Titel
Machiavelli and Empire.


Autor(en)
Hörnqvist, Mikael
Reihe
Ideas in Context
Erschienen
Anzahl Seiten
302 S.
Preis
£45.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bee Yun, Berlin

Hans Baron hat in seiner Bürgerhumanismus-These die florentinischen Humanisten seit Leonardo Bruni als dezidiert republikanische Kämpfer stilisiert, die gegen die Bedrohung durch die zur Bildung einer neuen Erbmonarchie drängenden mailändischen Visconti die republikanischen Werte verteidigten. Damit hat sich Baron, wenn auch vielleicht nicht bewusst, von der Burckhardtschen Tradition distanziert, die in den Politikern der Renaissance (sie waren sehr häufig Förderer der Humanisten oder selber Humanisten) kalte Machtpolitiker gesehen hat. Dies ist der Kern seiner Bürgerhumanismusthese.1 Barons Verständnis der republikanischen Werte der florentinischen Humanisten war aber problematisch. Denn in seiner Analyse der politischen Diskurse hielt er mit erstaunlicher Naivität für wahr und tatsächlich, was die florentinischen Humanisten sagten und schrieben. Manchmal ist seine Analyse kaum mehr von der Selbstdarstellung der Humanisten zu unterscheiden. Auch sein Bild der mailändischen Expansionspolitik war ganz vom Verständnis der florentinischen Seite geprägt. Er zeichnet also ein manichäistisches Kontrastbild der freiheitskämpferischen florentinischen Humanisten und der mailändischen ‚Despotie’.

Dagegen wurden bereits einige wichtige Einwände formuliert, etwa, dass die florentinische Politik damals selbst expansionistisch geprägt sei, dass die Humanisten mit ihren republikanischen Parolen der florentinischen merkantilen Oligarchie gedient hätten, die an dieser expansionistischen Politik am meisten interessiert gewesen sei. Kurzum: Der florentinische Bürgerhumanismus sei großenteils Propaganda, die genau wie die mailändische nur eine hemmungslose Machtpolitik kaschiere. Verstärkt wurde dies noch durch die Erkenntnis der Humanismusforschung, die Humanisten seien mehr berufliche Rhetoriker als Philosophen gewesen. So hat eine neue Forschungsformel in der letzten Zeit immer an Einfluss gewonnen, dass nämlich der Bürgerhumanismus rhetorisch hochstilisierte Propaganda im Dienst des machtpolitischen Interesses der Florentiner Republik gewesen sei. Dieser Revisionismus, den man angesichts der Autorität Barons in diesem Forschungsbereich geradezu eine neue ‚Heterodoxie’ nennen könnte, will nun nicht einmal Machiavelli verschont lassen, der trotz der engen machtpolitischen Bezüge seines Denkens in der letzten Zeit als Vertreter der republikanischen Werte der bürgerlichen Tugend und Freiheit verstanden worden war.2

Hier ist auch der zu besprechende Band des schwedischen Politologen Mikael Hörnqvist einzuordnen. ‚Machiavelli and Empire’ ist das Produkt einer lang dauernden Nacharbeitung seiner Dissertation. In sieben Kapiteln und einem zusammenfassenden Schlusswort geht der Autor der Entwicklung der republikanischen ‚Ideologie’ und deren Zusammenhang mit dem machtpolitischen Interesse der florentinischen Republik nach. Seine Abrechnung mit dem gesamten politischen Denken in Florenz vor Machiavelli ist im folgenden Zitat zusammengefasst: „In this tradition dating back to the late Dugento, comprising medieval Guelfism, early Quattrocento civic humanism, and the political thought of Savonarola, Florence was seen as an elect city, designated to become alternately the new Rome and the new Jerusalem. Celebrating their city’s ancient origins and using her Roman heritage to bolster her republican form of government and her claim to territorial rule, Florentine propagandists and humanists created a powerful ideology based on the twin notions of liberty at home and empire abroad.“ (S. 271) Das republikanische Vokabular erweist sich also als Ideologie für die Rechtfertigung und Erhellung der Machtpolitik und der innenpolitischen Machtstruktur der herrschenden Schicht. Hörnqvist sieht die Bedeutung Machiavellis eben darin, dass er den verschiedenen und zerstreuten Ansätzen der machtpolitischen Ideologie eine allgemeintheoretische Gestalt verliehen hat: „While Machiavelli draws on the same language of classical republicanism and the same Roman imperial ideology as the Florentine tradition in general, he extends, through his combined emphasis on first principles and the political here and now, the scope of political discourse to a general level of theory, as well as to a rhetorical level of application, which we rarely, if ever, encounter in the writings of Bruni, Palmieri, and the other civic humanists.” (S. 272) Die Zusammenbindung von ‘first principles’ und ‘here and now’ bei Machiavelli stellt für Hörnqvist den Schlüssel dar, vielfältige Deutungsprobleme der politischen Theorie Machiavellis zu lösen. Hörnqvist stellt fest: [T]he primary context of Machiavelli’s work is not the mirror-for-princes genre or medieval and Renaissance republicanism in general, but the ideological writings of the Florentine civic humanists and the Florentine tradition at large.“ (S. 271) Nachdruck wird dabei erkennbar auf die Dimension ‚here and now’ gelegt. Die Einführung dieser Dimension in die Interpretation eines politischen Diskurses, die Hörnqvist rhetorische Interpretation nennt, ist ihm zufolge deshalb wichtig, weil sich ein politischer Diskurs auf eine konkrete Situation bezieht und dabei darauf abzielt, sich auf diese Situation planmäßig auszuwirken. Sein Vorschlag ist eigentlich einfach: „[W]e, in order to access the rhetorical level of the text, where we can expect to find its ‚political point’ and the various rhetorical strategies negotiating the relationship between the author and his audience, need a broader, more open and inclusive form of contextualism, and a type of reading that pays more attention to particulars and to the rhetorical movement of the text.“ (S. 19)

Sein methodologischer Ansatz, eine politische Theorie als Diskurs zu betrachten und sie in ihrem realpolitischen und historischen Zusammenhang auseinanderzusetzen, geht also konform mit der ‚anti-Baronschen’ Strömung der letzten Zeit. Diese Strömung hat ohne Zweifel dazu beigetragen, die realpolitischen Bezüge des so genannten Bürgerhumanismus bloßzulegen und damit das von der Baronschen Idealisierung der florentinischen Republik herrührende Zerrbild der Geschichte der politischen Ideen und der Wirklichkeit im 15. Jahrhundert zu korrigieren.

Doch scheint Zweifel angebracht, ob die politische Publizistik von Salutati bis Machiavelli bloß als patriotisch motivierte Rhetorik anzusehen ist. Wenn Hörnqvist nun den rhetorischen Charakter der florentinischen politischen Schriften bis einschließlich Machiavelli nachdrücklich hervorhebt, meint er damit ein gewisses freimütiges Umgehen der florentinischen Denker mit der Frage der Konsistenz und Ehrlichkeit: „Machiavelli, writing for effect rather than for comprehension, employs logical inconsistencies and discrepancies to achieve various rhetorical purposes.“ (S. 245) Einem Autor eine heimliche Intention zu unterstellen, ist häufig nur ein Alibi für das Umgehen schwieriger interpretatorischer Probleme. Alles letztendlich auf die Intention und die davon bedingte und von der Situation abhängende Sprechweise zurückzuführen, macht unsere Auslegungsarbeit manchmal über Gebühr spekulativ. Besonders Hörnqvists Überlegung zum 25. Kapitel von ‚Il Principe’ (S. 244-249) scheint zu zeigen, dass er von diesem Problem nicht frei ist.

Doch trotz dieser Vorbehalte muss man seinem Buch zuerkennen, dass es wohl angelegt ist und viele interessante Fakten und Ansätze in die Diskussion einbringt. Die Berücksichtigung der jüngsten Forschungsliteratur macht die Lektüre nützlich. Zumindest handelt es sich für den Zusammenhang zwischen politischer Ideologie und Machtpolitik in Florenz um ein hervorragendes Nachschlagwerk!

Anmerkungen:
1 Baron, Hans, The Crisis of the Early Italian Renaissance. Civic Humanism and Republican Liberty in an Age of Classicism and Tyranny, 2 Bde., Princeton 1955; einbändige revidierte Auflage, Princeton 1966.
2 Vgl. dazu die Beiträge in: Hankins, James (Hg.), Renaissance Civic Humanism. Reappraisals and Reflections, Cambridge 2000.

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