Cover
Titel
Portus. An Archaeological Survey of the Port of Imperial Rome


Herausgeber
Keay, Simon; Millett, Martin; Paroli, Lidia; Strutt, Kristina
Reihe
Archaeological Monographs of the British School at Rome 15
Erschienen
London 2005: Oxbow Books
Anzahl Seiten
378 S.
Preis
£ 49,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Britta Möhring, Rom

Das Erscheinen einer neuen umfangreichen und langjährigen Studie zu Portus, einer der größten und bedeutendsten Hafenanlagen des Römischen Kaiserreiches, ist angesichts dieses in der Forschung bisher nur partiell untersuchten Gebietes ein unschätzbarer Beitrag. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der British School at Rome und der Soprintendenza per i Beni Archeologici di Ostia wurde seit 1998 mit Hilfe von geophysikalischen Prospektionsmethoden (Magnetik, Elektrik), Luftbildern, Feldbegehungen sowie vereinzelten Ausgrabungen in Portus ein Areal von insgesamt ca. 173 Hektar erforscht. Der bewusste Einsatz von nicht zerstörenden so gennanten „soften“ Techniken bei der topographischen und geophysikalischen Untersuchung brachte hierbei optimale Ergebnisse nicht nur hinsichtlich der bereits bekannten Baustrukturen, sondern vor allem in Bezug auf die kartographische Erfassung der noch unerforschten Gebiete des antiken Hafengeländes.

Der Band besteht insgesamt aus neun Kapiteln und ist mit einem materialreichen Anhang versehen. Einleitend werden die Entstehung und einzelne Arbeitskampagnen des Portus-Projekts vorgestellt. Das zweite Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte: der erste gibt eine Zusammenschau über die literarischen, numismatischen und epigraphischen Quellen, im zweiten werden die natürlichen Gegebenheiten untersucht und im letzten findet man einen kurzen historischen Abriss über die Geschichte des antiken Hafens. Sehr hilfreich ist der dem Kapitel beigefügte Anhang (Appendix B), der einen Überblick über die wichtigsten literarischen antiken Quellen zu Portus gibt, wobei ungeachtet der bisherigen Interpretationen diese separat anhand der Forschungsergebnisse neu untersucht und ausgewertet werden. Wenig verständlich ist, warum der sehr lange Abschnitt zur Entstehung der Landschaftsstruktur und Bodenbeschaffenheit des untersuchten Areals zwischen die Abschnitte zur Quellenlage und zur historischen Entwicklung eingeschoben wurde. Die geologische Untersuchung von Antonia Arnoldus-Huyzendveld steht nämlich nicht nur in engem Zusammenhang mit den angewandten archäologischen Methoden, sondern brachte auch interessante Informationen zur Entstehung des Hafens. Es wurde deutlich, dass es nördlich vom Hafenbecken des Claudius keine natürliche Bucht gab. Somit lag der Eingang des Hafens, nicht – wie bisher vermutet – im Norden, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit im Westen. Ein gesondertes Kapitel wäre deshalb nicht nur wegen der ungleichgewichtigen Länge zu den anderen beiden Abschnitten, sondern auch aufgrund der großen Bedeutung der Studie sinnvoller gewesen.

Es folgt eine umfassende Darstellung der Forschungsgeschichte (Kapitel 3), dem sich das Kapitel über die verwendeten Methoden (Kapitel 4) anschließt. Evident erscheint der Einsatz verschiedener Techniken aufgrund der unterschiedlichen Geländegegebenheiten, wobei sich insbesondere die geophysikalische Prospektion in einigen Bereichen mit der Luftbildphotographie unmittelbar ergänzen. Bisher kam die Luftbildphotographie in Portus aufgrund der fehlenden offiziellen Erlaubnis des in unmittelbarer Nähe liegenden Flughafens kaum zum Einsatz. Erst im November 2001 entstanden im Rahmen eines Pilotprojekts einige Aufnahmen vom östlichen Tiberufer. Es wäre wünschenswert, diese in nächster Zeit zu vervollständigen. Die topographische Untersuchung wurde unter Verwendung von kartographischen Quellen, den Plänen von R. Lanciani (1868), I. Gismondi (1933) und O. Testaguzza (1965) durchgeführt. Jeder dieser Pläne wurde mit den Messergebnissen der geophysikalischen Prospektionen überprüft, wodurch ein neuer topographischer Plan von Portus erstellt werden konnte. Das bereits in Ostia erfolgreich eingesetzte magnetometrische Messverfahren wurde auch hier zur vorrangigen Methodik.1 Die Messgeräte bei der Magnetometrie können magnetische Felder von archäologischen Resten bis zu einer Tiefe von 1,5 Meter anzeigen. Auf dem offenen Gelände konnten auf diese Weise bis zu 2 Hektar Land pro Tag vermessen werden. Dagegen sind im Hafenbecken des Claudius, aber auch um den Monte Giulio, wo die Ausgrabungen eine Tiefe von bis zu 5 Meter erreichen, die Ergebnisse bisher noch sehr unbefriedigend. Zusätzlich wurde in einigen Bereichen die wesentlich langsamer arbeitende elektrische Widerstandsmessung eingesetzt.

Im Hauptteil (Kapitel 5) werden die kartographisch erfassten Ergebnisse der einzelnen Prospektionskampagnen (1998-2004) des in verschiedene Zonen aufgeteilten Gebietes umfassend von Simon Keay, Martin Millet und Kristian Strutt referiert. Die geophysikalische Untersuchung des von Kaiser Claudius 42 n.Chr. begonnenen Hafenbaus bildet hierbei den Ausgangspunkt. Die Untersuchung zeigt, dass der Hafenkomplex in seiner Ausdehnung größer war als bisher angenommen. Entlang der rechten Mole (Molo Destro) des äußeren Hafenbeckens wurde parallel zum Mauerverlauf eine Anzahl von Räumen entdeckt, bei denen es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Speicher oder Magazine handelt. Für die linke Hafenmole (Molo Sinistro) wurden keine neuen Erkenntnisse gewonnen, was jedoch ein Problem der eingeschränkten Messtiefe der Magnetometrie sein kann. Die Lage des berühmten Leuchtturms, über die viel spekuliert wurde, bleibt weiterhin ungewiss. Von großer Bedeutung hat sich die Untersuchung des inneren Hafenbeckens (Darsena) erwiesen. Seit längerem wurde vermutet, dass dieses Gebiet Teil des ursprünglichen Konstruktionsplans des Claudiushafens gewesen sein könnte. Diese Vermutungen haben sich nun bestätigt. Die Darsena weist insgesamt zwei Bauphasen aus vortrajanischer Zeit auf und war mit dem Tiber durch mindestens einen Kanal verbunden.2 Somit würde die sog. Fossa Traiana nicht – wie bisher vermutet – in das Bauprogramm des Trajanhafens gehören, sondern müsste früher datiert werden. Ein im Norden liegender zweiter Kanal, der bereits aus Luftbildaufnahmen schwach zu erkennen war, konnte mit Hilfe der geophysikalischen Prospektion nachgewiesen werden, wobei eine genaue Datierung des Kanals noch aussteht.

Diese Ergebnisse, also vor allem die Integrierung der sich rund um die Darsena befindlichen Kanäle und Gebäude in den Bauplan des Claudiushafens, geben Anlass zu neuen Interpretationen hinsichtlich der Hafenentwicklung. Keay und Millet sehen die Planung und Konstruktion des Hafens als eine graduelle Entwicklung an, die von Kaiser Claudius initiiert, durch Nero vervollständigt und im Laufe des 1. Jahrhunderts weitergeführt wurde. Sollten weitere Untersuchungen die frühe Datierung des Kanalsystems bestätigen, würde dies auch zu einer völlig neuen Bewertung des Bauprogramms unter der Regierung von Kaiser Trajan führen. Sein Verdienst wäre demnach weniger die architektonische Neugestaltung des Hafens, obgleich das hexagonale Becken einzigartig bleibt, sondern vielmehr der Ausbau des bereits vorhandenen Binnenhafens, der abgesehen von seiner neuen Repräsentativität zweifellos sicherer, aber auch effizienter als zuvor war. Problematisch sind in diesem Zusammenhang vor allem die literarischen Quellen, die eindeutig über eine an Sicherheit mangelnde Konstruktion des Claudiushafens berichten.3

Die topographische und magnetometrische Untersuchung im Bereich des hexagonalen Beckens, das im Rahmen der Erweiterung des Hafens in der Zeit zwischen 100–111 n.Chr. unter Trajan entstand, konzentrierte sich vorrangig auf die das Becken umgebenden Seiten sowie auf das Gebiet nördlich der Darsena. Das Hexagon selbst ist heute wieder mit Wasser gefüllt und konnte nicht in die Untersuchung eingeschlossen werden. Eine ganze Reihe neuer Gebäude, vor allem horrea, aber auch eine Kaserne der Feuerwehr, konnten identifiziert werden. Ferner wurden zwei Kanäle nachgewiesen, wobei der eine einen direkten Zugang vom Hexagon zum Tiber besaß, der andere hingegen den Tiber mit der Fossa Traiana verband und entlang der südöstlich gelegenen Speicher des neuen Hafenbeckens verlief. Die Untersuchung des in der Forschung viel diskutierten, südöstlich des Hexagon gelegenen „Palazzo Imperiale“ brachte keine neuen Hinweise auf die Funktion des Gebäudes. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zu den angrenzenden horrea gehen die Autoren davon aus, dass das Gebäude eine administrative Funktion hatte, was zweifellos überzeugender ist, als hier ein Forum oder einen Kaiserpalast zu vermuten.4 Eine wichtige Neuentdeckung der geophysikalischen Prospektion ist ein Aquädukt, das sich im Bereich zwischen dem hexagonalen Becken und dem Tiber befindet und mit großer Wahrscheinlichkeit die Wasserversorgung des gesamten Hafens gewährleistete.5

In Kapitel 6 wird das bei den Feldbegehungen gefundene Material wie Münzen, Inschriften, Marmorfragmente und Ziegelstempel veröffentlicht. Besonders hervorzuheben ist die Auswertung der zahlreichen Keramikfunde (S. 207ff.). Im Gegensatz zu Ostia ist der Anteil der Importware seit der frühen Kaiserzeit beeindruckend hoch und unterstreicht die bedeutende Rolle des Hafens im internationalen Handel. Das Kapitel über die in den letzten Jahren durchgeführten Ausgrabungen ist auffällig kurz und hat nur ergänzende Funktion, bildet doch die aus den Prospektionen und durch das Luftbild gewonnene Kenntnis der Baustrukturen erst die Grundlage für weitere Grabungskampagnen. In den letzten beiden Kapiteln werden die Forschungsergebnisse noch einmal zusammengefasst und hinreichend in die Forschungsdiskussion integriert.

Das hier vorgestellte Buch ist eine optimale Grundlage für alle weiteren Studien zum antiken Hafen von Rom. Trotz einiger Überschneidungen und Wiederholungen sowie dem Fehlen einer Zeittafel ist die Publikation besonders wegen ihres beeindruckenden Spektrums eine unentbehrliche Quelle für weitere Untersuchungen. Die Fülle der qualitätvollen Beiträge namhafter Archäologen und Historiker, das überaus umfangreiche Kartenmaterial sowie eine umfassende Bibliographie reflektieren den aktuellen Forschungsstand und bieten Anlass zu einer völlig neuen Forschungsdebatte.

Anmerkungen:
1 Heinzelmann, M., Arbeitsbericht zu einer zweiten geophysikalischen Prospektionskampagne in Ostia Antica, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Römische Abteilung 105 (1998), S. 425-429.
2 Durch eine Inschrift aus dem Jahre 46 n.Chr. (CIL XIV 85) wurden bereits mehrere Kanäle (fossis ductis a Tiberi) vermutet.
3 Tac. ann. 15, 18, 3 und hist. 1, 86.
4 Von einem Forum sprachen: Lugli, G. und Filibeck G. (Il porto di Roma imperiale e l’agro Portuense, Roma 1935, S. 98), von einem Kaiserpalast Meiggs, R. (Roman Ostia, 2. Aufl., Oxford 1997, S. 165).
5 Erste Ausgrabungen wurden kürzlich in der Nähe von Ponte Galleria durchgeführt.

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