nur der narrativen Erklärung, sondern ebenfalls der Auseinandersetzung mit der „Legendenbildung“ um die ausgestellten Objekte herum. Zur Typologie militärischer Erinnerungskultur gehört nach Graf insbesondere die stereotype Betrachtung von Kriegsgegnern. Gerade in dieser Form des Gedenkens spiegelt sich die Wechselwirkung von volkstümlichem und wissenschaftlichem Wissen wider. Lieder und Verse wurden häufig auf Geheiß der Obrigkeit verfasst, in die volkstümliche Kultur aufgenommen und durch ständige Wiederholung zum Bestandteil militärischen Gedenkens.

SABINE JAGODZINSKI (Leipzig) verknüpfte in ihrer Betrachtung der Schlachtenmemoria des polnischen Adels im 17. und 18. Jahrhundert ebenfalls die Präsentation von Kriegstrophäen mit militärischer Erinnerungskultur. Als Beispiel wählte sie das Trophaeum, das Fürst Radziwill zum hundertsten Jubiläum der Schlacht am Kahlenberg anfertigen ließ. Es verherrlichte einerseits den Türkensieg des Königs Jan Sobieski, fügte aber ebenso zahlreiche Bezüge zu Heldentaten der Vorfahren des Fürsten gegen die Türken ein. Das Trophaeum präsentierte sich so als Versuch, das heroische Königtum Jan Sobieskis in eine spezifisch adelige Erinnerungskultur einzufügen. In den staatlichen Zeitungen war die Ausdeutung dieses Exponats jedoch alleine mit der populären Figur Jan Sobieskis verbunden und wurde gerade für eine antiadelige nationale Erinnerungskultur in Anspruch genommen. Die kunsthistorische Analyse der Referentin zeichnete vor allem den entsprechenden Medienwechsel luzide nach und löste so das Anliegen der Sektion, die intermedialen Erinnerungsbezüge offenzulegen, überzeugend ein.

Mit der Ausdeutung von Bildprogrammen beschäftigte sich auch ANTJE KEMPE (Berlin/Wroclaw) in ihrem Vortrag zu Grabmälern als Repräsentationsmedien der militärischen Elite der Barockzeit in Schlesien. Die Grabgestaltung gab Auskunft über militärische Erfolge des Verstorbenen und teilweise über die Umstände seines Todes. Der Wandel in der Gestaltung zeigte einen Wandel der adligen Elite an, die sich zunehmend über die Position im Militär und persönliche Erinnerungen an die Schlacht definierte. Der Bezug zur Armee kann vor diesem Hintergrund vor allem als Sinnstiftung einer gemeinsamen Gruppenidentität jenseits konfessioneller Unterschiede, die im schlesischen Adel manifest blieben, verstanden werden.

Unter Leitung von Ralf Pröve (Potsdam) standen die Entwicklung und Ausformung von militärischen Gruppenidentitäten innerhalb einer verbindlichen Erinnerungskultur sowie die Funktionalisierung derselben im Zentrum der vierten Sektion. So stellte FRANK ZIELSDORF (Gießen/Weimar) in seinen Überlegungen zur Erinnerungskultur der altpreußischen Regimenter anhand von Regimentsbüchern aus dem 18. Jahrhundert die enge Verbindung von adliger und militärischer Erinnerungskultur vor. Die Identität des militärisch erfolgreichen Offiziers wurde dem Ansehen des gesamten Regiments hinzugefügt und erhielt damit eine große Bedeutung für das spezifische Bewusstsein in den „tapferen“ Regimentern. Diese Sichtweise manifestierte sich zum großen Teil in den Regimentsgeschichten, welche die Formierung des Regiments, Schlachtenerfolge und Mitglieder des Offizierskorps einschließlich der Angaben zu Herkunft und Laufbahn verzeichneten. Obwohl die „Gemeinen“ in das Kollektiv des Regiments ausdrücklich – wenngleich anonym – einbezogen wurden, bestimmten ausschließlich die Offiziere die Ausgestaltung der jeweiligen militärischen Erinnerungskultur der Regimenter.

Dass die militärischen Eliten bereits etablierte Muster der militärischen Erinnerung instrumentalisierten und vermittelten, stellte auch CARMEN WINKEL (Potsdam) in ihrem Vortrag zu den Kriegserinnerungen preußischer Offiziere in Bittschriften an den preußischen König vor. Als zentraler Kommunikationskanal zum Monarchen waren Suppliken ein wichtiges Mittel, um den Austritt aus dem Militärdienst, die Versorgung durch eine Zivilstelle oder sogar eine Invalidenrente zu erhalten. Trotz der Formelhaftigkeit der Gesuche flossen doch durchaus spezifische Kriegserinnerungen der beteiligten Akteure ein, die auch ein Licht auf die konkreten Lebensumstände von Offizieren und Unteroffizieren in der Armee warfen.

Mit ihrem Referat zu den Kriegserinnerungen preußischer Militärgeistlicher schloss ANGELA STRAUSS (Potsdam) die innermilitärische Sektion ab und verwies auf die Funktion der von den zumeist reformierten Predigern verfassten Handbuchliteratur. Liturgien und Messen für die Soldaten und Offiziere wurden dort ebenso geregelt wie die seelsorgerische Tätigkeit der Feldgeistlichen im Krieg. Daher wurden Erfahrungen von Geistlichen gesammelt und in verschiedenen Magazinen zu einem kollektiven Gedächtnis ausformuliert, welches den nachfolgenden Predigern als Leitfaden ihrer Arbeit dienen sollte. Über diese kollektiven Erinnerungen an das Kriegsgeschehen konstituierten sich die preußischen Feldprediger schließlich geradezu als soziale Gruppe.

Abschließend widmete sich eine museologisch ausgerichtete Sektion, geleitet von Winfried Speitkamp (Gießen), der Darstellung von frühneuzeitlicher Militärgeschichte im Museum. Das Militärhistorische Museum in Dresden gliedert die frühneuzeitliche Militärgeschichte in ein chronologisches und methodisches Konzept der allgemeinen deutschen Militärgeschichte ein, wie HANS-ULRICH THAMER (Münster) in seinen Darlegungen zum konzeptionellen Ort der vormodernen Militärgeschichte im MHM ausführte. Inhaltlich auf eine „Kulturgeschichte der Gewalt“ und die Geschichte der Entfesselung und Einhegung von organisierter Gewalt orientiert, wird die chronologische Struktur der Ereignisgeschichte durch thematische Vertiefungsräume ergänzt, die ebensolche kultur- und sozialhistorischen Perspektivierungen ermöglichen.

Der erinnerungskulturellen Funktion von Soldatensachen nahm sich anschließend DANIEL HOHRATH (Berlin) in seinen Ausführungen zu den militärischen Gebrauchsgegenständen und ihren historischen Bedeutungsgehalten an. Bisher als Abteilung der Heereskunde abgetan, führte Hohrath vor, dass es sich bei den Uniformen um hochdifferenzierte Zeichensysteme handelte, die auch Bestandteil militärischer Erinnerungskulturen waren. So gaben Farben und Tressenschmuck Aufschluss über die Regimentschefs zur Zeit der Regimentserrichtung und begründen damit eine Erinnerung an die militärischen Befehlshaber.

Mit der Konzeption eines Garnisonsmuseums der Stadt Gießen beschäftigte sich CARSTEN LIND (Gießen) in seinen Überlegungen zur Darstellung frühneuzeitlicher Militärgeschichte. Für die Festungs- und Garnisonsstadt seit den Tagen Philips des Großmütigen stellt besonders die Phase der Frühen Neuzeit im Rahmen eines lokalen militärhistorischen Museums eine Herausforderung dar, denn die Exponate sind im Vergleich zu späteren Zeiten oft unspektakulär. Aufgrund des engen Zusammenlebens von Zivil- und Militärbevölkerung bieten gerade die wechselseitigen Spannungen und Wahrnehmungen ein museales Potential, das auch der Frühen Neuzeit ihren musealen Ort in einem solchen lokalhistorischen Museum zuweisen kann, so der Referent.

Dass die Napoleonischen Kriege als erinnerungskulturelle Zäsur und Umbruchphase gewertet werden können, war Inhalt der folgenden zwei Sektionen. Zunächst übernahm Karen Hagemann (North Carolina) die Moderation und betonte die Bedeutung der Produzenten- und Rezipientenkreise für kollektive Erinnerungsphänomene. Die Rolle der literarischen Produzenten analysierte RUTH LEISEROWITZ (Berlin) am Beispiel der nationalpolnischen Erinnerungen an Polnische Legionäre in den Napoleonischen Kriegen. Nach den drei polnischen Teilungen Ende des 18. Jahrhunderts trugen sie zur Entstehung einer Erinnerungsfigur bei, die besonders im Zusammenhang mit nationalen Erhebungen gegen die „Besatzungsmächte“ Preußen und Russland zu sehen ist. Anhand von literarischen Autobiographien der Kriegsfreiwilligen und deren Erinnerungen an den Krieg, sowie in nationalen Liedern gestaltete sich eine spezifische Symbiose von militärischer und nationaler Erinnerungskultur aus.

Auch das Referat von MARIA SCHULTZ (Berlin) stellte die Darstellungen von Kriegsfreiwilligen der Napoleonischen Kriege in der Literatur dar. Ihr ging es um die Genese eines zunächst von Autobiographien und historischen Romanen geprägten Blicks auf die Kriegsfreiwilligen, der zunächst durchaus distanziert und unspektakulär zunehmend im Rahmen der Entstehung einer nationalen Erinnerungskultur heroisiert wurde. Die Erinnerungen der oft bürgerlichen Akteure wurden von einem Rezipientenkreis aufgenommen, der ebenfalls vor allem aus Bürgerlichen und Adligen bestand. Plastische Kriegsdarstellungen wurden von kollektiven Erinnerungsstrukturen und schließlich von national-patriotischen Schreibweisen abgelöst. Autoren wie Gustav Freytag übten hierbei auch gesellschaftliche Kritik am Adel und etablierten vollends die Figur des jungen, gebildeten und patriotisch gesinnten Kriegsfreiwilligen.

Diesen Überlegungen zu militärischen Erinnerungskulturen anhand von Rezeptionsprozessen folgte die abschließende Sektion VII unter Leitung von Ute Planert (Wuppertal): Nachdem ARMIN OWZAR (Münster) die vielfältigen Narrative in Deutschland, Frankreich und Russland zur Einnahme Kassels 1813 dargelegt hatte, analysierte CHRISTIAN KOLLER (Bangor) Topoi nationaler Sinnstiftung durch den Wandel des semantischen Gehaltes der Begrifflichkeiten von „Fremdherrschaft“ und „Befreiung“.

In einem abschließenden Vortrag zur kriegerisch-vaterländischen Traditionsstiftung preußischer Regimenter im 19. Jahrhundert setzte sich WENCKE METELING (Marburg) mit den Erinnerungsstrukturen in den Regimentsbüchern zwischen 1820 und 1860 auseinander. Sie zeigte dabei überzeugend auf, wie auch die brandenburgischen Regimenter mit ihren Darstellungen der Kriegsgeschichte des Regiments sich immer mehr in die vaterländische Geschichte einzuschreiben suchten; eine auf die Regimenter abgestimmte Festkultur und die mediale Inszenierung in Lokalzeitungen und Regimentsdarstellungen stellte diese schriftliche Ausgestaltung auf eine sehr viel breitere Basis, die schließlich das Regiment auch im Zentrum lokaler Erinnerungskulturen zu platzieren vermochte.

Insgesamt zeigten die Themenvielfalt und die Angebote der verschiedenen methodischen Zugänge, wie fruchtbar gerade das Feld „militärischer Erinnerungskulturen“ für eine Verknüpfung sehr unterschiedlicher Perspektiven sein kann. Der Reiz der Erforschung militärischer Erinnerungskulturen liegt nicht zuletzt darin, dass hier zwei bislang weitgehend disparate Forschungsfelder aufeinander bezogen werden – die Militärgeschichte sowie neuere Fragestellungen der Kulturgeschichte. Dass hier auch weiterhin Reibungspunkte vorhanden sind, wurde in den Diskussionen der Tagung wiederholt deutlich, denn es dürfte gerade einer eher traditionellen Militärgeschichtsschreibung, aber auch einer eher an Strukturen interessierten Geschichtswissenschaft nicht immer deutlich sein, wie sehr sie selbst solchen erinnerungskulturellen Zuschreibungen verhaftet ist. Die entsprechenden Institutionalisierungsprozesse in Bezug auf das Militär, die Produzenten der spezifischen Erinnerungen und die Dauerhaftigkeit bestimmter Muster der Memoria zu analysieren, dürfte gerade deshalb auch weiterhin ein aufschlussreiches Forschungsfeld für Fragen von Sinnstiftung und Einschreibung in das kollektive Gedächtnis abstecken.

