C. Fraenkel-Goldschmidt u.a. (Hrsg.): Joseph of Rosheim

Titel
The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leader of Jewry in Early Modern Germany


Herausgeber
Fraenkel-Goldschmidt, Chava; Ben Gershon, Joseph; Shear, Adam; Schendowich, Naomi
Reihe
Studies in European Judaism 12
Erschienen
Leiden, Boston 2006: Brill Academic Publishers
Anzahl Seiten
XIV, 448 S.
Preis
€ 172,21
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Litt, Bar Ilan University, Israel

Unter den zahlreichen Fürsprechern (hebräisch: Shtadlanim) der Juden in der Frühen Neuzeit hat wohl keiner eine ähnliche Autorität und Bekanntheit erlangt wie Josef, auch genannt Josel von Rosheim (circa 1478-1554). Diese herausragende Rolle resultierte aus seinen Verhandlungskompetenzen, die sich im Laufe seines Lebens beinahe auf alle Juden im gesamten deutschen Sprachgebiet erstreckten, wie auch darauf, dass er in seinem unermüdlichen Wirken als Mediator für die Rechte der Juden bei allen Herrscherrängen in seiner Ära reichlich Beschäftigung fand. Es war die Zeit der schweren Krise des deutschen Judentums in der Übergangszeit vom Spätmittelalter mit den Judenvertreibungen aus Reichsstädten und diversen Territorien hin zur Frühmoderne, die erst Jahrzehnte nach Josefs Tod eine gewisse Konsolidierung jüdischer Existenzbedingungen im Reich mit sich bringen sollte. Zu seinen Bemühungen gehörten u.a. Versuche zur Erlangung verbriefter Rechte für die Juden, die Abwehrung von geplanten bzw. die Rückgängigmachung bereits erfolgter Vertreibungen, die Bekämpfung von religiös motivierten Anschuldigungen, vor allem den so genannten „Blutbeschuldigungen“ und schließlich auch die Abwehr der zunehmend antijüdischen Attacken der jungen Reformation in Deutschland.

Die persönlichen Aufzeichnungen einer solchen Persönlichkeit müssen daher von großem Interesse sein und tatsächlich hat sich die historische Forschung schon seit langem immer wieder der Person und den Schriften des Josef von Rosheim angenommen. Die erste Annäherung an die Figur Josefs erfolgte 1879 durch Marcus Lehmann, der sich auch auf den Text der Chronik stützte. 1 Isidor Kracauer legte schon 1888 eine erste Komplettedition der Chronik von Josef vor 2 und in weiterer Folge arbeiteten neben anderen vor allem Ludwig Feilchenfeld 3, Moses Ginsburger 4 und Selma Stern 5 über diese schillernde Figur des deutschen Judentums. Chava Fraenkel-Goldschmidt ist vorerst die letzte Forscherin in dieser Reihe, die jedoch kurz nach der Fertigstellung des Manuskripts der hebräischen Originalausgabe der erneuten Edition der Chronik 6 verstarb. Sie war eine profunde Kennerin der Person des Josef von Rosheim, seines Wirkens, seiner Schriften und dieser Epoche jüdischer Geschichte überhaupt. Sie hat mehrere Arbeiten zur Thematik vorgelegt, leider oft nur in Hebräisch, weshalb die Früchte ihrer Arbeit Nichtkennern des Hebräischen meist verschlossen blieben. Desto mehr ist es zu begrüßen, dass ihr letztes und umfassendstes Werk nun auch in einer englischen Übersetzung vorliegt, noch dazu innerhalb einer viel beachteten Reihe im Brill-Verlag.

In ihrer Edition setzte sich Fraenkel-Goldschmidt offenbar bewusst stark von den Vorarbeiten ab, die sie zwar allesamt vorstellt und zitiert (S. 54-56), aber kaum weiter diskutiert. In der Tat weicht ihr Ansatz von den Vorarbeiten ab, auch wenn er im Grundkonzept an Kracauers Erstedition erinnert: Die Widergabe des chronikartigen Textes sowie die ausführliche Erläuterung und Kommentierung der einzelnen Passagen, auch wenn sie durch Fraenkel-Goldschmidt sehr viel ausführlicher erfolgte, als durch Kracauer mehr als 100 Jahre zuvor.

In einer längeren allgemeinen Einleitung stellt Fraenkel-Goldschmidt die Epoche und das vielschichtige Wirken Josefs von Rosheim vor und geht auch auf Fragen der Historiografie innerhalb der edierten Chronik ein, die zwar zu den Selbstzeugnissen gerechnet werden muss, aber kaum als Memoiren bezeichnet werden kann, da der Text dafür zu knapp und zu distanziert vom Autor erscheint. Darauf folgt eine Fotoreproduktion der ersten fünf Folioseiten der Handschrift, die in der Bodleian Library in Oxford aufbewahrt wird. Als Hauptteil mit beinahe 250 Seiten müssen jedoch die Kommentierung und Erklärung der in der Chronik von Josef geschilderten Ereignisse angesehen werden, für die die Bearbeiterin noch eine große Anzahl von weiteren Primärquellen in Deutschland, Frankreich und Österreich hinzuzog, wie sie auch auf die jeweils vorhandene Sekundärliteratur einging. Mit dieser Art der historischen Annäherung an die Chronik und ihre Inhalte geht Fraenkel-Goldschmidt dann auch weit über die sonstige Editionsarbeit hinaus und trägt viel zum Verständnis der von Josef oft sehr knapp geschilderten Vorgänge bei.

Naturgemäß sind die geschilderten historischen Ereignisse immer auch in Verbindung mit dem Schicksal Josefs oder anderer Juden verbunden gewesen, da sie sonst kaum in der Chronik Erwähnung gefunden hätten. Beispielsweise wird von Josef die Inthronisierung Karls V. erwähnt, zu der er selbst auch anwesend war, um sich die allgemeinen Privilegien für die Juden im Reich bestätigen zu lassen und, wie er weiter beschreibt, auch die schon bestätigten Ausweisungen aus einigen Orten im Elsass wieder rückgängig zu machen (S. 315-317). Diese knappe Schilderung wird von Fraenkel-Goldschmidt ausführlich analysiert und kommentiert, sowie, wo möglich, im weiteren Kontext dargestellt (S. 127-130). Identisch hat sie zu allen der insgesamt 29 geschilderten historischen Ereignisse gearbeitet, jeweils ausführlich mit einem Apparat versehen. Andere geschilderte Geschehnisse sind z. B. der Bauernkrieg, mehrere Reichstage, auf denen Josef anwesend war, die Ausweisung der Juden aus dem Kurfürstentum Sachsen 1536 und aus Prag 1541, bis hin zum Schmalkaldischen Krieg 1545/46.

Die durchweg fundierte Darstellung von Frankel-Goldschmidt, erweitert um mehrere Anhänge mit weiteren kurzen Schriften und Dokumenten von bzw. über Josef von Rosheim, bietet inhaltlich kaum Kritikpunkte. Zu bemängeln sind höchstens einige technische Aspekte der Ausgabe: Es wäre vielleicht günstiger gewesen, den Text der Chronik vor den Teil mit den Erläuterungen der Autorin zu stellen. Weiter ist es etwas bedauerlich, dass durch die Komplettübersetzung des Buches der Originaltext in der englischen Ausgabe auch nur in dieser Sprache vorhanden ist. Studien im hebräischen Original können somit nur in Verbindung mit der hebräischen Ausgabe vorgenommen werden. Schließlich wurde die Bibliografie ausschließlich in den Fußnoten untergebracht, wie auch das Verzeichnis der benutzten Quellen und Archive, was eine kurze Prüfung der Grundlagen kaum ermöglicht. In einem Band von beinahe 450 Seiten ist dieses sonst für Aufsätze übliche Verfahren eher nicht empfehlenswert. In der fundierten Darstellung und Analyse der Ereignisse dürfte der Band ohne Zweifel seine Leserschaft nicht nur in hoch spezialisierten Fachkreisen finden, sondern auch Studierende der Geschichte ansprechen, wogegen jedoch wahrscheinlich der verlagstypisch hohe Preis spricht.

Anmerkungen:
1 Lehmann, Marcus, Rabbi Joselmann von Rosheim. Eine historische Erzählung, 2 Bde., Frankfurt am Main 1879.
2 Kracauer, Isidor, Le Journal de Joselman de Rosheim, in: Revue des Études Juifes 16 (1888), S. 84-105.
3 Feilchenfeld, Ludwig, Rabbi Josel von Rosheim, Straßburg 1898.
4 Ginzburger, Moses, Josel von Rosheim und seine Zeit, Gebweiler 1913.
5 Stern, Selma, Josel von Rosheim, Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, Stuttgart 1959.
6 Frankel-Goldschmidt, Chava, Joseph of Rosheim. Historical Writings, Jerusalem 1996 (Hebr.).

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension