Cover
Titel
Marc Aurel. Kaiser und Philosoph


Autor(en)
Fündling, Jörg
Erschienen
Darmstadt 2008: Primus Verlag
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Katrin Herrmann, Historisches Institut, Universität Mannheim

Durch die von Birley1 vorgelegte und nach wie vor maßgebliche Biographie zu Marc Aurel ist es nicht einfach, eine weitere Arbeit zu diesem Kaiser in der Forschung zu platzieren. Doch in der von der WBG und dem Primus Verlag begonnenen Reihe „Gestalten der Antike“ darf einer der populärsten römischen Kaiser sicher nicht fehlen. Jörg Fündlings Buch zu Marc Aurel ist in 14 Kapitel eingeteilt, welche die fünf Lebensabschnitte „Kindheit und Jugend“, „Erbe des Antoninus“, „Alleinherrschaft“, „Innere und äußere Bedrohung“ und letztlich „Tod und Verklärung“ abdecken.

Fast schon zwingend und etwas klischeehaft trägt die Marc Aurel-Biographie von Jörg Fündling den Untertitel „Kaiser und Philosoph“. Diese im Zusammenhang mit Marc Aurel oft bemühte Verbindung2 legt auch die Frage nahe, inwieweit er Kaiser war und in welchen Bereichen der Philosoph dominierte.3 Nicht nur den Diskurs über dieses Problem, sondern auch die Suche nach dem Menschen Marc Aurel (S. 12) legt Fündling seiner Biographie als Leitfragen zugrunde. Diese Idee ist zwar neu, aber wegen der Quellenlage auch nicht unproblematisch. Insbesondere in der Darstellung über die Jugend Marc Aurels finden sich Aussagen, welche die Quellen nicht bestätigen: So ist etwa die These, Hadrians Hingabe zu Marc Aurel sei einseitig gewesen (S. 20), nicht zu belegen. Obwohl wir über den Tod von Marc Aurels leiblicher Mutter keine Nachricht haben, schlussfolgert Fündling, dass sie „als Großmutter, aber doch zu jung“ (S. 37) starb. Maßgeblichen Einfluss auf den späteren Augustus hatten in dieser Zeit dessen Lehrer und ihre Studien, weshalb Fündling diesen Lebensabschnitt auch ausführlich beschreibt. Am Anfang war es insbesondere M. Cornelius Fronto, der als Marc Aurels Rhetoriklehrer Einfluss auf den Caesar ausübte, bis dieser durch die Lektüre des Stoikers Ariston von Chios von der Philosophie so eingenommen wurde, dass die Rhetorik in den Hintergrund trat. Davon, dass „das Fach einen schweren Stand bei ihm hatte“ (S. 41), kann allerdings nicht die Rede sein.4 Am Ende dieses Kapitels folgt eine kurze Analyse der „Selbstbetrachtungen“ des Kaisers. Dabei wird die Stimmung, die eine Lektüre dieses Werkes hervorruft, zutreffend als „trübsinnig“ (S. 47) beschrieben. Dieses darf jedoch nicht verwundern, wenn man in Rechnung stellt, dass die philosophische Hinterlassenschaft Marc Aurels auf seinen Feldzügen entstand; in Situationen also, in denen dieser alles andere als glücklich gewesen sein dürfte. Dies erfährt der Leser erst im achten Kapitel, wo Fündling nochmals ausführlich auf die „Selbstbetrachtungen“ eingeht. Dennoch rundet die an dieser Stelle fehlende Information das vom jungen Marcus fälschlich gezeichnete Bild eines in sich gekehrten und traurigen Jungen ab.

Im Anschluss an die „Kindheit und Jugend“ Marc Aurels widmet Fündling ein ganzes Kapitel der Regierung seines Adoptivvaters Antoninus Pius, dem Marc Aurel „tiefe Zuneigung“ (S. 59) entgegenbrachte und den er als idealen Herrscher verehrte.5 In seiner Regierungszeit lagen wohl die glücklichsten Jahre des Caesars, denn als „Marcus’ Zeit gekommen war […], hatte Marcus sie durchaus erwarten können“ (S. 71). Zwar war Marc Aurel von seinem Adoptivvater allein zum Nachfolger bestimmt worden, er erhob aber sofort nach seinem Regierungsantritt auch Lucius Verus zum Augustus. Allerdings waren beide keine gleichberechtigten Kaiser gewesen, wie Jörg Fündling zu Recht feststellt (S. 72–75), „sondern Lucius Aurelius Verus Augustus – nicht ‚Antoninus‘ – erschien dem Namen nach in der Tat wie ein Adoptivsohn“ (S. 74) und außerdem „rangierte“ Marc Aurel „in allen Senatsämtern“ (S. 74) vor seinem Adoptivbruder. Richtig ist, dass nur Marc Aurel den Titel des pontifex maximus trug; wegen der ungenauen Formulierung kann der Leser an dieser Stelle nur vermuten, dass mit „Senatsämtern“ wohl die ungleiche Verteilung der Consulate und der Iteration der tribunicia potestas gemeint ist. Das Kapitel zur Periode nach dem Tod des Lucius Verus trägt den Titel „die zweite Lehrzeit“, womit wohl die fehlende Unterstützung durch den Mitkaiser gemeint ist, denn ein Feldherr war Marc Aurel nie. Die chronologischen Probleme der Markomannenkriege sind hinlänglich bekannt, und auch Fündling versucht nicht, eine neue Lösung zu präsentieren, sondern folgt hier dem in der Forschung überlieferten Gerüst.

Im letzten Kapitel schließlich wird „die Lichtgestalt“ Marc Aurel behandelt. Neben einem sehr kurzen Ausblick auf die nachfolgenden Jahrhunderte endet die Biographie mit Gedanken über das Reiterstandbild auf dem Kapitol. Doch anstatt Darstellung und Gestus des Kaisers zu analysieren, beendet Fündling seine Betrachtung mit wenig hilfreichen Bemerkungen: „So hat man die Aussicht aufgegeben, sich den Kaiser goldstrahlend vor das Ende aller Dinge stellen zu sehen, dem er den letzten Gruß entbietet – ob es nun als stoischer Weltbrand kommen sollte oder ob auf den Wolken des Himmels unter Zeichen und Wundern ein Herr dem anderen entgegenträte. Die Überwachungskameras, die den Dieb in der Nacht suchen, zeigen allein zur Erde.“ (S. 183) Auch dieser besondere Stil Fündlings macht das Lesen der Biographie nicht immer einfach und gibt dem Werk stellenweise eher den Anstrich eines Romans als den einer wissenschaftlichen Biographie. Dies gilt auch für die stellenweise ungewöhnliche Terminologie. So ist es beispielsweise etwas befremdlich, wenn ein erfahrender Feldherr wie Vehilius Gratus anstatt als solcher als „Troubleshooter“ (S. 110) bezeichnet wird.

Geht man davon aus, dass sich die Reihe „Gestalten der Antike“ an den interessierten Laien wendet, dann ist diese Biographie trotz der angedeuteten Unstimmigkeiten durchaus lesenswert.

Anmerkungen:
1 Birley, Anthony, Marcus Aurelius. A Biography, London 1987 (und Nachauflagen).
2 Vgl. z.B. Caratini, Roger, Marc Aurèle. L’Empereur philosophe, Neuilly-sur-Seine 2004; Dankwarth, Gerhard, Mark Aurel: römischer Kaiser und Philosoph, Heere 1997 und Stanton, Greg R., Marcus Aurelius, Emperor and Philosopher, in: Historia 18 (1969), S. 570–587.
3 Vgl. Rosen, Klaus, Herrschaftstheorie und Herrschaftspraxis bei Marc Aurel. Eine antike Kontroverse, in: Neukam, Peter (Hrsg.), Motiv und Motivation, München 1993, S. 94–105.
4 Vgl dazu besonders Kasulke, Christoph T., Fronto, Marc Aurel und kein Konflikt zwischen Rhetorik und Philosophie im 2. Jh. n. Chr., Leipzig 2005.
5 Vgl. Marc. Ad se ips. 1,16.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension