Cover
Titel
A Beautiful Game. International Perspectives on Women's Football


Autor(en)
Williams, Jean
Erschienen
Dorset 2007: Berg Publishers
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
€ 28,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Uta Andrea Balbier, Deutsches Historisches Institut Washington, DC

Über Sport zu fachsimpeln hat viel damit zu tun, im richtigen Moment die richtigen Namen zu nennen. „Weißt Du noch als Gary Lineker, als Michel Platini, als Luis Figo …?“ Diese Sätze können auch im Nichts verlaufen, sie rufen dennoch Erinnerungen und Emotionen hervor. Doch was lösen die Namen Mia Hamm, Julie Murray, Sun Wen oder Kelly Smith aus? Jean Williams, die am International Center for Sports History and Culture der De Montford University unterrichtet, stellte schon in ihrer ersten Studie zum Frauenfußball in England die These auf, dass dem Spiel ein Gedächtnis fehle, ein Bewusstsein für seine Geschichte, seine Traditionen, seine Brüche und vor allem seine Stärke, um neben dem spielbestimmenden Männerfußball zu bestehen.1 In dem vorliegenden Band legt sie vier Einzelstudien zu der Geschichte des Frauenfußballs in den USA, England, China und Australien vor. Darin analysiert sie die Spezifik der nationalen Sportsysteme, den Einfluss und die Eigeninteressen der internationalen Fußballverbände und der Olympischen Bewegung sowie die Geschichte einzelner Spielerinnen. Damit verknüpft sind Einblicke in die Geschichte von sexueller Normierung und geschlechtlicher Diskriminierung in der Männerwelt des Fußballsports. Jean Williams hat ein breites und ein sehr politisches Buch geschrieben und das Schönste ist, dass sie oft nur die Quellen sprechen lassen muss. So stellte eine der Mütter des englischen Frauenfußballs, Nettie Honeyball, schon 1895 fest: „There are some prudes, no doubt who will vote the game improper as there is always a prejudice against women encroaching on what men consider their preserves.“

Den vier Einzelstudien und einer abschließenden Zusammenfassung ist eine theoretisch fundierte Einleitung vorangestellt, in der die Autorin das Konzept ihrer Studie darlegt. Ihr geht es darum, eine Geschichte des Fußballs zu schreiben, in der die männliche und die weibliche Seite des Spiels in einem ständigen Spannungsverhältnis miteinander verflochten sind. Dies zeigt sich auch in der Periodisierung der Entwicklung des Frauenfußballs: von dem Bedürfnis nach Integration in der Gründungsphase um die Jahrhundertwende, über den Kampf gegen Diskriminierung seit den 1950er-Jahren, bis zu der Phase der strukturellen Integration in die FIFA und ihre regionalen Suborganisationen seit 1990. Für Williams ist dies jedoch nur eine „negative Integration“. Ihre These lautet, dass die FIFA-Bürokratie erst Bereitschaft zeigte, Frauenfußball zu integrieren, als dieser mit eigenen internationalen Wettbewerben ins Lichte der Öffentlichkeit rückte und die FIFA deshalb ihr Organisationsmonopol gefährdet sah. Doch weder die nationalen Frauenligen – so es sie denn gibt – noch die internationalen Wettbewerbe im Frauenfußball verfügen über ein ähnliches Prestige wie ihre männlichen Pendants. Auch in den bürokratischen Strukturen des Fußballsports selbst sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Dass der Begriff Frauenfußball als eigenständiger Begriff neben dem Begriff Fußball steht, ist für Williams der kulturelle Kitt dieser Scheinintegration.

Die erste Einzelstudie zu den USA geht von der Beobachtung aus, dass die Zahl der Fußballerinnen in den USA in den letzten dreißig Jahren von 50.000 auf neun Millionen angewachsen ist. Williams analysiert zwei Entwicklungsstränge des US-Frauenfußballs: seine zunehmende Popularität als Collegesport und die damit verbundene Geschichte der ersten Spitzenfußballerinnen. Der Frauenfußballweltmeisterschaft in den USA 1999 und der Gründung der professionellen Frauenliga in 2001 kommt dabei für die öffentliche Präsenz und Wahrnehmung des Frauenfußballs eine besondere Rolle zu. In einem zweiten Teil bettet die Autorin ihre Beobachtungen in die historische Entwicklung des Frauensports in den USA seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein. Trotz der relativen Prominenz des Frauenfußballs in dieser frühen Zeit, setzte dessen eigentliche, bis heute fortwährende Blütezeit erst in den 1970er-Jahren ein. In den USA wurde diese stark durch den im Jahr 1972 durch den US-Kongress verabschiedeten Title IX, der die Gleichberechtigung von Mädchen im Schulsystem garantieren sollte, beeinflusst.

Die Studie zum chinesischen Frauenfußball ist wesentlich knapper gefasst. Hier erzählt Williams die Geschichte einer Sportart, die in Asien früh eine internationale Wettbewerbskultur und Verbandsstruktur hervorbrachte. Bereits im Jahr 1968 wurde die Asian Ladies Football Confederation gegründet, deren Auseinandersetzung mit der FIFA um die Frage, wem die administrative Autorität über den Frauenfußball in Asien zustünde, Williams einen prominenten Teil der Studie widmet. Dennoch ist auch die Geschichte des chinesischen Frauenfußballs, trotz der frühen internationalen Erfolge der Spielerinnen, eine Geschichte der Hegemonie des Männerfußballs, wenn es um staatliche Ressourcenverteilung oder mediale Aufmerksamkeit geht. Der historische Abriss zum Frauenfußball zeigt, dass auch in China bereits in den 1920er-Jahren Frauenfußball gespielt wurde, doch seine tatsächliche Blütezeit setzte erst mit den Erfolgen des Nationalteams ein, das im Jahr 1979 den Spitznamen „Iron Roses“ erhielt. Seitdem wurde die Entwicklung des Frauenfußballs maßgeblich durch eine frühe Professionalisierung geprägt, die einer Kombination aus kommunistischer Staatsplanung und jüngerer Marktorientierung entsprang.

Ähnlich umfassend wie die Studie zu den USA ist der folgende Teil über Frauenfußball in England. Hier betraten Fußballerinnen bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Sportbühne als ein für die meisten Männer höchst irritierender und unwillkommener Aspekt der Moderne. Daher entwickelte sich der Frauensport auch außerhalb der männlichen Verbandsstrukturen, wie das Beispiel des Betriebssportvereins und vielleicht berühmtesten Frauenfußballvereins der Welt der „Dick, Kerr Ladies“ zeigt. Die Entwicklung des englischen Frauenfußballs war geprägt durch den Anspruch der Männerverbände den Sport zu organisieren, die Fähigkeit der Frauenteams, kommerzielle Freiräume zu besetzen, indem sie ihren Sport als Spektakel inszenierten, sowie durch die frühe globale Dimension, angestoßen durch die internationalen Wettbewerbe, welche die „Dick, Kerr Ladies“ in den 1920er-Jahren spielten. Diese Erfolgsgeschichte endete, als der englische Frauenfußball im Jahr 1921 von verbandeigenen Plätzen verbannt wurde, da das Spiel für Frauen als ungeeignet galt. Trotz der Regelung, die erst zu Beginn der 1970er-Jahre abgeschafft wurde, gab es auch in den 1950er- und 1960er-Jahren Frauenteams, doch bis heute konnte der englische Frauenfußball nicht an seine goldenen Jahre anknüpfen.

Die sich anschließende Studie zum Frauenfußball in Australien nimmt wieder deutlich weniger Raum ein. Fußball generell kommt in der australischen Sportlandschaft nur ein geringer Stellenwert zu, und der Wiederaufschwung der Sportart nach seiner (ganz den globalen Strömungen entsprechenden) Marginalisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte erst mit den 1990er-Jahren ein, als australische Fußballerinnen an Weltmeisterschaften teilnahmen und sich eine Frauenliga gründete. Die erste Teilnahme an der Frauenfußballweltmeisterschaft in Schweden 1995 erhöhte das nationale Interesse an dem Sport, der sich mit Blick auf die Olympischen Spiele im eigenen Land im Jahr 2000 bald auch steigender staatlicher Fördermittel erfreute. Die Gründung der australischen Frauenliga trug ebenso zur Popularisierung der Sportart bei und wirkte der Spielerinnenmigration beispielsweise in die USA entgegen. Die Fallstudie endet konsequenter Weise mit Blick auf die Bedeutung der Olympischen Spiele 2000 in Sydney für den australischen Frauenfußball. Das Turnier bescherte der Sportart einmalige Zuschauerzahlen und ein ungekanntes Maß an medialer Aufmerksamkeit.

Jean Williams hat zweifelsohne ein wichtiges Buch geschrieben, dennoch bleibt der Gesamteindruck der, eines verfahrenen Fußballspiels. Viele Pässe laufen ins Leere; wichtige Aspekte wie Migration, Ethnizität und Geschlechteridentität werden unter zu vielen Statistiken, Zuschauerzahlen, Organisationsnamen und Gründungsdaten erdrückt. Auch das von Williams prominent angeführte und oft störend lang abgedruckte FIFA-Material kommt einer vergebenen Torchance gleich. Doch Williams will ausdrücklich Fragen anregen, anstatt fertige Antworten zu geben, und das gelingt ihr hervorragend. Nach der Lektüre kreisen die Gedanken um Fragen der Spielerinnenmigration, der Konstruktion des „gay sports“, der Rolle des Frauenfußballs im Kontext sich wandelnder Vorstellungen von Gesundheit, Weiblichkeit, Freizeit und Konsum und um die Bedeutung von staatlichen geschlechterpolitischen Regulierungsversuchen. Dies ist Williams äußerst anregendem Fazit zu verdanken, mit dem die Untersuchung schließt. Der Blick in die ausführliche Bibliographie zeigt zudem, wo die Lücken in der Geschichte des Frauenfußballs liegen, aber auch welche Pflöcke schon in die insgesamt karge Forschungslandschaft eingeschlagen sind. Und es ist Williams dafür zu danken, dass sie einen weiteren Grundstein für das Gedächtnis eines Spiels gelegt hat, das für Millionen Frauen weltweit Teil ihres Alltags ist. Für sie heißt es einfach nur: „Elf Freundinnen müsst ihr sein“.

Anmerkung:
1 Williams, Jean: A Game for Rough Girls? A History of Women’s Football in Britain, London 2003.

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