Konferenzübersicht:

Einführung
Horst Carl (Gießen), Ute Planert (Wuppertal), Ralf Pröve (Potsdam)

Sektion I: Spätmittelalterliches Schlachtengedenken

Malte Prietzel (Berlin):
Kriege als ritterliche Pflicht. Adlige Erinnerung an Feldzüge und Schlachten im Spätmittelalter

Oliver Landolt (Schwyz):
„Schlachtenjahrzeiten“ – militärische Erinnerungskultur in der alten Eidgenossenschaft

Sascha Möbius (Magdeburg):
Die Schlacht von Bornhöved (1227) in der lübeckischen Erinnerungskultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit

Sektion II: Schlachtengedenken intermedial

Harriet Rudolph (Trier):
Lepanto – die Ordnung der Schlacht und die Ordnung der Erinnerung

Thomas Weißbrich (Berlin):
Gleitende Übergänge: Vom Medienereignis zur Erinnerungskultur – die Schlacht von Höchstädt

Marian Füssel (Göttingen):
Auf der Suche nach der Erinnerung. Zur Intermedialität des Schlachtengedenkens an den Siebenjährigen Krieg im 18. und 19. Jahrhundert

Sektion III: Schlachtengedenken intermedial II

Klaus Graf (Aachen):
Nicht-schriftliche Medien des Schlachtengedenkens in Mitteleuropa in der Vormoderne

Sabine Jagodzinski (Leipzig):
Andenken an die Türkenkriege – Schlachtenmemoria des polnischen Adels im 17. und 18. Jahrhundert

Antje Kempe (Berlin/Wroclaw):
Bilderkriege. Grabmäler als Repräsentationsmedien der militärischen Elite der Barockzeit in Schlesien

Sektion IV: Innermilitärische Erinnerungskulturen – Das Beispiel Preußen

Frank Zielsdorf (Gießen/Weimar):
Militärische Sozialisation und militärische Gruppenidentität – Zur Erinnerungskultur der altpreußischen Regimenter

Carmen Winkel (Potsdam):
Kriegserinnerungen preußischer Offiziere im Spiegel ihrer Bittschriften

Angela Strauß (Potsdam):
„Erinnern an den vergangenen, Beten für den gegenwärtigen Krieg“ – Kriegserinnerungen preußischer Militärgeistlicher

Sektion V: Frühneuzeitliche Militärgeschichte im Museum

Hans-Ulrich Thamer (Münster):
Frühneuzeitliche Militärgeschichte ausstellen: Der konzeptionelle Ort vormoderner Militärgeschichte im Deutschen militärgeschichtlichen Museum Dresden

Daniel Hohrath (Berlin):
Die Sachen der Soldaten: Militärische Gebrauchsgegenstände und ihre historischen Bedeutungsgehalte zwischen praktischen und symbolischen Funktionalitäten

Carsten Lind (Gießen):
Wie frühneuzeitliche Militärgeschichte im Kontext ausstellen? Die Konzeption eines Giessener Garnisonsmuseums

Sektion VI: Die Napoleonischen Kriege als Zäsur in deutschen und europäischen Erinnerungskulturen I

Ruth Leiserowitz (Berlin):
Emigranten und Legionäre: Polnische und russische Legionäre aus der Zeit der Revolutions- und Napoleonischen Kriege in der Literatur des 19. Jahrhunderts

Maria Schultz (Berlin):
Für Gott, König und Vaterland? Die Darstellung von Kriegsfreiwilligen der napoleonischen Zeit in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts

Sektion VII: Die Napoleonischen Kriege als Zäsur in deutschen und europäischen Erinnerungskulturen II

Armin Owzar (Münster):
Befreiung oder Besetzung. Die Einnahme Kassels im Oktober 1813 in den militärischen Erinnerungskulturen Deutschlands, Frankreichs und Russlands

Christian Koller (Bangor):
„Fremdherrschaft“ und „Befreiung“ als nationale Sinnstiftung. Semantiken und Narrative der Memoria an die napoleonische Zeit in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Wencke Meteling (Marburg):
„Der Ruhm verpflichtet!“ Regimenter als Agenten kriegerisch-vaterländischer Traditionsstiftung in Preußen